Zeuge; Sohn d. Angeklagten Mulka Rolf Mulka
1. Frankfurter Auschwitz-Prozess
»Strafsache gegen Mulka u.a.«, 4 Ks 2/63
Landgericht Frankfurt am Main
103. Verhandlungstag, 22.10.1964
Vernehmung des Zeugen Rolf Mulka
Vorsitzender Richter:
[+ Sind Sie damit einverstanden, dass wir] Ihre Aussage auf ein Tonband nehmen zum Zweck der Stützung des Gedächtnisses des Gerichts?
Zeuge Rolf Mulka:
Ja.
Vorsitzender Richter:
Herr Mulka, Sie sollen uns etwas aussagen können über die Einstellung Ihres Vaters und seine Äußerungen, die er Dritten gegenüber abgegeben hat über seine Erlebnisse in Auschwitz. Was wissen Sie darüber?
Zeuge Rolf Mulka:
[Pause] Ich bin mir nicht darüber im klaren, daß ich Aussagen machen kann über die Aussagen meines Vaters. Sondern ich kann aussagen, daß ich in Auschwitz einmal zu Besuch gewesen bin, und zwar im Jahre 1942 in den Sommerferien. Als ich als Schuljunge 14 Jahre alt war, habe ich zusammen mit meiner Mutter meinen Vater dort besucht. Wir haben dort gewohnt in der kleinen Schule, und ich glaube, wir haben uns etwa zehn oder vierzehn Tage dort aufgehalten. Über Äußerungen meines Vaters über die Auschwitz-Angelegenheiten kann ich nichts aussagen, weil er mir verständlicherweise als verhältnismäßig jungem Kerl natürlich über derartige Vorgänge niemals etwas hat verlauten lassen.
Vorsitzender Richter:
Ja. Herr Rechtsanwalt Doktor Müller.
Verteidiger Müller:
Herr Mulka, können Sie denn sagen, in den 14 Tagen, wo Sie dort waren, welches Fahrzeug Ihr Vater zur Verfügung hatte? War es ein Pkw?
Zeuge Rolf Mulka:
Nein, während ich dort war, hatte er ständig ein kleines Motorrad gehabt, und zwar eine 125-Kubikzentimeter-Maschine, wofür ich mich als Junge seinerzeit sehr interessierte.
Verteidiger Müller:
Haben Sie nie gesehen, daß er einen Pkw gefahren hat?
Zeuge Rolf Mulka:
Nein.
Verteidiger Müller:
Waren Sie mal in seinem Dienstzimmer?
Zeuge Rolf Mulka:
Ja. [...]
Verteidiger Müller:
Erinnern Sie das Aussehen der Tür? Stand da sein Name dran?
Zeuge Rolf Mulka:
Das kann ich nicht erinnern, nein.
Verteidiger Müller:
Wissen Sie, wie die Fenster lagen?
Zeuge Rolf Mulka:
Wenn man aus dem Fenster herausschaute, konnte man über das Schutzhaftlager hinwegsehen und konnte auch – meiner Erinnerung nach – die Soła fließen sehen.
Verteidiger Müller:
Danke schön, keine Fragen.
Zeuge Rolf Mulka:
Die Soła ist der kleine Fluß, der an der Straße entlangging.
Vorsitzender Richter [unterbricht]:
Von seiten des Gerichts keine Fragen mehr? Herr Staatsanwalt.
Staatsanwalt Kügler:
Herr Mulka, das Motorrad, das Ihr Vater dort benutzt hat, hat er das benutzt, um von der Dienststelle nach Hause zu fahren?
Zeuge Rolf Mulka:
Soweit ich das gesehen habe, ja.
Vorsitzender Richter:
Herr Rechtsanwalt Ormond?
Nebenklagevertreter Ormond:
Keine Frage.
Vorsitzender Richter:
Herr Raabe?
Nebenklagevertreter Raabe:
Keine Frage.
Vorsitzender Richter:
Herr Rechtsanwalt Doktor Kaul?
Nebenklagevertreter Kaul:
Auch keine Frage.
Vorsitzender Richter:
Keine Frage mehr. Herr Rechtsanwalt Müller hat keine Fragen mehr. Sonst die Verteidigung, der Angeklagte Mulka auch nicht. Wollen wir den Zeugen nicht unbeeidigt lassen, weil seine Aussage nicht erheblich ist, ja. Der Zeuge bleibt gemäß § 61, Ziffer 3 der Strafprozeßordnung unbeeidigt, da seine Aussage nicht wesentlich ist und weil auch nach der Überzeugung des Gerichts unter seinem Eid eine wesentliche Aussage nicht zu erwarten ist.[1] Herr Mulka, Sie können wieder gehen. Sie sind entlassen. Gegen die Entlassung erhebt sich kein Widerspruch. Danke schön.
- Vgl. Protokoll der Hauptverhandlung vom 22.10.1964, 4 Ks 2/63, Hauptakten, Bd. 103, Bl. 829.