Zeuge Oskar Georg Kieselbach

76. Verhandlungstag 13.08.1964

1. Frankfurter Auschwitz-Prozess

»Strafsache gegen Mulka u.a.«, 4 Ks 2/63

Landgericht Frankfurt am Main

76. Verhandlungstag, 13.8.1964

Vernehmung des Zeugen Oskar Kieselbach

Vorsitzender Richter:

Herr Kieselbach, Sie sind in Litauen geboren, haben dort auch zunächst die Schule besucht, wurden im Februar 41 als Volksdeutscher umgesiedelt in das Reichsgebiet, kamen dann nach Grimmen.

Zeuge Oskar Kieselbach:

Jawohl.

Vorsitzender Richter:

In das Umsiedlerlager. [...]

Zeuge Oskar Kieselbach:

Zuerst kam ich nach Warthegau.

Vorsitzender Richter:

Nach Warthegau.

Zeuge Oskar Kieselbach:

Und dann nach Grimmen.

Vorsitzender Richter:

Und dann nach Grimmen. Und in diesem Lager in Grimmen, da sind Sie zur SS übernommen worden?

Zeuge Oskar Kieselbach:

Jawohl.

Vorsitzender Richter:

Wollen Sie uns das sagen, wie das gewesen ist?

Zeuge Oskar Kieselbach:

Also eines Tages wurde Lagersperre verhängt, und es mußten alle Männer im Gemeinschaftsraum antreten.

Vorsitzender Richter:

Ja.

Zeuge Oskar Kieselbach:

Und da wurde eine Rede gehalten, daß wir alle auch jetzt unsere Pflicht tun müssen, weil der Rußlandfeldzug begonnen hatte, und wir würden dann zur Begleitung von Kriegsgefangenentransporten eingesetzt.

Vorsitzender Richter:

Ja.

Zeuge Oskar Kieselbach:

Und wer sich nicht melden will, der trete hervor. [...] Es ist keiner hervorgetreten.

Vorsitzender Richter:

Ja. Was hat man Ihnen gesagt, was Sie tun sollten?

Zeuge Oskar Kieselbach:

Man sagte, wir sollten zur Begleitung oder Bewachung von Kriegsgefangenentransporten.

Vorsitzender Richter:

Bei Kriegsgefangenentransporten sollten Sie Dienst tun. Und es ist niemand vorgetreten, und auf diese Art und Weise sind Sie dann auch zur SS gekommen.

Zeuge Oskar Kieselbach:

Jawohl.

Vorsitzender Richter:

Und wohin sind Sie eingezogen worden?

Zeuge Oskar Kieselbach:

Ich bin nach Auschwitz eingezogen worden, aber das wußten wir bis zum letzten Augenblick nicht, bis wir nach Auschwitz kamen.

Vorsitzender Richter:

Hatten Sie denn damals schon eine militärische Ausbildung hinter sich gebracht?

Zeuge Oskar Kieselbach:

Nein.

Vorsitzender Richter:

Nein. Sie sind also dort militärisch ausgebildet worden, und zwar bei welcher Kompanie?

Zeuge Oskar Kieselbach:

Bei der 6.

Vorsitzender Richter:

Bei der 6. Kompanie. Wie lange dauerte ungefähr Ihre Ausbildung?

Zeuge Oskar Kieselbach:

Genau kann ich das nicht sagen. [...] Einen Monat, das war sehr kurz.

Vorsitzender Richter:

Den Winter über?

Zeuge Oskar Kieselbach:

Höchstens einen Monat.

Vorsitzender Richter:

Höchstens einen Monat? Das wäre aber sehr kurz.

Zeuge Oskar Kieselbach:

Das war sehr kurz.

Vorsitzender Richter:

Ja. Und da kamen Sie zur 6. Kompanie. Nun sind Sie im Oktober 41 gemustert worden, das heißt also, daß Sie an sich so Ende 41...

Zeuge Oskar Kieselbach:

Schon ausgebildet.

Vorsitzender Richter:

Schon ausgebildet waren, ja? Nun, wie lange waren Sie im Wachdienst?

Zeuge Oskar Kieselbach:

Im Wachdienst war ich sehr kurz.

Vorsitzender Richter:

Ja. Und kamen dann wohin?

Zeuge Oskar Kieselbach:

Auf die Schreibstube.

Vorsitzender Richter:

Auf die Schreibstube der 6. Kompanie.

Zeuge Oskar Kieselbach [unterbricht]:

Kompanie.

Vorsitzender Richter:

War das noch im Winter 41 auf 42, oder war das schon 42 im Frühjahr?

Zeuge Oskar Kieselbach:

[Pause] Ich glaube, das war im Winter 41/42.

Vorsitzender Richter:

Winter 41 auf 42. Wissen Sie noch, wie Ihr Kompaniechef hieß?

Zeuge Oskar Kieselbach:

Ja, die ersten weiß ich nicht. Ein Kompaniechef hieß Müller.

Vorsitzender Richter:

Müller. Nun, wie lange waren Sie auf der Schreibstube?

Zeuge Oskar Kieselbach:

Ja, das kann ich nun nicht genau sagen. Ich kam im Sommer 42 in Urlaub. Als ich zurückkam, war die Kompanie aufgelöst. Und da wurde ich einer anderen Kompanie zugeteilt.

Vorsitzender Richter:

Im Sommer 42?

Zeuge Oskar Kieselbach:

Ja.

Vorsitzender Richter:

Und zwar welcher Kompanie?

Zeuge Oskar Kieselbach:

Ja, war das die 3.? Ich glaube, das war die 3.

Vorsitzender Richter:

Und was mußten Sie dort machen?

Zeuge Oskar Kieselbach:

Ja, dort mußte ich kurze Zeit Wachdienst machen und kam dann wieder zu einer neuen Kompanie.

Vorsitzender Richter:

Ja. Und zwar kamen Sie dann...

Zeuge Oskar Kieselbach:

Ja, ich weiß nicht, war das die...

Vorsitzender Richter:

Also die Kompaniezahl, die spielt jetzt keine Rolle.

Zeuge Oskar Kieselbach:

Aber ich kam zu einer anderen Kompanie, und dann kam ich wieder auf die Schreibstube.

Vorsitzender Richter:

Und zwar bei dieser Kompanie?

Zeuge Oskar Kieselbach:

Ja.

Vorsitzender Richter:

Oder kamen Sie zur Verwaltung des Konzentrationslagers Auschwitz?

Zeuge Oskar Kieselbach:

Von dieser Kompanie aus kam ich zur Verwaltung.

Vorsitzender Richter:

Aha. Und wann war das ungefähr?

Zeuge Oskar Kieselbach:

[Pause] Ich glaube, das war 42.

Vorsitzender Richter:

Sie haben einmal gesagt: »Das muß ungefähr im Herbst 1942 gewesen sein.«[1]

Zeuge Oskar Kieselbach:

Ja, das wird wohl auch stimmen.

Vorsitzender Richter:

Das wird wohl auch stimmen.

Zeuge Oskar Kieselbach:

Genau kann ich nun nicht

Vorsitzender Richter [unterbricht]:

Welchen Dienstgrad hatten Sie damals?

Zeuge Oskar Kieselbach:

Rottenführer.

Vorsitzender Richter:

Rottenführer. Und dort waren Sie bei der Verwaltung dann bis wann?

Zeuge Oskar Kieselbach:

Bis zum Schluß, bis 45.

Vorsitzender Richter:

Bis Januar 45, zur Evakuierung des Lagers.

Zeuge Oskar Kieselbach:

Ja.

Vorsitzender Richter:

Und bei der Evakuierung kamen Sie wohin?

Zeuge Oskar Kieselbach:

Kam ich nach Loslau, von dort nach Mauthausen.

Vorsitzender Richter:

Nach Mauthausen. Und wie wurden Sie dort beschäftigt?

Zeuge Oskar Kieselbach:

Da war ich auch bei der Verwaltung, in der Effektenkammer oder Bekleidungskammer.

Vorsitzender Richter:

Ja. Sie sind dann nach der Befreiung durch die Amerikaner ausgeliefert worden, ja?

Zeuge Oskar Kieselbach:

Ja, ich bin da in Mauthausen also in Gefangenschaft geraten, im Lager selbst.

Vorsitzender Richter:

Ja.

Zeuge Oskar Kieselbach:

Also die andern, die da waren, gingen alle weg. Und es konnten bleiben, die sich freiwillig meldeten, also die keine Angst hatten zu bleiben.

Vorsitzender Richter:

Ja.

Zeuge Oskar Kieselbach:

Und von da aus kam ich in Gefangenschaft der Amerikaner.

Vorsitzender Richter:

Aha, da kamen Sie in Gefangenschaft der Amerikaner und wurden ausgeliefert?

Zeuge Oskar Kieselbach:

46, Ende. [...] An Polen.

Vorsitzender Richter:

An Polen. Haben Sie dort ein Gerichtsverfahren durchgeführt bekommen?

Zeuge Oskar Kieselbach:

Jawohl.

Vorsitzender Richter:

Und wie endete das?

Zeuge Oskar Kieselbach:

Ich wurde zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt.

Vorsitzender Richter:

Und zwar weshalb?

Zeuge Oskar Kieselbach:

Weil ich der SS angehörte. Das war ein Jahr unter der Mindeststrafe.

Vorsitzender Richter:

Ein Jahr unter der Mindeststrafe, weil Sie der SS angehörten. Hat

Zeuge Oskar Kieselbach [unterbricht]:

Und weil ich Entlastungszeugen hatte.

Vorsitzender Richter:

Ja. War damals in Polen ein Gesetz, das die Zugehörigkeit zur SS mindestens mit drei Jahren Gefängnis bestrafte?

Zeuge Oskar Kieselbach:

So wurde das erzählt.

Vorsitzender Richter:

So wurde das erzählt. Sie bekamen aber nur zwei Jahre, weil Sie Entlastungszeugen hatten, und diese zwei Jahre Gefängnis haben Sie abgebüßt bis?

Zeuge Oskar Kieselbach:

Anfang 49 kam ich nach Warschau, also zur Entlassung. Aber erst Ende 49 wurde ich entlassen.

Vorsitzender Richter:

Ende 49

Zeuge Oskar Kieselbach [unterbricht]:

Warum ich da noch zurückbehalten wurde, weiß ich nicht.

Vorsitzender Richter:

Ja. Sie haben mal gesagt, es wäre November gewesen. Das kann ungefähr stimmen.

Zeuge Oskar Kieselbach:

Ja.

Vorsitzender Richter:

November 1949

Zeuge Oskar Kieselbach [unterbricht]:

November, ja.

Vorsitzender Richter:

Nun, wie Sie nun in Auschwitz dem Wachdienst zugeteilt waren, was hatten Sie da für Aufgaben?

Zeuge Oskar Kieselbach:

Ja, ich habe da so kleine Kommandos und auch die Große Postenkette

Vorsitzender Richter [unterbricht]:

Begleitet.

Zeuge Oskar Kieselbach:

Große Postenkette. Ich war einmal in Buna als Bewacher.

Vorsitzender Richter:

Ja.

Zeuge Oskar Kieselbach:

Ich war ja im allgemeinen sehr kurze Zeit da.

Vorsitzender Richter:

Haben Sie auch mal auf den Wachtürmen Dienst getan?

Zeuge Oskar Kieselbach:

Ja, das ist die Große Postenkette.

Vorsitzender Richter:

Ja. Nein, an der Kleinen Postenkette standen

Zeuge Oskar Kieselbach [unterbricht]:

Nein

Vorsitzender Richter [unterbricht]:

Glaube ich, auch Wachtürme, soviel mir

Zeuge Oskar Kieselbach [unterbricht]:

Die Kleine, das ist Schutzhaftlager. da war ich nicht.

Vorsitzender Richter:

Da waren Sie nicht. Sie waren nur an der Großen Postenkette.

Zeuge Oskar Kieselbach:

Ja.

Vorsitzender Richter:

Haben Sie auch mal gesehen, daß Leute an den Draht gelaufen sind oder daß sie

Zeuge Oskar Kieselbach [unterbricht]:

Nein, das habe ich nicht gesehen.

Vorsitzender Richter:

Nein. Haben Sie gesehen, daß Leute erschossen worden sind?

Zeuge Oskar Kieselbach:

Auch nicht.

Vorsitzender Richter:

Nein? Wissen Sie, daß Derartiges vorgekommen ist?

Zeuge Oskar Kieselbach:

Ja.

Vorsitzender Richter:

Und woher wissen Sie das?

Zeuge Oskar Kieselbach:

Na, auf der Schreibstube, da kamen ja die Meldungen. [...]

Vorsitzender Richter:

Und zwar auf der Schreibstube der Kompanie, oder?

Zeuge Oskar Kieselbach:

Ja, der Kompanie.

Vorsitzender Richter:

Der Kompanie. Und was stand in den Meldungen drin?

Zeuge Oskar Kieselbach:

Ja, das kann ich nur schwer sagen. [Pause] Daß ein Häftling da »auf der Flucht« erschossen wurde von dem und dem.

Vorsitzender Richter:

»Auf der Flucht«

Zeuge Oskar Kieselbach [unterbricht]:

Und wer da erschossen hat.

Vorsitzender Richter:

Ja, und wer erschossen worden ist.

Zeuge Oskar Kieselbach:

Und wer erschossen worden ist.

Vorsitzender Richter:

Und daß er »auf der Flucht« erschossen worden ist. Zeuge Oskar Kieselbach [unterbricht]:

Nein. Ich glaube, der Name vom Häftling stand da gar nicht.

Vorsitzender Richter:

Aber die Nummer sicherlich.

Zeuge Oskar Kieselbach:

Wahrscheinlich. [...]

Vorsitzender Richter:

Nun, mußte da auch ein Protokoll gemacht werden?

Zeuge Oskar Kieselbach:

Ja, das weiß ich nicht. Das weiß ich nicht mehr.

Vorsitzender Richter:

Nein? Sie haben bei Ihrer Vernehmung vor dem Untersuchungsrichter im Juli 1962 gesagt: »Ich weiß aber, daß Derartiges vorgekommen ist, nämlich Erschießungen.«

Zeuge Oskar Kieselbach:

Ja.

Vorsitzender Richter:

»Als ich später auf der Schreibstube war, mußten im Falle von Erschießungen Protokolle aufgenommen werden. Die Protokollaufnahme erfolgte durch den Spieß, auch der Kompanieführer war dabei.«[2]

Zeuge Oskar Kieselbach:

Ja. Ja, klar. Der SS-Mann meldete ja das dem Kompanieführer, und dann wurde das aufgenommen.

Vorsitzender Richter:

Wurde es aufgenommen.

Zeuge Oskar Kieselbach:

So verlief das.

Vorsitzender Richter:

Und dieses Protokoll, was geschah mit dem?

Zeuge Oskar Kieselbach:

Ja, das weiß ich nicht. Na, das ging wahrscheinlich zur Kommandantur oder zur Politischen Abteilung.

Vorsitzender Richter:

Nun, dann kamen Sie doch später zur Verwaltung.

Zeuge Oskar Kieselbach:

Ja.

Vorsitzender Richter:

Und bekam die auch eine Mitteilung, wenn ein Häftling erschossen war?

Zeuge Oskar Kieselbach:

Ja, da kamen die Listen.

Vorsitzender Richter:

Listen gab es da schon, waren das so viele?

Zeuge Oskar Kieselbach:

Weil wir die Konten der Häftlinge bearbeiteten. [...]

Vorsitzender Richter:

Was verstehe ich unter diesen Konten?

Zeuge Oskar Kieselbach:

Also manche Häftlinge hatten Guthaben.

Vorsitzender Richter:

Woher resultierten die?

Zeuge Oskar Kieselbach:

Na, sie brachten es mit, oder sie bekamen von Angehörigen was geschickt.

Vorsitzender Richter:

Geschickt. Und das Geld wurde deponiert?

Zeuge Oskar Kieselbach:

Das wurde verbucht.

Vorsitzender Richter:

Ja, wurde verbucht. Und Sie haben diese Guthaben geführt?

Zeuge Oskar Kieselbach:

Ja, ich habe einen Teil der Häftlinge...

Vorsitzender Richter:

War das so viel?

Zeuge Oskar Kieselbach:

Viele Häftlinge da waren ja in Gruppen eingeteilt.

Vorsitzender Richter:

Wie viele Leute arbeiteten denn daran, an dieser Geldverwaltung?

Zeuge Oskar Kieselbach:

Fünf, sechs.

Vorsitzender Richter:

Fünf, sechs Leute. Und Sie haben dort auch die Nachricht von Erschießungen bekommen. Und da sagten Sie, es kamen die Listen.

Zeuge Oskar Kieselbach:

Ja, die Listen kamen. Ich glaube, die kamen vom Revier. Vom Revier kamen die Listen.

Vorsitzender Richter:

Und waren auf diesen Listen nur die Erschossenen drauf oder auch andere?

Zeuge Oskar Kieselbach [unterbricht]:

Nein, nein, auch die Gestorbenen.

Vorsitzender Richter:

Auch die Gestorbenen.

Zeuge Oskar Kieselbach:

Daraus konnte man nicht sehen, ob Sie erschossen oder

Vorsitzender Richter [unterbricht]:

Daraus konnte man nichts sehen. Nun, haben Sie auch einmal gesehen, wenn Transporte auf der Rampe ankamen?

Zeuge Oskar Kieselbach:

Ja, das habe ich auch gesehen.

Vorsitzender Richter:

Auf welcher Rampe sind die angekommen?

Zeuge Oskar Kieselbach:

Na, zwischen dem Hauptlager und Birkenau. Und dann in Birkenau waren auch

Vorsitzender Richter [unterbricht]:

In Birkenau. Zwischen dem Frauenlager und dem anderen Lager?

Zeuge Oskar Kieselbach:

Und dem andern Lager.

Vorsitzender Richter:

Ja.

Zeuge Oskar Kieselbach:

Zuerst war ja...

Vorsitzender Richter:

Vor dem Lager.

Zeuge Oskar Kieselbach:

Vor dem Lager [unverständlich]

Vorsitzender Richter [unterbricht]:

Auschwitz.

Zeuge Oskar Kieselbach:

Ja.

Vorsitzender Richter:

Der Aussteigepunkt, ja. Und da sind Sie also auch wiederholt auf die Rampe gekommen. Was hatten Sie dort zu tun?

Zeuge Oskar Kieselbach:

Wir waren für das Gepäck [+ zuständig], daß das Gepäck ordnungsgemäß weggebracht wird.

Vorsitzender Richter:

Wo waren Sie damals stationiert, waren Sie da bei der Verwaltung?

Zeuge Oskar Kieselbach:

Da war ich bei der Verwaltung.

Vorsitzender Richter:

Ja.

Zeuge Oskar Kieselbach:

Das war schon außerhalb unseres Dienstes, da wurden wir eingeteilt.

Vorsitzender Richter:

Ja. Mit den Häftlingen hatten Sie nichts zu tun?

Zeuge Oskar Kieselbach [unterbricht]:

Nein, mit den Häftlingen gar nichts.

Vorsitzender Richter:

Insbesondere mit der Verbringung der Häftlinge in die Gaskammern.

Zeuge Oskar Kieselbach:

Nein, gar nichts.

Vorsitzender Richter:

Da hatten Sie nichts zu tun.

Zeuge Oskar Kieselbach:

Nein.

Vorsitzender Richter:

Sie könnten im übrigen auf diese Frage die Antwort verweigern.

Zeuge Oskar Kieselbach [unterbricht]:

Nein, das brauche ich nicht.

Vorsitzender Richter:

Brauchen Sie nicht. Sie sagen, Sie haben nichts damit zu tun gehabt, Sie haben lediglich das Gepäck dort abgeholt.

Zeuge Oskar Kieselbach:

Ja, oft waren auch die Häftlinge schon weg, als wir ankamen.

Vorsitzender Richter:

Ja. Und wo kam denn das Gepäck hin?

Zeuge Oskar Kieselbach:

Das kam zu der Effektenkammer, oder es wurde »Kanada« genannt.

Vorsitzender Richter:

Das wurde »Kanada« genannt. Und wissen Sie, wer das befohlen hat und wer da die Anweisungen gegeben hat?

Zeuge Oskar Kieselbach:

Das muß ja der Leiter der Verwaltung...

Vorsitzender Richter:

Der Leiter der Verwaltung. Wissen Sie, wer das war?

Zeuge Oskar Kieselbach:

Das war Möckel. [...]

Vorsitzender Richter:

Möckel. Ja. War da ein besonderes Häftlingskommando engagiert oder eingeteilt, das hier

Zeuge Oskar Kieselbach [unterbricht]:

Ja, für das Gepäck [gab es] ein besonderes Häftlingskommando.

Vorsitzender Richter:

Das war ein besonderes Häftlingskommando. Und waren das dieselben Häftlinge, die die Leute auch aus dem Zug herausgetrieben haben?

Zeuge Oskar Kieselbach:

Nein, denn ich sagte, oft waren sie schon

Vorsitzender Richter [unterbricht]:

Oft waren sie schon weg.

Zeuge Oskar Kieselbach:

Ja.

Vorsitzender Richter:

Aber wenn sie nicht weg waren, haben sie da gesehen, wie die Leute herausgetrieben worden sind aus dem

Zeuge Oskar Kieselbach [unterbricht]:

Nein, das haben Häftlinge nicht getan.

Vorsitzender Richter:

Nicht. Waren das SS-Leute?

Zeuge Oskar Kieselbach:

Das waren SS-Leute.

Vorsitzender Richter:

Die haben sie rausgetrieben?

Zeuge Oskar Kieselbach:

Ja.

Vorsitzender Richter:

Und wissen Sie noch, wer die nachher eingeteilt hat in solche, die in die Gaskammern gehen mußten, in solche, die ins Lager kamen, und so weiter?

Zeuge Oskar Kieselbach:

Ja, das kann ich nicht beantworten.

Vorsitzender Richter:

Warum können Sie das nicht beantworten? Wissen Sie es?

Zeuge Oskar Kieselbach [unterbricht]:

Nein, ich weiß das nicht. Ich habe mich da vorne nie aufgehalten. Da habe ich immer einen großen Bogen gemacht.

Vorsitzender Richter:

Einen großen Bogen gemacht.

Zeuge Oskar Kieselbach:

Um das nicht zu sehen.

Vorsitzender Richter:

Nun, haben Sie auch nicht gesehen, ob Ärzte da bei dieser Selektion tätig waren?

Zeuge Oskar Kieselbach:

Ja, aber ich habe gehört, daß da Ärzte immer dabei waren.

Vorsitzender Richter:

Können Sie sich auch auf einen Namen erinnern?

Zeuge Oskar Kieselbach:

Ja, vom Sehen kannte ich mehrere. Fischer ist ein Name, den ich behalten habe. Aber ob ich den dort gesehen habe, kann ich auch nicht sagen.

Vorsitzender Richter:

Haben Sie auch mal einen Apotheker auf der Rampe gesehen?

Zeuge Oskar Kieselbach:

Ja, das war so ein korpulenter Mann. Den habe ich gesehen.

Vorsitzender Richter:

Ja. Können Sie ihn uns ein bißchen näher beschreiben oder irgendwie ein besonderes Zeichen uns sagen?

Zeuge Oskar Kieselbach:

Ja, ich erkannte ihn an der Statur.

Vorsitzender Richter:

Ja.

Zeuge Oskar Kieselbach:

Und weil er ja einen höheren Dienstgrad hatte.

Vorsitzender Richter:

War er groß und kräftig, oder war er

Zeuge Oskar Kieselbach [unterbricht]:

Sehr kräftig.

Vorsitzender Richter:

Ja. Groß?

Zeuge Oskar Kieselbach:

Und auch groß.

Vorsitzender Richter:

Groß oder?

Zeuge Oskar Kieselbach:

Na ja, mittelgroß, etwas kleiner als ich, glaube ich.

Vorsitzender Richter:

Sie haben einmal gesagt: »Er war wohlbeleibt und nicht sehr groß.«[3] Stimmt das?

Zeuge Oskar Kieselbach:

Wohlbeleibt, das stimmt.

Vorsitzender Richter:

Ja.

Zeuge Oskar Kieselbach:

Mit der Größe [unverständlich]

Vorsitzender Richter [unterbricht]:

Da wollen Sie sich heute nicht mehr genau festlegen.

Zeuge Oskar Kieselbach:

Nein.

Vorsitzender Richter:

Wann war denn das, wie Sie den Apotheker dort gesehen haben?

Zeuge Oskar Kieselbach:

Ja, das kann ich nun nicht sagen, wann das war.

Vorsitzender Richter:

Nun, war es in der Zeit, als Sie bei der Verwaltung waren?

Zeuge Oskar Kieselbach:

Ja.

Vorsitzender Richter:

Da muß es ja gewesen sein.

Zeuge Oskar Kieselbach:

Ja, ja.

Vorsitzender Richter:

Sonst sind Sie ja nicht auf die Rampe gekommen.

Zeuge Oskar Kieselbach:

Ja.

Vorsitzender Richter:

Und Sie sind zur Verwaltung gekommen im Jahr 42?

Zeuge Oskar Kieselbach:

Ja.

Vorsitzender Richter:

Ja? Bis 45.

Zeuge Oskar Kieselbach [unterbricht]:

Ja, aber ich kann mich an die Zeit nicht entsinnen, wann das war.

Vorsitzender Richter [unterbricht]:

An die Zeit können Sie sich nicht entsinnen.

Zeuge Oskar Kieselbach:

Das ist zu lange her.

Vorsitzender Richter:

Wissen Sie noch, was das für ein Landsmann war, dieser Apotheker?

Zeuge Oskar Kieselbach:

Ich glaube, er war ein Volksdeutscher.

Vorsitzender Richter:

Ja, woher?

Zeuge Oskar Kieselbach:

Aus Rumänien.

Vorsitzender Richter:

Aus Rumänien, dachten Sie. Ja, und wissen Sie seinen Namen nicht mehr?

Zeuge Oskar Kieselbach:

Nein. [Capesius] oder irgendwie.

Vorsitzender Richter:

Woher wissen Sie den Namen?

Zeuge Oskar Kieselbach:

Na ja, wahrscheinlich aus der Zeitung. Sonst wußte ich die Namen nicht.

Vorsitzender Richter:

Dort wußten Sie den Namen nicht?

Zeuge Oskar Kieselbach:

Vielleicht habe ich den auch gehört, aber das...

Vorsitzender Richter:

Aber wieder vergessen. Ja, Sie haben mal bei Ihrer Vernehmung gesagt: »An seinen Namen kann ich mich nicht mehr erinnern. Ich weiß aber mit Sicherheit, daß er Apotheker war.«[4]

Zeuge Oskar Kieselbach:

Ja.

Vorsitzender Richter:

Wieso wissen Sie das mit Sicherheit?

Zeuge Oskar Kieselbach:

Ja, an seiner Statur.

Vorsitzender Richter:

Ja, kann man an der Statur ansehen, ob jemand Apotheker ist?

Zeuge Oskar Kieselbach [unterbricht]:

Ja, und dann hatte ich einen Landsmann da im Revier.

Vorsitzender Richter:

Sie?

Zeuge Oskar Kieselbach:

Einen Rechnungsführer.

Vorsitzender Richter:

Ja.

Zeuge Oskar Kieselbach:

Ja. Also mit dem war ich befreundet.

Vorsitzender Richter:

Auch aus Litauen?

Zeuge Oskar Kieselbach:

Auch aus Litauen.

Vorsitzender Richter:

Ja.

Zeuge Oskar Kieselbach:

Na ja, und dann kam ich oft zu ihm ins Büro, und er kam zu mir. Und durch ihn habe ich das erfahren, daß der Dicke der Apotheker ist.

Vorsitzender Richter:

Aha. Ja. Nun, wissen Sie, wieviel von diesen Ankommenden, also ein wie großer Teil, in die Gaskammern gekommen ist und wie groß der Teil war, der ins Lager gekommen ist?

Zeuge Oskar Kieselbach:

Ja, das kann ich nicht sagen.

Vorsitzender Richter:

Das wissen Sie nicht?

Zeuge Oskar Kieselbach:

Nein.

Vorsitzender Richter:

Ich möchte sagen: War es der größere Teil, der ins Lager kam, oder der größere Teil, der in die Gaskammern kam?

Zeuge Oskar Kieselbach:

Ich nehme an, der größere Teil kam wohl in die Gaskammer, weil [unverständlich]

Vorsitzender Richter [unterbricht]:

In die Gaskammern kam.

Zeuge Oskar Kieselbach:

Soviel ich hörte, Mutter und Kinder kamen ja...

Vorsitzender Richter:

Ja. Nun, wer war denn sonst noch auf der Rampe, wenn ein Transport ankam?

Zeuge Oskar Kieselbach:

Ja, Höß habe ich gesehen.

Vorsitzender Richter:

Ja. Auch sonst noch SS-Leute?

Zeuge Oskar Kieselbach:

Moll oder Muhl. [...]

Vorsitzender Richter:

Moll.

Zeuge Oskar Kieselbach:

Moll habe ich gesehen. Ja, ich kannte im allgemeinen sehr wenig mit Namen. Weil ich führte so ein ziemlich abgeschlossenes [+ Leben]. Ich verkehrte nur mit meinen Landsleuten, das waren zwei, drei.

Vorsitzender Richter:

Nun, waren Sie auch einmal bei einer Vergasung dabei?

Zeuge Oskar Kieselbach:

Nein, da war ich nicht.

Vorsitzender Richter:

Oder haben Sie mal Leute hingebracht in die Gaskammer?

Zeuge Oskar Kieselbach:

Nein, auch nicht.

Vorsitzender Richter:

Nein. Wissen Sie etwas darüber, daß Sanitätskraftwagen zu diesen Krematorien gefahren sind?

Zeuge Oskar Kieselbach:

Sanka-Wagen.

Vorsitzender Richter:

Ja.

Zeuge Oskar Kieselbach:

Ja, das wußte ich.

Vorsitzender Richter:

Ist Ihnen das erzählt worden, oder haben Sie das selbst

Zeuge Oskar Kieselbach [unterbricht]:

Erzählt worden.

Vorsitzender Richter:

Erzählt worden. Und wissen Sie, was in den Sanka- Wagen drin war?

Zeuge Oskar Kieselbach:

Ja, das weiß ich auch, jetzt.

Vorsitzender Richter:

Nämlich?

Zeuge Oskar Kieselbach:

Das Gas.

Vorsitzender Richter:

Sie sagen: »Das weiß ich auch, jetzt.« Was soll das heißen? Haben Sie das damals nicht erfahren?

Zeuge Oskar Kieselbach:

Damals habe ich es auch gewußt.

Vorsitzender Richter:

Damals haben Sie es auch gewußt, und zwar durch Hörensagen?

Zeuge Oskar Kieselbach:

Durch Hörensagen.

Vorsitzender Richter:

Durch dritte Personen, die Ihnen das

Zeuge Oskar Kieselbach [unterbricht]:

Durch dritte Personen.

Vorsitzender Richter:

Erzählt haben.

Zeuge Oskar Kieselbach:

Ja.

Vorsitzender Richter:

Wo das aber aufbewahrt war, das Gas, das wissen Sie nicht.

Zeuge Oskar Kieselbach [unterbricht]:

Nein, das weiß ich nicht.

Vorsitzender Richter:

Und wo es hergenommen worden ist und wer die Sanka-Wagen fuhr?

Zeuge Oskar Kieselbach:

Weiß ich auch nicht.

Vorsitzender Richter:

Wissen Sie nicht. Wissen Sie auch etwas von Erschießungen?

Zeuge Oskar Kieselbach:

Ja, vom Hörensagen.

Vorsitzender Richter:

Ja? Und wer soll denn die durchgeführt haben?

Zeuge Oskar Kieselbach:

Ja, Namen weiß ich nicht.

Vorsitzender Richter:

Ja, aber welche Abteilung?

Zeuge Oskar Kieselbach:

[Pause] Ich nehme an, die Politische Abteilung.

Vorsitzender Richter:

Die Politische Abteilung. Namen wissen Sie nicht?

Zeuge Oskar Kieselbach:

Nein.

Vorsitzender Richter:

Nun, haben Sie denn nicht in der Verwaltung in demselben Block gesessen wie die Politische Abteilung?

Zeuge Oskar Kieselbach:

Nein, die war getrennt. Zuerst, also in der ersten Zeit, da waren wir in einer Baracke. Aber das war nur kurze Zeit, als ich kam. Da war auch die Politische Abteilung. [...]

Vorsitzender Richter:

Wo war denn die Baracke?

Zeuge Oskar Kieselbach:

Ja, wie soll ich das nun beschreiben. Das war nicht weit vom kleinen Krematorium.

Vorsitzender Richter:

Aha. Und wo waren Sie dann?

Zeuge Oskar Kieselbach:

Und dann waren wir im großen Haus, in einem Mauerhaus.

Vorsitzender Richter:

In einem Mauerhaus.

Zeuge Oskar Kieselbach:

Da waren die landwirtschaftliche Abteilung und die Verwaltung.

Vorsitzender Richter:

Und die Politische Abteilung blieb da in diesen Baracken?

Zeuge Oskar Kieselbach:

Ja. [Pause] Ich glaube, sie hatte auch eine andere Unterkunft. Das weiß ich jetzt nicht.

Vorsitzender Richter:

Nun, wenn Sie in derselben Baracke drin waren, haben Sie da gar nichts gemerkt, was dort vorgegangen ist?

Zeuge Oskar Kieselbach:

Doch. Doch.

Vorsitzender Richter:

Was haben Sie

Zeuge Oskar Kieselbach [unterbricht]:

Schreie haben wir gehört.

Vorsitzender Richter:

Schreie haben Sie gehört.

Zeuge Oskar Kieselbach:

Ja.

Vorsitzender Richter:

Was haben Sie gedacht oder gehört, woher diese Schreie

Zeuge Oskar Kieselbach [unterbricht]:

Das war manchmal nicht auszuhalten.

Vorsitzender Richter:

Das war manchmal nicht auszuhalten. Und wo kamen die wohl her, die Schreie?

Zeuge Oskar Kieselbach:

Aus dem Vernehmungszimmer.

Vorsitzender Richter:

Und von Menschen, die dort vernommen wurden.

Zeuge Oskar Kieselbach:

Die dort vernommen wurden.

Vorsitzender Richter:

Gesehen haben Sie es nicht?

Zeuge Oskar Kieselbach:

Nein.

Vorsitzender Richter:

Aber Sie nehmen es an.

Zeuge Oskar Kieselbach:

Ja, das ist klar. Das wußte man, daß das das Vernehmungszimmer ist.

Vorsitzender Richter:

Sie wußten, daß das das Vernehmungszimmer war. Wissen Sie, wer sich da beteiligt hat an diesen Quälereien und Folterungen?

Zeuge Oskar Kieselbach:

Ja, das weiß ich nicht. Ich habe wohl ein paarmal einen rauskommen gesehen. Vom Sehen würde ich ihn vielleicht auch jetzt erkennen. Aber wie er heißt, weiß ich auch jetzt nicht.

Vorsitzender Richter:

Ja. Und bei welcher Gelegenheit haben Sie ihn herauskommen sehen? Nachdem eine solche Schreierei stattgefunden hatte? Also nachdem ein Mensch so gefoltert worden war?

Zeuge Oskar Kieselbach:

Ja, ja.

Vorsitzender Richter:

Haben Sie auch den Menschen gesehen, der vernommen worden ist?

Zeuge Oskar Kieselbach:

Ich habe sie manchmal draußen gesehen.

Vorsitzender Richter:

Wo draußen, auf der

Zeuge Oskar Kieselbach [unterbricht]:

Draußen, wenn sie ins Lager gebracht wurden.

Vorsitzender Richter:

Wenn sie ins Lager gebracht wurden. Und wo haben sie die Leute da gesehen?

Zeuge Oskar Kieselbach:

Auf der Straße.

Vorsitzender Richter:

Auf der Lagerstraße?

Zeuge Oskar Kieselbach:

Auf der Lagerstraße. Zusammengeschlagen, die konnten kaum gehen.

Vorsitzender Richter:

Die konnten kaum gehen. Haben Sie auch gesehen, daß Leute tot dalagen?

Zeuge Oskar Kieselbach:

Nein, das habe ich nicht gesehen.

Vorsitzender Richter:

Das haben Sie nicht gesehen.

Zeuge Oskar Kieselbach:

Ich habe wohl manchmal gesehen, daß von den Arbeitskommandos Tote gebracht wurden. Oder als die russischen Gefangenen noch da waren. Das habe ich auch gesehen, daß da viele Tote gebracht wurden.

Vorsitzender Richter:

Gebracht wurden von der Arbeitsstätte?

Zeuge Oskar Kieselbach:

Von der Arbeitsstätte.

Vorsitzender Richter:

Aber wie die Leute zu Tode gekommen sind, wissen Sie nicht.

Zeuge Oskar Kieselbach:

Nein.

Vorsitzender Richter:

Ja, können Sie sich noch an Namen [+ von Leuten] erinnern, die bei der Politischen Abteilung tätig waren?

Zeuge Oskar Kieselbach:

Ja, Broad kannte ich persönlich, aber nur ganz flüchtig. Er besuchte manchmal einen Mitarbeiter, der da in der Verwaltung gearbeitet hat, und von dem wurde ich dann Broad vorgestellt.

Vorsitzender Richter:

Ja.

Zeuge Oskar Kieselbach:

Aber wir haben nur vielleicht ein paar Worte gewechselt. Ich kann über den Menschen nichts sagen. Nachteiliges gehört habe ich nur über Boger, vor dem alle Angst hatten, Boger oder Boga.

Vorsitzender Richter:

Boger heißt er, ja. Vor dem alle Angst hatten?

Zeuge Oskar Kieselbach:

Die SS-Männer und auch die Häftlinge.

Vorsitzender Richter:

[Pause] Haben Sie sich öfter mal mit Häftlingen über den Boger unterhalten?

Zeuge Oskar Kieselbach:

Ja, ich habe mich unterhalten.

Vorsitzender Richter:

Und die haben nichts Gutes gemeint von ihm?

Zeuge Oskar Kieselbach:

Nichts Gutes von ihm erzählt.

Vorsitzender Richter:

Hatten Sie alle Angst vor der Politischen Abteilung?

Zeuge Oskar Kieselbach:

Ja, ich persönlich hatte auch Angst.

Vorsitzender Richter:

Sie auch?

Zeuge Oskar Kieselbach:

Ja.

Vorsitzender Richter:

Sie hatten doch gar nichts gemacht.

Zeuge Oskar Kieselbach:

Ja, ich war doch politisch unzuverlässig.

Vorsitzender Richter:

Warum?

Zeuge Oskar Kieselbach:

Ja, ich bekam als Umsiedler den A-Fall, das heißt, ich war nur fürs Altreich bestimmt. Und wer den O-Fall hatte, der war politisch zuverlässig, der war für den Osten bestimmt zur Ansiedlung. Und die O-Fälle wurden zur Rücksiedelung nach Litauen gleich auch entlassen.

Vorsitzender Richter:

Ja.

Zeuge Oskar Kieselbach:

Und die A-Fälle mußten dableiben.

Vorsitzender Richter:

Tja.

Zeuge Oskar Kieselbach:

Ich habe das immer als Strafe empfunden, daß ich da Dienst tun mußte.

Vorsitzender Richter:

Ja.

Zeuge Oskar Kieselbach:

Und wir haben uns auch oft zur Front gemeldet. Zum Schluß wurde uns das untersagt. Da kam mal vom Umsiedlungsstab ein höherer Offizier, er hatte noch eine große Rede gehalten, also wir hätten dazubleiben, wo der Reichsführer uns hingestellt hat.

Vorsitzender Richter:

Wo haben Sie sich denn gemeldet zur Front?

Zeuge Oskar Kieselbach:

Im allgemeinen zur Front. [unverständlich]

Vorsitzender Richter [unterbricht]:

Wo haben Sie sich

Zeuge Oskar Kieselbach [unterbricht]:

In Auschwitz.

Vorsitzender Richter:

Bei wem?

Zeuge Oskar Kieselbach:

In der Kompanie. [...]

Vorsitzender Richter:

Und das ist Ihnen dann später verboten worden?

Zeuge Oskar Kieselbach:

Das ist verboten worden.

Vorsitzender Richter:

Haben Sie etwas davon gehört, daß Häftlinge durch »Einspritzungen« getötet worden sind?

Zeuge Oskar Kieselbach:

Ja, gehört habe ich das auch.

Vorsitzender Richter:

Wissen Sie etwas Näheres darüber, wer es gewesen sein könnte?

Zeuge Oskar Kieselbach:

Nein, das kann ich nicht sagen.

Vorsitzender Richter:

Wie Sie zurückgekommen sind, sind Sie da auch marschiert ein Stück? Wie Sie entlassen worden sind, wie Sie dann nach Groß-Rosen oder Mauthausen oder wo Sie da hingekommen sind, weggegangen sind von Auschwitz, sind Sie da marschiert auf der Straße oder gefahren?

Zeuge Oskar Kieselbach:

Ja, wir sind da, so eine Gruppe vielleicht von sieben Männern, marschiert von...

Vorsitzender Richter:

Waren das SS-Soldaten?

Zeuge Oskar Kieselbach:

SS-Soldaten, ja.

Vorsitzender Richter:

Ja. Die sind dort marschiert, zu Fuß?

Zeuge Oskar Kieselbach:

Ja, wir sind bis Loslau zu Fuß marschiert.

Vorsitzender Richter:

Ja. Und haben Sie da unterwegs auch gesehen, daß im Straßengraben häufig tote Häftlinge lagen?

Zeuge Oskar Kieselbach [unterbricht]:

Ja, das habe ich auch gesehen.

Vorsitzender Richter:

Haben Sie liegen sehen.

Zeuge Oskar Kieselbach:

Ja.

Vorsitzender Richter:

War das ziemlich häufig? Oder war es

Zeuge Oskar Kieselbach [unterbricht]:

Nein

Vorsitzender Richter [unterbricht]:

Mal einer oder noch mal einer

Zeuge Oskar Kieselbach [unterbricht]:

Nein [unverständlich]

Vorsitzender Richter [unterbricht]:

Daß es drei, vier waren? Oder waren es

Zeuge Oskar Kieselbach [unterbricht]:

Hin und wieder einer.

Vorsitzender Richter:

Hin und wieder einer.

Zeuge Oskar Kieselbach:

Viel Gepäck lag da von den Häftlingen und darunter auch hin und wieder erschossene Häftlinge.

Vorsitzender Richter:

[Pause] Erschossene Häftlinge? Haben Sie das gehört, daß die erschossen

Zeuge Oskar Kieselbach [unterbricht]:

Nein, gehört nicht, aber ich nehme an, daß die erschossen worden waren.

Vorsitzender Richter:

Ja, also an und für sich besteht die theoretische Möglichkeit auch, daß die Leute vor Entkräftung gestorben wären.

Zeuge Oskar Kieselbach:

Ja, das ist auch möglich.

Vorsitzender Richter:

Aber das wissen Sie im einzelnen nicht. Sie haben angenommen, die sind erschossen?

Zeuge Oskar Kieselbach:

Ja.

Vorsitzender Richter:

Ja. Nun, in der Zeit, als Sie dort waren, welchen Kommandanten haben Sie dort erlebt vom Lager?

Zeuge Oskar Kieselbach:

Also Höß, dann Liebehenschel.

Vorsitzender Richter:

Ja.

Zeuge Oskar Kieselbach:

Als Liebehenschel da war, da ging es allen besser, den Häftlingen und auch den SS-Männern.

Vorsitzender Richter [unterbricht]:

Ging es besser?

Zeuge Oskar Kieselbach:

Ging es allen besser.

Vorsitzender Richter:

Ja.

Zeuge Oskar Kieselbach:

Und dann, na, Baer, der letzte.

Vorsitzender Richter:

Und dann Baer. Nun, zur Zeit, wo Höß da war, wie hieß damals der Adjutant?

Zeuge Oskar Kieselbach:

[Pause] Es waren da mehrere. Unter ihnen kenne ich Mulka.

Vorsitzender Richter:

Mulka.

Zeuge Oskar Kieselbach:

Und dann war ein ehemaliger Lehrer aber auch Adjutant.

Vorsitzender Richter [unterbricht]:

Sie wissen den Namen nicht mehr.

Zeuge Oskar Kieselbach:

Ich weiß den Namen nicht mehr, obwohl er in meiner Kompanie zuerst als Unterführer war.

Vorsitzender Richter:

Hatten Sie mit Mulka mal etwas Näheres zu tun?

Zeuge Oskar Kieselbach:

Ich persönlich nicht.

Vorsitzender Richter:

Nicht. Hat er Ihnen irgendwelche Befehle gegeben, oder kennen Sie irgendwelche Befehle, die er gegeben hat für das Lager?

Zeuge Oskar Kieselbach:

Nein, kenne ich nicht.

Vorsitzender Richter:

Haben Sie Befehle gesehen, die er abgezeichnet hat, die also an sich vom Kommandanten unterschrieben waren, von ihm abgezeichnet?

Zeuge Oskar Kieselbach:

Auch nicht. Ich war viel zu klein, um das zu sehen.

Vorsitzender Richter:

Ja. Haben Sie von ihm sonst irgendeine Kenntnis, daß er zum Beispiel auf der Rampe war? Haben Sie ihn dort mal gesehen?

Zeuge Oskar Kieselbach:

Nein, das kann ich nicht

Vorsitzender Richter [unterbricht]:

Oder haben Sie ihn mal im Lager gesehen?

Zeuge Oskar Kieselbach:

Ich war nur einmal bei ihm wegen Urlaub. Das war alles. Sonst habe ich ihn gar nicht gesehen.

Vorsitzender Richter:

Sonst haben Sie ihn gar nicht gesehen. Kennen Sie den Angeklagten Kaduk?

Zeuge Oskar Kieselbach:

Gehört habe ich von ihm.

Vorsitzender Richter:

Und was haben Sie gehört?

Zeuge Oskar Kieselbach:

Nichts Gutes.

Vorsitzender Richter:

Was haben Sie von ihm gehört?

Zeuge Oskar Kieselbach:

Daß er ein großer Totschläger war.

Vorsitzender Richter:

Ja. Selbst aber gesehen haben Sie es

Zeuge Oskar Kieselbach [unterbricht]:

Nein.

Vorsitzender Richter:

Mit eigenen Augen nicht?

Zeuge Oskar Kieselbach:

Ja, das geschah wahrscheinlich alles im Schutzhaftlager, und da durften ja nicht alle rein.

Vorsitzender Richter:

Ja. Nun, Sie hatten uns dann noch erzählt, Sie kannten Broad, aber nur flüchtig aus privaten Unterhaltungen. Irgendwelche Einzelheiten von seinem Tun und Treiben können Sie uns nicht angeben.

Zeuge Oskar Kieselbach [unterbricht]:

Da kann ich Ihnen überhaupt von ihm nichts sagen.

Vorsitzender Richter:

Ja. Und von Boger haben Sie seinerzeit ein Bild vorgezeigt bekommen, und Sie haben ihn erkannt auf diesem Bild.[5]

Zeuge Oskar Kieselbach:

Ja.

Vorsitzender Richter:

Ich habe keine Fragen mehr an den Zeugen. Hat das Gericht noch Fragen? Ja, bitte schön.

Richter Hotz:

Keine Fragen.

Vorsitzender Richter:

Keine Fragen mehr. Herr Staatsanwalt, bitte schön.

Staatsanwalt Kügler:

Herr Vorsitzender, ich möchte anregen zu versuchen, ob der Zeuge den Apotheker wiedererkennt.

Vorsitzender Richter:

Ja, kann man machen. Vielleicht machen Sie mal die Vorhänge zu und das Licht an, und die Angeklagten stehen auf. Und der Zeuge kann ja dann mal sehen, ob er den einen oder anderen wiedererkennt. Würden Sie sich mal bemühen und mal sehen, wen Sie von den Angeklagten kennen?

Staatsanwalt Kügler:

Gehört, daß der Adjutant Mulka angeblich verhaftet worden sein sollte?

Zeuge Oskar Kieselbach:

Wo, in Auschwitz?

Staatsanwalt Kügler:

Ja.

Zeuge Oskar Kieselbach:

Nein, nichts gehört.

Staatsanwalt Kügler:

Haben Sie nichts gehört. Ist es richtig, daß im Sommer 1944 bei den Transportankünften ein solcher Andrang herrschte, also so viele Transporte kamen, daß Aushilfskräfte eingesetzt werden mußten?

Zeuge Oskar Kieselbach:

Inwiefern Aushilfskräfte?

Staatsanwalt Kügler:

Auch bei den Leuten, die den Abtransport der Effekten

Zeuge Oskar Kieselbach [unterbricht]:

Ja, das ist möglich.

Staatsanwalt Kügler:

Ich frage Sie das deshalb, weil Sie das mal gesagt haben auf einer Ihrer Vernehmungen.

Zeuge Oskar Kieselbach:

Ja, das ist möglich.

Staatsanwalt Kügler:

Ja. Haben Sie den Spieß Nebbe gekannt?

Zeuge Oskar Kieselbach:

Ja.

Staatsanwalt Kügler:

Haben Sie seinen Nachfolger auch gekannt?

Zeuge Oskar Kieselbach:

[Pause] Nein, ich weiß

Staatsanwalt Kügler [unterbricht]:

Bedeutet Ihnen der Name Walter etwas?

Zeuge Oskar Kieselbach:

Ja.

Verteidiger Erhard:

Ich widerspreche dieser Frage. Sie hat mit diesem Verfahren nichts zu tun, Herr Direktor.

Vorsitzender Richter:

Wieso?

Verteidiger Erhard:

Walter ist hier nicht angeklagt.

Vorsitzender Richter:

Wir haben ihn ja doch als Zeugen gehört grade eben, nicht?

Verteidiger Erhard:

[unverständlich] angeklagt.

Vorsitzender Richter:

Ja und?

Verteidiger Erhard:

Na und?

Vorsitzender Richter:

Das kann doch der Staatsanwalt fragen über eine Person, die als Zeuge vernommen worden ist, ob die Person glaubwürdig ist oder nicht glaubwürdig ist und was sie erlebt

Verteidiger Erhard [unterbricht]:

Ja, das ist ja nicht gefragt worden, Herr Direktor. Ich habe widersprochen, das Gericht mag entscheiden.

Vorsitzender Richter:

Das ist ja nicht für möglich zu halten. Das Gericht wird entscheiden.

Staatsanwalt Kügler:

Herr Vorsitzender, ich halte das nicht für so wesentlich, ich verzichte auf die Frage. Ich möchte das Gericht nicht aufhalten.

Vorsitzender Richter:

[Pause] Bitte schön, Herr Rechtsanwalt Raabe.

Nebenklagevertreter Raabe:

Herr Zeuge, diesen Mann, den Sie als korpulenten Mann und als Volksdeutschen aus Rumänien und als Apotheker bezeichnet haben, wie oft haben Sie den auf der Rampe gesehen?

Zeuge Oskar Kieselbach:

Ja, das kann ich nicht sagen, wie oft.

Nebenklagevertreter Raabe:

Haben Sie ihn öfters gesehen?

Zeuge Oskar Kieselbach:

Nein, ich glaube nicht.

Nebenklagevertreter Raabe:

Können Sie eine ungefähre Zahl sagen?

Zeuge Oskar Kieselbach:

Nein, das kann ich nicht.

Nebenklagevertreter Raabe:

Haben Sie den Kommandanten Baer gekannt?

Zeuge Oskar Kieselbach:

Vom

Verteidiger Stolting II [unterbricht]:

Ich widerspreche der Frage. Die Frage ist längst beantwortet.

Zeuge Oskar Kieselbach:

Vom Sehen.

Verteidiger Stolting II:

Die Frage ist längst beantwortet.

Nebenklagevertreter Raabe:

Er hat bisher nur gesagt

Vorsitzender Richter [unterbricht]:

Er hat gesagt, er hat Höß, Baer und Liebehenschel gekannt.

Nebenklagevertreter Raabe:

Er hat nur gesagt, welche... also wenn

Vorsitzender Richter [unterbricht]:

Er hat die Namen genannt, Herr Rechtsanwalt. Ich weiß es bestimmt.

Zeuge Oskar Kieselbach:

Ja, das habe ich.

Nebenklagevertreter Raabe:

Ja. Ja, er hat sie genannt, bloß offensichtlich hat er, glaube ich, noch nicht beantwortet, ob er sie auch selbst gesehen hat. Gut, das hat er also jetzt

Zeuge Oskar Kieselbach [unterbricht]:

Ja, gesehen habe ich sie.

Nebenklagevertreter Raabe:

Ja, haben Sie

Zeuge Oskar Kieselbach [unterbricht]:

Alle drei.

Nebenklagevertreter Raabe:

Ja. Haben Sie Baer in Birkenau auf der Rampe gesehen?

Vorsitzender Richter:

Nein, das habe ich nicht.

Nebenklagevertreter Raabe:

Dann eine letzte Frage: Herr Zeuge, Sie haben uns ziemlich eindrucksvoll doch geschildert eben, was alles in Auschwitz passiert ist, die fürchterlichen Todesarten und die Folterungen. Ich frage Sie folgendes:

Vorsitzender Richter:

Da weiß ich nichts von.

Nebenklagevertreter Raabe:

Ist es möglich, daß ein SS-Mann, der an gehobenerer Stelle als Sie tätig war in Auschwitz und länger in Auschwitz war als Sie, daß so ein Mann überhaupt nichts

Verteidiger Stolting II [unterbricht]:

Ich widerspreche dieser

Nebenklagevertreter Raabe [unterbricht]:

Erlebt hat von all diesen Dingen, Herr Zeuge?

Verteidiger Stolting II [unterbricht]:

Ich widerspreche dieser Frage.

Verteidiger Laternser:

Ich auch.

Verteidiger Stolting II:

Die ist nicht zulässig.

Vorsitzender Richter:

Herr Rechtsanwalt Raabe, es ist ja unmöglich für den Zeugen, diese Frage zu beantworten. Das wäre ja schon mehr eine Sachverständigenfrage.

Nebenklagevertreter Raabe:

Nein, meine Frage zielt darauf hinaus: Der Zeuge möge auf diesen Vorhalt von mir nochmals sagen, ob das Grauen in Auschwitz so fürchterlich war und so das gesamte Lebensbild dort beherrscht hat, daß es praktisch ausgeschlossen ist, daß ein Mann, zum Beispiel wie der Zeuge Walter, der Spieß in der Kommandantur war und den Erkennungsdienst geleitet hat, das heißt praktisch für das gesamte Lager die erkennungsdienstlichen Arbeiten zu leisten hatte, ob es möglich ist, daß so ein Mann nichts gehört und gesehen hat von dem Grauen in Auschwitz.

Vorsitzender Richter:

Also, das ist eine Frage, die erstens das Gericht entscheiden muß, und zweitens mal eventuell wäre es eine Sachverständigenfrage, ist aber keine Zeugenfrage. Sie können nur sagen, was der Zeuge erlebt hat und was er gesehen hat und was er schildern kann, Tatsachen nämlich. Aber das sind hier Gutachten, die er abstatten soll, das geht nicht.

Nebenklagevertreter Raabe:

Dann werde ich die

Vorsitzender Richter [unterbricht]:

Wenn Sie wollen, können wir darüber entscheiden.

Nebenklagevertreter Raabe:

Dann werde ich die Frage anders formulieren. Herr Zeuge, gehörte es zu Ihrem täglichen Erlebnisbild in Auschwitz, von Tötungshandlungen gehört und gesehen zu haben?

Vorsitzender Richter:

Na, also Herr Zeuge, auf deutsch gesagt

Verteidiger Laternser [unterbricht]:

Ich widerspreche auch dieser Frage.

Vorsitzender Richter:

Warum denn? Ob Sie täglich gehört und gesehen haben, daß dort Leute umgebracht worden sind in Auschwitz?

Zeuge Oskar Kieselbach:

Nein, das nicht.

Vorsitzender Richter:

Nicht täglich?

Zeuge Oskar Kieselbach:

Nicht täglich.

Vorsitzender Richter:

So wie man es hört, wenn mal ein Transport ankam oder wenn irgendwelche

Zeuge Oskar Kieselbach [unterbricht]:

Ein Transport, wenn man sich mit Häftlingen unterhalten hat.

Vorsitzender Richter:

Da haben Sie es erfahren.

Zeuge Oskar Kieselbach:

Ja.

Vorsitzender Richter:

Aber gesehen haben Sie ja selbst überhaupt keinen einzigen Fall, nicht?

Zeuge Oskar Kieselbach:

Ich habe keinen einzigen Fall gesehen.

Vorsitzender Richter:

Bitte schön. Herr Rechtsanwalt Strodt?

Nebenklagevertreter Strodt:

Keine.

Vorsitzender Richter:

Keine Fragen mehr? Von seiten der Verteidigung? Herr Rechtsanwalt Müller.

Verteidiger Müller:

Herr Zeuge, gegen Sie lief in Polen bereits ein Verfahren. Waren Sie als einzelner angeklagt oder mit mehreren?

Zeuge Oskar Kieselbach:

Nein, wir waren zu mehreren angeklagt.

Verteidiger Müller:

Wie hieß das Verfahren?

Zeuge Oskar Kieselbach:

Wie das Verfahren hieß?

Verteidiger Müller:

Das Verfahren zum Beispiel hier heißt »Mulka und andere«. Hieß das Verfahren dort zum Beispiel

Zeuge Oskar Kieselbach [unterbricht]:

Nein, dort hieß das ein »Auschwitz-Verfahren«.

Verteidiger Müller:

Es gibt eine Akte »Auschwitz-Verfahren«?

Zeuge Oskar Kieselbach:

Ja.

Verteidiger Müller:

Und bei welchem Gericht war das anhängig?

Vorsitzender Richter:

In Warschau.

Zeuge Oskar Kieselbach [unterbricht]:

Ich war in Wadowitz.[6] [...]

Verteidiger Müller:

Dort lief das Verfahren?

Zeuge Oskar Kieselbach:

Ja.

Verteidiger Müller:

Und hieß Ihrer Meinung nach »Auschwitz-Verfahren«.

Zeuge Oskar Kieselbach:

Ja. Also ein Teil lief in Krakau. In Krakau wurden wir aussortiert von Häftlingen. Also die weniger Belasteten, die kamen dann nach Wadowitz, und die mehr Belasteten blieben in Krakau.

Verteidiger Müller:

Herr Zeuge, vorhin wurden Sie gefragt, ob Sie einzelne Namen noch erinnerten. Da sagten Sie und erwähnten Sie den Namen Moll. Ist das identisch mit dem Oberscharführer Moll, der Chef der Birkenauer Krematorien war zuletzt?

Zeuge Oskar Kieselbach:

Ja, das wird wohl [+ so sein].

Verteidiger Müller:

Danke vielmals, keine Fragen mehr.

Vorsitzender Richter:

Ist von seiten der Verteidigung noch eine Frage zu stellen, von seiten der Angeklagten eine Erklärung abzugeben oder eine Frage zu stellen? Wenn nicht, dann müßten wir auch über Ihre Beeidigung, Herr Zeuge, entscheiden. Herr Staatsanwalt, werden Anträge gestellt? Keine Anträge von seiten der Nebenklage, von seiten der Verteidigung auch nicht. Das Gericht wird dann über beide Beeidigungen jetzt entscheiden und wird[7]

  1. Vgl. richterliche Vernehmung vom 10.07.1962 in Wesselburen, 4 Ks 2/63, Hauptakten, Bd. 69, Bl. 12.995.
  2. Vgl. richterliche Vernehmung vom 10.07.1962 in Wesselburen, 4 Ks 2/63, Hauptakten, Bd. 69, Bl. 12.995.
  3. Vgl. richterliche Vernehmung vom 10.07.1962 in Wesselburen, 4 Ks 2/63, Hauptakten, Bd. 69, Bl. 12.996.
  4. Vgl. richterliche Vernehmung vom 10.07.1962 in Wesselburen, 4 Ks 2/63, Hauptakten, Bd. 69, Bl. 12.996.
  5. Vgl. richterliche Vernehmung vom 10.07.1962 in Wesselburen, 4 Ks 2/63, Hauptakten, Bd. 69, Bl. 12.999.
  6. Wadowice; siehe Hefte von Auschwitz 21, 2000, S. 268.
  7. Der Zeuge Walter blieb unvereidigt, der Zeuge Kieselbach wurde vereidigt. Vgl. Protokoll der Hauptverhandlung vom 13.08.1964, Bd. 101, Bl. 593.
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