Zeuge Cornelis van het Kaar
1. Frankfurter Auschwitz-Prozess
»Strafsache gegen Mulka u.a.«, 4 Ks 2/63
Landgericht Frankfurt am Main
95. Verhandlungstag, 1.10.1964
Vernehmung des Zeugen Cornelis van het Kaar
Vorsitzender Richter:
Wir haben hier vorliegen einen Bericht, den der Angeklagte Broad erstattet haben soll. Der Angeklagte Broad hat im wesentlichen erklärt, daß diese Abschrift – darf ich sie mal haben –, die uns vorliegt, mit dem übereinstimmt, was er seinerzeit als Bericht abgegeben hat. Nur ist er in allen Teilen nicht sicher, ob in diesen Bericht nicht nachträglich noch Änderungen eingebaut worden sind. Und zu diesem Zweck sind Sie hier von dem Herrn Rechtsanwalt Ormond benannt worden, um uns darüber Auskunft zu geben, wie dieser Bericht zustande gekommen ist und wie insbesondere diese Kopie zustande gekommen ist, die uns hier vorliegt.
Zeuge Cornelis van het Kaar:
Bitte. Anfang Juni war ich als Kommandant einer kleinen englischen Abteilung zur Vernehmung von Kriegsgefangenen in einem Ort. Das war Gorleben an der Elbe, gegenüber Wittenburg, nördlich von Magdeburg. Da war ein Lager von 25.000 Kriegsgefangenen. Und nachdem ich ungefähr zwei Wochen dort war, ist der Broad freiwillig zu mir gekommen und hat angefangen, mir die Geschichte von Auschwitz zu erzählen, die ich überhaupt nicht kannte. Es schien mir so wichtig, daß ich zu meinem Sergeanten Winter, der auch hier ist, gesagt habe: »Holen Sie den Mann sofort aus dem Lager, geben Sie ihm Unterkunft bei unserer Abteilung, geben Sie ihm eine englische Uniform.« Und dann habe ich dem Broad gesagt. »Schreiben Sie mal alles auf, an was Sie sich von Auschwitz erinnern, genau. Und schreiben Sie auch auf besonders, wie das tägliche Leben sich dort« ...
Vorsitzender Richter:
Abgespielt hat.
Zeuge Cornelis van het Kaar:
[Abgespielt] hat. Und habe ich auch gesagt: »Ich möchte auch eine Liste haben von allen Leuten, an die Sie sich erinnern, die im Lager gearbeitet haben, und was ihre Personalien und was ihre Arbeit dort war.« Broad hat in selben Haus wie mein Sergeant gewohnt dort, und in zwei oder drei Tagen hat er diesen Report selbst ganz allein in einem Zimmer aufgeschrieben. Und er ist später zur selben Zeit vom Sergeanten Winter auf der Schreibmaschine abgeschrieben worden. Und das, was ich auch hier habe, ist noch eine Originalkopie, die damals in Gorleben gemacht wurde und die genau ist, wie Broad uns das erzählt hat.
Vorsitzender Richter:
Wo ist das Original hingekommen?
Zeuge Cornelis van het Kaar:
Das Original ist wahrscheinlich zur 2. Englischen Armee, zum Hauptquartier gekommen, zum Offizier, der befaßt war mit den War Crimes Investigations. Darf ich weiter erzählen?
Vorsitzender Richter:
Bitte schön, ja.
Zeuge Cornelis van het Kaar:
Ich habe dann Broad sofort mitgenommen zum Divisionshauptquartier in Celle. Von dort sind wir zum 30. [unverständlich] Hauptquartier gefahren in Bad Oeynhausen. Dort habe ich dem betreffenden Offizier erzählt, was geschehen ist. Er hat diesen Report angenommen und mich beauftragt, Broad vorläufig bei uns in Gorleben bei der Abteilung zu behalten. Nach ungefähr zwei Wochen ist die Abteilung von Gorleben nach Munsterlager verlegt worden. Broad ist immer bei uns bei der Abteilung geblieben, und allmählich hat er angefangen, uns bei der Aufgabe, Kriegsverbrecher aus den entlassenen Kriegsgefangenen herauszuholen, [zu helfen].
Ende August haben wir in Munsterlager, das war an einem Sonntag, einen Besuch empfangen von Major Draper, ist jetzt Oberst, war damals Major Draper. Major Draper ist der Offizier gewesen, der den Bergen-Belsen-Prozeß geführt hatte damals. Und der war sehr empört, denn er hatte diesen Bericht und die Liste erst nach sechs Wochen vom 30. Korps empfangen. Wir haben dann den ganzen Tag in meinem Büro mit Broad und seiner Sekretärin diesen Report studiert. Wir hatten in meinem Büro einen Plan von Auschwitz und Birkenau. Der war von Broad erstellt worden. Er hatte eine Büchse Zyklon B mitgenommen, und er hatte Broad genau gefragt, wie das in Auschwitz verwendet wurde.
Vorsitzender Richter:
Wer hat die Büchse Zyklon mitgenommen?
Zeuge Cornelis van het Kaar:
Der Major Draper. Nicht, der hatte die Büchse immerhin.
Vorsitzender Richter:
Ja.
Zeuge Cornelis van het Kaar:
Der hatte grade die Fabrik gefunden, wo das hergestellt wurde. Und da hat er uns erzählt, er hatte ja eine Unterredung gehabt mit dem Fabrikanten, und da hat er ihm auch erzählt, er glaube, das wäre nur für Ungeziefer verwendet worden. Und dann hat Broad auch ihm genau erzählt, wie das Zyklon B in Auschwitz verwendet wurde.
Vorsitzender Richter:
Da waren Sie doch zugegen.
Zeuge Cornelis van het Kaar:
Da war ich zugegen.
Vorsitzender Richter:
Können Sie einmal sagen, wie er Ihnen das erklärt hat, Broad? Wie Broad Ihnen die Verwendung des Zyklon B erklärt hat damals?
Zeuge Cornelis van het Kaar:
Genau wie es in seinem Bericht beschrieben wurde, daß diese Blausäurekristalle, wenn sie mit der Luft in Berührung kamen, das Giftgas abgaben. Und daß es also auf den [Gaskammern] Löcher gab, wo die Desinfektoren die Büchse mit einem Eiseninstrument öffneten und dann reingossen. Das hat er tatsächlich beschrieben damals.
Vorsitzender Richter:
Ja, nun weiter. Das hat er Ihnen also damals beschrieben, und diesen Bericht haben Sie zusammen mit seiner Sekretärin und diesem Major durchgelesen.
Zeuge Cornelis van het Kaar:
Ja.
Vorsitzender Richter:
Ja. Durchgegangen.
Zeuge Cornelis van het Kaar:
Durchgegangen.
Vorsitzender Richter:
Ja. Und dieser Bericht ist im Original, wie Sie meinen, zu dem englischen Hauptquartier gekommen, und Sie haben eine Durchschrift dieses Berichts jetzt vorliegen.
Zeuge Cornelis van het Kaar:
Ja.
Vorsitzender Richter:
Und diese Durchschrift ist wie zustande gekommen? Ist von Broad der Bericht zusammen mit Durchschlägen geschrieben worden?
Zeuge Cornelis van het Kaar:
Nein, Broad hat das mit der Hand geschrieben.
Vorsitzender Richter:
Mit der Hand geschrieben.
Zeuge Cornelis van het Kaar:
Und wie er das fertig machte, ist das von Sergeant Winter, der später hier Zeuge sein wird, auf der Schreibmaschine abgeschrieben worden. Das hat ungefähr zusammen drei Tage gedauert. Das waren ja 75 Seiten.
Vorsitzender Richter:
Also wir haben hier ein Exemplar mit 50 Seiten, aber das ist sicherlich wiederum eine Abschrift von dem, was Sie vor sich liegen haben.
Zeuge Cornelis van het Kaar:
Ja, es ist vielleicht auf eine andere Weise abgeschrieben worden. Aber das Original ist genau 75 Seiten lang gewesen.
Vorsitzender Richter:
Ja. Das hat Winter abgeschrieben von der Handschrift des Broad.
Zeuge Cornelis van het Kaar:
Jawohl.
Vorsitzender Richter:
Und diese Abschrift hat auch vorgelegen, als Sie zusammen mit ihm und dem Major und der Sekretärin das durchgegangen sind.
Zeuge Cornelis van het Kaar:
Ja.
Vorsitzender Richter:
Aufgrund dieser Abschrift, die Winter gefertigt hat.
Zeuge Cornelis van het Kaar:
Jawohl.
Vorsitzender Richter:
Ja. So daß also gar kein Zweifel darüber besteht, daß diese Abschrift identisch ist mit der Urschrift des Broad.
Zeuge Cornelis van het Kaar:
Jawohl.
Vorsitzender Richter:
Nun, Herr Zeuge, wäre es möglich, daß Sie uns das Exemplar, was Ihnen vorliegt, einmal kurz überlassen würden, damit wir eine Fotokopie davon anfertigen könnten?
Zeuge Cornelis van het Kaar:
Sicherlich.
Vorsitzender Richter:
Wir würden es Ihnen selbstverständlich sofort wieder zurückschicken. Herr Rechtsanwalt Ormond, Sie hatten den Zeugen benannt. Haben Sie noch Fragen an ihn zu stellen? Bitte schön.
Nebenklagevertreter Ormond:
Einige Fragen. Herr Zeuge, Broad hat uns zunächst hier erzählt, es hätten noch einige andere Leute an dem Bericht mitgewirkt. Er hat das zwar später abgeschwächt, aber doch behauptet, daß nicht alle Stellen im Bericht von ihm stammen. Besteht die Möglichkeit, daß noch jemand an diesem Bericht mitgearbeitet hat?
Zeuge Cornelis van het Kaar:
Nein, das kann der Sergeant Winter auch bestätigen, und ich kann das auf Eid schwören, er hat diesen Bericht nur ganz alleine hergestellt. Es war damals so, er ist ganz freiwillig zu mir gekommen. Wir haben ihn nicht gesucht. Wir haben damals ungeheuer viel Arbeit gehabt. Es war ein großes Durcheinander. Das Lager war überhaupt nicht durch Stacheldraht geschützt. Das waren also 25 Leute, die grade vor den Russen noch über die Elbe gekommen waren, und die waren froh, daß sie davongekommen sind.
Nebenklagevertreter Ormond:
25.000.
Zeuge Cornelis van het Kaar:
Ja, 25.000. Und wir haben angefangen, davon die SS und die Gestapo zu trennen, und das hat angefangen so ungefähr am 10. Juni, da bin ich angekommen. Und Broad muß zu mir gekommen sein so gegen den 15. Juni. Und ich möchte bestimmt hier mal sagen, daß er das ganz freiwillig gemacht hat. Es ist meiner Ansicht nach eine Art Beichte von ihm gewesen. Er wollte das aus seinem Herzen haben, was er mitgemacht hatte. Er ist also sieben Monate mit mir zusammen gewesen. Ich bin im Dezember entlassen worden, und die ganze Zeit haben wir uns über diese Sachen, wie er sie hingeschrieben hat, unterhalten können.
Vorsitzender Richter:
Herr Rechtsanwalt Ormond.
Nebenklagevertreter Ormond:
Ja, Herr Zeuge, wenn man den Bericht liest, fällt einem auf, daß der Schreiber sich völlig von den Taten der SS-Leute distanziert, daß er gewissermaßen über die Untaten der SS in Auschwitz einen objektiven Bericht gibt. Wie haben Sie sich das erklärt? Haben Sie volles Vertrauen zu dem Broad gehabt, daß er nichts mit diesen Dingen zu tun hatte? Wie erklären Sie das?
Zeuge Cornelis van het Kaar:
Ja, das ist eine wunderbare Sache gewesen. Ich habe Pery Broad damals mein volles Vertrauen gegeben, das weiß er. Er hat ja damals mit uns mitgearbeitet, später. In Munsterlager hat er später noch mitgearbeitet. Alle meine Mitarbeiter haben ihm vertraut. Er hat mit uns zusammen gelebt, gearbeitet. Es ist schwer zu erklären, warum er das zusammengestellt hat. Aber er hat tatsächlich da ein Urteil abgegeben über das Lager und über das Leben, wie er es dort mitgemacht hat. Und es gibt verschiedene Stellen in diesem Report, wo er spricht von »Henkersknechten« und den »Mordbuben von Auschwitz« und derartigen Sachen.
Vorsitzender Richter:
Ja, das ist ja das, was der Rechtsanwalt Ormond eben gefragt hat, was ihm aufgefallen ist. Wieso er dazu kam, diese Ausdrücke zu verwenden, wo er doch selbst in Auschwitz tätig war. Und das hat der Rechtsanwalt Ormond eben gefragt, wie Sie sich das erklären. Das können Sie sich nicht erklären.
Zeuge Cornelis van het Kaar:
Ich kann mir das nicht erklären. Ich glaube – und Herr Sergeant Winter wird es auch so erklären –, daß er hoffte, ein neues Leben anzufangen, daß er die ganze Sachen...
Vorsitzender Richter:
Abschreiben wollte.
Zeuge Cornelis van het Kaar:
Abschreiben wollte, um das mal...
Vorsitzender Richter:
Loszuwerden.
Nebenklagevertreter Ormond:
Herr Zeuge, Sie haben sich mit Broad wiederholt über die Verhältnisse in Auschwitz unterhalten, oder?
Zeuge Cornelis van het Kaar:
Jawohl.
Nebenklagevertreter Ormond:
Hat Broad dabei je einmal zum Ausdruck gebracht oder Ihnen gestanden aus einer Situation heraus, daß er selbst an den Dingen, die er hier beschreibt als von anderen geschehen, teilgenommen hat?
Zeuge Cornelis van het Kaar:
Nein, er hat niemals etwas darüber gesagt. Das ist ja klar, denn sonst hätten wir nicht weitergearbeitet mit Broad. Er ist niemals verdächtigt worden von uns, auch nicht später von Major Draper, er war auch in dieser Sache nicht sehr bekannt. Er hat es immer so umschrieben, daß er Zeuge dabei gewesen war. Und wenn man diese Geschichte liest, kann es ja nicht anders sein. Also wenn er zum Beispiel die Erschießung an der Schwarzen [Wand] erzählt, daß er tatsächlich daneben gestanden hat. Aber niemals hat er gesagt: »Ich habe da mitgemacht«, oder: »Ich habe mitmachen müssen«.
Nebenklagevertreter Ormond:
Hat Broad Ihnen später bei Ihren eigenen Ermittlungen gegen SS-Leute geholfen?
Zeuge Cornelis van het Kaar:
Jawohl. Besonders wenn wir in Munsterlager arbeiteten, haben wir eine sehr schwere Aufgabe gehabt. Wir mußten oftmals täglich mit sechs oder sieben Leuten so 1.000 oder 2.000 Kriegsgefangene, die zur Entlastung kamen, vernehmen. Und dann war Broad immer dabei, um uns eventuell Leute anzudeuten, die ihm verdächtig vorkamen.
Nebenklagevertreter Ormond:
Ist es richtig, daß Broad von der Abteilung, von Ihrer Einheit aus später nach Nürnberg als Dolmetscher gekommen ist, oder ist das nicht zutreffend?
Zeuge Cornelis van het Kaar:
Das ist mir nicht genau bekannt. Als ich im Dezember 45 entlassen wurde, habe ich dem Major Draper im Hauptquartier von der 2. Armee einen Bericht geschickt, daß er uns geholfen hatte. Und ich habe nur später in der Zeitung gelesen, daß er in Nürnberg auch als Dolmetscher gearbeitet hatte.
Nebenklagevertreter Ormond:
Herr Zeuge, ich habe mich da für eine Frage besonders interessiert. In dem Bericht wird die Zahl der vergasten, der umgekommenen Juden in Auschwitz mit zwei bis drei Millionen bezeichnet. Ich habe Broad auch gefragt, woher er diese Zahl hat. Er hat dann behauptet: »Tja, möglicherweise aus der Zeitung.« Bestand damals, zum Zeitpunkt der Abfassung des Berichtes, schon eine solche Möglichkeit, daß er aus der Zeitung Todeszahlen entnommen hat, im Juni 1945?
Zeuge Cornelis van het Kaar:
Wie ich mich erinnere, gab es überhaupt in dieser Zeit keine Zeitungen im Lager in Gorleben. Es besteht ja die Möglichkeit, daß er in einer englischen Zeitung, die in dem Hause war, wo er mit Sergeant Winter gewohnt hatte, die Zahlen gesehen hat. Aber das war später. Als er diese Geschichte geschrieben hat, hat er keine Möglichkeit gehabt, darüber nachzudenken, und wir haben ihn oftmals später auch gebeten, uns zu erklären, wie er ungefähr an die Zahlen gekommen ist. Wir haben oftmals unter uns, auch später, wenn wir andere Kriegsverbrecher vernommen haben, darüber geredet. Und an erster Stelle kann ich das auf diese Weise erklären, daß Broad bei der Politischen Abteilung genau wußte, wie viele Leute im Lager ankamen. Und in dieser Geschichte gibt es auch eine Stelle, wo er sagt, daß jedesmal, wenn ein Zug angekommen war, am nächsten Morgen auf dem Tisch von Grabner ein kleiner Zettel hingelegt worden wäre, worauf stand, daß es zum Beispiel 4.500 Eingänge gegeben hat. Daß von diesen 4.500, sagen wir mal, 350 für arbeitsfähig befunden wurden, und die anderen waren also in die Gaskammer gegangen. Wenn Sie also ungefähr wissen, wie viele Leute in Auschwitz angekommen waren, dann können Sie auch berechnen, wie viele...
Vorsitzender Richter:
Umgekommen sind.
Zeuge Cornelis van het Kaar:
Umgekommen sind. Wenn Sie den Prozentsatz von den Überlebenden davon abziehen. Das ist die erste Möglichkeit. Die zweite Möglichkeit ist, auf Seite 57 hier: Es hatte eine Zeit gegeben in Auschwitz, das war im Juni 44, das hat er selbst beschrieben als »das furchtbarste Sterben, das es jemals gegeben hat«. Das war, als die drei oder vier neuen Krematorien in Birkenau rund um die Uhr gearbeitet haben. Wenn es täglich 10.000 Eingänge gegeben hat. Und da hat er auch auf Seite 59 hier erklärt, daß es in einigen Wochen 500.000 Leute gegeben hat, die in die Gaskammer gegangen sind.
Und deshalb glaube ich, daß die Zahlen, die er angegeben hat, Zahlen sind, die er selbst von Auschwitz von den Unterlagen, die er in der Abteilung gesehen hat, und von dem, was er gehört hat, mitbekommen hat.
Nebenklagevertreter Ormond:
Herr Zeuge, hat Ihnen Broad Schilderungen gegeben über den »Stehbunker«, über die »Boger- Schaukel« und ähnliche Foltereinrichtungen?
Zeuge Cornelis van het Kaar:
Ja, dieser Bericht fängt damit an, daß er auf Seite 6 eine genaue Beschreibung gibt von Block 11.
Vorsitzender Richter:
Seite 4.
Zeuge Cornelis van het Kaar:
Jeden Samstag morgen hat der Grabner, wie er das genannt hat, den Bunker »ausgestaubt«. Das war eine
Nebenklagevertreter Ormond [unterbricht]:
»Ausgestaubt«?
Zeuge Cornelis van het Kaar:
»Ausgestaubt«. Das war eine wöchentliche Sache. Jeden Samstag morgen gingen die runter, und dann suchten Grabner und Aumeier sich die Häftlinge raus, die sie erschießen wollten. Und dann sollte die ganze Abteilung dabei sein, wenn sie vor der Schwarzen [Wand] in Block 11 erschossen wurden. Es gibt auch auf Seite 14 und 15 eine genaue Beschreibung, wie diese »Schaukel«, diese »Sprechmaschine«, wie man sie genannt hat, zustande gekommen ist. Das hat angefangen mit einem Stapobeamten, der angefangen hat, eine eiserne Stange auf zwei Tische zu legen. Und da hat er dann den Gefangenen daran aufgehängt. Broad beschreibt dabei, wie das in Auschwitz Anklang gefunden hat und wo man dann in Auschwitz diese Maschine, diese »Schaukel« aufgestellt hat, nachdem man gesehen hatte, wie dieser Stapo-Beamte das auf dem Tisch gemacht hat.
Nebenklagevertreter Ormond:
Herr Zeuge, noch eine Frage: Wer war in dieser Liste enthalten, die Sie bekommen haben?
Zeuge Cornelis van het Kaar:
Es ist ja zwanzig Jahre her, und ich kann mich unmöglich an die Namen auf der Liste erinnern. Es hat angefangen jedenfalls mit den Lagerkommandanten und wahrscheinlich mit Adjutanten, das kann ich nicht genau sagen. Und da hat es eine ganze Mengen von Leuten gegeben, männlichen und weiblichen Angestellten, die in den verschiedenen Abteilungen von Auschwitz gearbeitet hatten. Und darunter befanden sich natürlich auch die Leute, die damals schon in Bergen-Belsen verhaftet worden waren, wie Kramer und Irma Grese und Hössler.
Nebenklagevertreter Ormond:
Herr Zeuge, ist es eigentlich nie vorgekommen, daß Broad in seiner Tätigkeit im Munsterlager ehemalige SS-Leute von Auschwitz wiedererkannt hat?
Zeuge Cornelis van het Kaar:
Nein, wir haben schon Leute, die in den Postenketten in Auschwitz gearbeitet hatten, nicht einfache Wachposten, gehabt in Munsterlager. Wir haben viele andere KZ-Häftlinge und Kriegsverbrecher von Sachsenhausen und von Ravensbrück gehabt. Aber den einzigen Fall, an den ich mich erinnere, war die Telefonistin von Auschwitz, die einmal durchkam und die von Broad erkannt wurde.
Nebenklagevertreter Ormond:
An sonstige Fälle können Sie sich nicht erinnern?
Zeuge Cornelis van het Kaar:
Nein.
Nebenklagevertreter Ormond:
Ich habe keine weiteren Fragen, Herr Vorsitzender.
Vorsitzender Richter:
Herr Staatsanwalt.
Staatsanwalt Kügler:
Herr Zeuge, sind Sie noch im Besitz weiterer Dokumente, die im Zusammenhang mit der Tätigkeit von Broad im Munsterlager stehen?
Zeuge Cornelis van het Kaar:
Nein, das ist das einzige Dokument, das ich jetzt noch habe.
Staatsanwalt Kügler:
Danke.
Vorsitzender Richter:
Herr Doktor Kaul.
Nebenklagevertreter Kaul:
Keine Frage.
Vorsitzender Richter:
Herr Rechtsanwalt Doktor Laternser.
Verteidiger Laternser:
Ich habe eine Frage, Herr Zeuge. Die Erfahrungen, die Sie mit Broad gemacht haben, waren, wie ich Ihrem Zeugnis entnehme, gut, ja?
Zeuge Cornelis van het Kaar:
Ja.
Verteidiger Laternser:
Die waren gut, ja.
Zeuge Cornelis van het Kaar:
Waren gut, ja.
Verteidiger Laternser:
Und in jener Zeit haben Sie keine schlechte Erfahrung mit ihm gemacht?
Zeuge Cornelis van het Kaar:
Nein, Broad war ein guter Freund für mich.
Verteidiger Laternser:
War ein guter Freund von Ihnen.
Zeuge Cornelis van het Kaar:
Ja, ist er noch immer.
Verteidiger Laternser:
Ich habe keine weiteren Fragen.
Vorsitzender Richter:
Sind noch Fragen zu stellen von seiten des Gerichts? Nein. Von seiten der Verteidigung? Von seiten der Angeklagten? Broad, wollen Sie noch etwas dazu sagen?
Angeklagter Broad:
Nein.
Vorsitzender Richter:
Nein. Herr Zeuge, sind Sie bereit, uns dieses Exemplar, das Ihnen vorliegt, für kurze Zeit zu treuen Händen zu überlassen, damit wir uns eine Fotokopie davon anfertigen lassen können?
Zeuge Cornelis van het Kaar:
Ja, jawohl.
Vorsitzender Richter:
Ja, das bitte ich dann zu tun. Wir werden es Ihnen an Ihre Adresse wieder zurückschicken. [Pause] Danke schön. Herr Zeuge, können Sie das, was Sie uns gesagt haben, mit gutem Gewissen beschwören?
Zeuge Cornelis van het Kaar:
Jawohl.