Zeuge Werner Jacob
1. Frankfurter Auschwitz-Prozess
»Strafsache gegen Mulka u.a.«, 4 Ks 2/63
Landgericht Frankfurt am Main
76. Verhandlungstag, 13.8.1964
Vernehmung des Zeugen Werner Jacob
Vorsitzender Richter:
Sie sind am 3. März 1943 nach Auschwitz gekommen. War es abends oder nachts?
Zeuge Werner Jacob:
Abends, abends, circa zehn Uhr.
Vorsitzender Richter:
Circa zehn Uhr abends. Und nun schildern Sie mal, wie dieses Ausladen in Auschwitz vor sich ging. Wer sich da gemeldet hat und wer Ihnen Befehle erteilt hat und wer die Einteilungen vorgenommen hat und so weiter.
Zeuge Werner Jacob:
Der Zug hat erst länger gestanden in der Station auf dem Bahnhof. Ich nehme an, eine Rampe war es, wir konnten ja nichts sehen. Und dann wurden die Türen nachher aufgerissen, und dann ging das mit Schlägen: »Raus, raus, ihr Schweine, ihr Saujuden, seid ihr noch nicht raus!« Mit Schlagen und Treten.
Vorsitzender Richter:
Wer war denn das, war das ein Häftlingskommando oder waren das SS-Leute, die Sie
Zeuge Werner Jacob [unterbricht]:
Da waren vereinzelte Häftlinge dabei. Das waren Kapos, habe ich nachher gesehen, mit Binden und so weiter und hauptsächlich SS. [...]
Vorsitzender Richter:
Ja. Und nun sagen Sie, Sie meinten auf der Rampe. Können Sie uns auch heute nicht sagen, wo das gewesen ist, wo Sie da rausgetrieben worden sind?
Zeuge Werner Jacob:
Auschwitz, meine ich.
Vorsitzender Richter:
Ja.
Zeuge Werner Jacob:
In Auschwitz, und von da aus sind wir nachher abtransportiert worden auf Lkws zu den Buna-Werken.
Vorsitzender Richter:
Herr Jacob, ich will nun folgendes wissen: Es gab im Jahr 43 – allerdings, glaube ich, noch nicht im Februar – eine Rampe zwischen den Baracken in Birkenau. Da sind Sie nicht ausgeladen worden?
Zeuge Werner Jacob:
Nein, in Birkenau nicht. [...]
Vorsitzender Richter:
Sie sind aber auch nicht auf der Station in Auschwitz ausgeladen worden, das heißt also auf dem Bahnhof in Auschwitz?
Zeuge Werner Jacob:
Das kann ich nicht genau sagen. Es war dunkel. Die Scheinwerfer haben nur uns angestrahlt, und das ging alles schnell.
Vorsitzender Richter:
Wie Sie ausgestiegen sind, sind Sie da auf irgendeinen Bahnsteig ausgestiegen oder aufs flache Feld?
Zeuge Werner Jacob:
Das war eine kleine Rampe.
Vorsitzender Richter:
Es war eine kleine Rampe.
Zeuge Werner Jacob:
Kleine Rampe.
Vorsitzender Richter:
Nun waren das doch immerhin 3.200 Personen, sagten Sie.
Zeuge Werner Jacob:
Ja.
Vorsitzender Richter:
Wieso wissen Sie die genaue Zahl von diesen Leuten?
Zeuge Werner Jacob:
In Dortmund, wie wir gesammelt worden sind, da hat man davon gesprochen, daß 3.200...
Vorsitzender Richter:
So, ja.
Zeuge Werner Jacob:
Ich selbst habe die nicht gezählt.
Vorsitzender Richter:
Ja. Nun hatten Sie doch sicherlich auch Gepäck dabei?
Zeuge Werner Jacob:
Ja.
Vorsitzender Richter:
Haben sie das im Waggon drin gelassen, oder haben Sie das mit rausgenommen?
Zeuge Werner Jacob:
Das mußten wir alles stehen lassen.
Vorsitzender Richter:
Alles im Waggon drin?
Zeuge Werner Jacob:
Ja.
Vorsitzender Richter:
Sie sind also nur, wie Sie gingen und standen, da herausgesprungen aus den Wagen. Und wie ging es nun weiter?
Zeuge Werner Jacob:
Wir mußten uns alle aufstellen, und dann hieß es, Frauen und Kinder links rüber und alle Männer über 40 Jahre links rüber. Und wir rechts rüber.
Vorsitzender Richter:
Also alle Frauen, Kinder und Männer über 40 Jahre links rüber?
Zeuge Werner Jacob:
Ja.
Vorsitzender Richter:
Wissen Sie noch, wer das Ihnen gesagt hat? Wer das befohlen hat? Ob das die Häftlinge waren oder ob das die SS-Leute waren
Zeuge Werner Jacob [unterbricht]:
Nein, die SS.
Vorsitzender Richter:
Oder ob das Ärzte waren, oder ob das SS-Führer waren. Sie werden es in der Aufregung vermutlich gar nicht richtig erkannt haben in dem Augenblick.
Zeuge Werner Jacob:
Ja, SS war das.
Vorsitzender Richter:
Es war SS.
Zeuge Werner Jacob:
SS.
Vorsitzender Richter:
Nun kamen Sie also, da Sie noch keine 40 Jahre alt waren, auf die rechte Seite.
Zeuge Werner Jacob:
Ja.
Vorsitzender Richter:
Und Ihre Frau auf die linke Seite.
Zeuge Werner Jacob:
Auf die linke Seite, und ich habe mich mitgemeldet links rüber, und dann haben mich verschiedene zurückgehalten, die wußten schon mehr Bescheid, was
Vorsitzender Richter [unterbricht]:
Leute aus Ihrem Transport, oder?
Zeuge Werner Jacob:
Ja, ja.
Vorsitzender Richter:
Ja.
Zeuge Werner Jacob:
Wußten schon Bescheid, was
Vorsitzender Richter [unterbricht]:
Was da kam.
Zeuge Werner Jacob:
Ja.
Vorsitzender Richter:
Kind hatten Sie damals noch nicht
Zeuge Werner Jacob:
Nein.
Vorsitzender Richter:
Nein. Und damals haben Sie Ihre Frau vermutlich zum letzten Mal gesehen.
Zeuge Werner Jacob:
Ja.
Vorsitzender Richter:
Nun, das war am 3. März 1943 [1]. Nachdem Sie herausgetrieben waren aus den Wagen, standen Sie auf der rechten Seite. Und wie groß war denn diese Gruppe, zu der Sie da gekommen sind?
Zeuge Werner Jacob:
Ich habe nachher gehört, 680 wären das gewesen, sind aber in verschiedenen Lagern untergebracht worden. [2]
Vorsitzender Richter [unterbricht]:
Untergekommen, ja.
Zeuge Werner Jacob:
Nach Buna, Jawischowitz, da war noch eine Sandgrube irgendwo [unverständlich]
Vorsitzender Richter [unterbricht]:
Also, jedenfalls Sie kamen zu dieser Gruppe, und wenn man diese 680 abzieht von den 3.200, da blieben ja doch immerhin noch 2.500 bis 2.600 Menschen, die dann auf die linke Seite kamen.
Zeuge Werner Jacob:
Ja.
Vorsitzender Richter:
Wissen Sie, ob diese Leute, die nach der linken Seite kamen, verladen worden sind in Lastwagen?
Zeuge Werner Jacob:
Ja. In Lastwagen, und teils sind die hinterher marschiert.
Vorsitzender Richter:
Teils zu Fuß gegangen.
Zeuge Werner Jacob:
Ja.
Vorsitzender Richter:
Und Sie kamen auch auf Lastwagen?
Zeuge Werner Jacob:
Ja.
Vorsitzender Richter:
Und wurden wohin gefahren?
Zeuge Werner Jacob:
Zu den Buna-Werken.
Vorsitzender Richter:
Zu den Buna-Werken. Und zwar nach Monowitz.
Zeuge Werner Jacob:
Ja.
Vorsitzender Richter:
Nun, in Monowitz haben Sie dann drei bis vier Monate etwa gearbeitet.
Zeuge Werner Jacob:
Ja.
Vorsitzender Richter:
Sie haben einmal gesagt, daß dort auch Selektionen stattgefunden hätten in Monowitz.
Zeuge Werner Jacob:
Ja.
Vorsitzender Richter:
Würden Sie mal sagen, wer die durchgeführt hat, wer diese Auswahl getroffen hat und welche Leute da aussortiert worden sind?
Zeuge Werner Jacob:
Ja, die SS hat die aussortiert, es mußte draußen sich alles aufstellen, Selektionen machen, und dann wurden die rausgesucht.
Vorsitzender Richter:
Also Sie mußten raustreten aus der Baracke. Sie waren vermutlich in Baracken untergebracht in Monowitz.
Zeuge Werner Jacob:
Ja.
Vorsitzender Richter:
Mußten Sie raustreten, mußten Sie sich da vorher ausziehen?
Zeuge Werner Jacob:
Nein. [...]
Vorsitzender Richter:
Sie konnten also in Ihren Häftlingskleidern bleiben.
Zeuge Werner Jacob:
Ja.
Vorsitzender Richter:
Und wissen Sie, ob das Ärzte waren, die diese Aussonderungen vorgenommen haben?
Zeuge Werner Jacob:
Das kann ich nicht sagen.
Vorsitzender Richter:
Das wissen Sie nicht. Sie kannten damals vermutlich auch noch nicht die Dienstgradabzeichen und wußten nicht
Zeuge Werner Jacob [unterbricht]:
Nein. Und auch mit Namen damals noch nicht.
Vorsitzender Richter:
Mit Namen schon mal gar nicht.
Zeuge Werner Jacob:
Nein.
Vorsitzender Richter:
Ja, und wurden da schwache und kranke Leute ausgesucht, oder war das ganz gleichgültig, ob jemand
Zeuge Werner Jacob [unterbricht]:
Ja, Schwache und Kranke.
Vorsitzender Richter:
Schwache und kranke Leute wurden ausgesucht. Und was hat man denn denen gesagt? Hat man gesagt, sie müßten sich jetzt irgendwo melden, oder hat man ihre Nummern aufgeschrieben oder?
Zeuge Werner Jacob:
Die Nummern wurden aufgeschrieben. Das kann ich nicht genau sagen, habe ich nachher natürlich von anderen gehört, die im Krankenbau waren, die sind extra in einen Krankenbau reingekommen, für einige Stunden oder einen Tag. Und dann hat man die wegtransportiert nach Auschwitz.
Vorsitzender Richter:
Nach Auschwitz. Oder nach Birkenau?
Zeuge Werner Jacob:
Das kann ich nicht sagen.
Vorsitzender Richter:
Das wissen Sie nicht. Nun, sind in der Zeit, als Sie in Monowitz waren, viele Leute umgekommen?
Zeuge Werner Jacob:
Ja, sehr viele.
Vorsitzender Richter:
Und wieso?
Zeuge Werner Jacob:
Sehr viele sind an den Draht gegangen, an den elektrischen Draht, die es nicht mehr aushalten konnten, und so weiter. Wegen Essen, Schlagen, und allem möglichen [unverständlich]
Vorsitzender Richter [unterbricht]:
Also aus Verzweiflung haben sie sich umgebracht.
Zeuge Werner Jacob:
Aus Verzweiflung, ja. Und sehr viele sind erschossen worden. Vom Arbeitskommando, also wenn wir zur Arbeit gingen [unverständlich]
Vorsitzender Richter [unterbricht]:
Was für eine Arbeit haben Sie denn dort gemacht?
Zeuge Werner Jacob:
Ich habe Rohrbrückenbau gemacht, Kommando 40.
Vorsitzender Richter:
Ja.
Zeuge Werner Jacob:
Nachher bin ich im Abladekommando gewesen, bin später noch mal in Buna gewesen.
Vorsitzender Richter:
Und da sind also viele Leute an den Draht gelaufen. Und dann sagten Sie, auch von den Kommandos sind welche erschossen worden.
Zeuge Werner Jacob:
Ja.
Vorsitzender Richter:
Und wie hat sich denn so etwas abgespielt? Haben die einfach drauflosgeschossen, oder was war da?
Zeuge Werner Jacob:
Wenn wir zur Arbeit gegangen sind, morgens früh, die ganzen Kommandos, die Leute konnten es nicht mehr aushalten. Aus Verzweiflung sind die übers Feld – da war ein Feld – gelaufen, nur zwei Meter runter, und schon wurde drauf geschossen. Es wurden auch teils von der SS die Mützen abgenommen und weggeworfen.
Vorsitzender Richter:
Haben Sie das gesehen?
Zeuge Werner Jacob:
Ja.
Vorsitzender Richter:
Können Sie uns irgendwelche Namen nennen von den Leuten, die das gemacht haben?
Zeuge Werner Jacob:
Nein. [...]
Vorsitzender Richter:
Also Sie sagten, es sind auch Mützen weggeworfen worden und die Leute, die den Mützen nachliefen, dann erschossen worden.
Zeuge Werner Jacob:
Ja.
Vorsitzender Richter:
Wissen Sie, ob die Leute, die da erschossen haben, besondere Vergünstigungen bekamen, Sonderrationen oder Sonderverpflegung oder ein Schußgeld oder so irgend etwas?
Zeuge Werner Jacob:
Ja, es hieß immer, es gäbe Schußgeld, seien es 20 oder 30 Mark oder wieviel, und Tabak und Sonderurlaub. Also wer »auf der Flucht« erschossen wurde.
Vorsitzender Richter:
Wenn jemand einen anderen »auf der Flucht« erschossen hatte.
Zeuge Werner Jacob:
Ja.
Vorsitzender Richter:
Das wurde aber nur so geredet, Direktes wissen Sie nicht.
Zeuge Werner Jacob:
Nein.
Vorsitzender Richter:
Haben Sie damals auch einen Sanitätsdienstgrad erlebt, wie Sie dort in Monowitz waren? [...]
Zeuge Werner Jacob:
Ja, ich habe mehrere gesehen.
Vorsitzender Richter:
Können Sie sich auf einen Namen noch erinnern?
Zeuge Werner Jacob:
Nein.
Vorsitzender Richter:
Nein? Können Sie sich auch auf Neubert nicht erinnern?
Zeuge Werner Jacob:
Den Namen habe ich später gehört, aber wie ich in Buna war, kann ich mich nicht mehr dran erinnern.
Vorsitzender Richter:
Können sich nicht daran erinnern.
Zeuge Werner Jacob:
Nein.
Vorsitzender Richter:
[Pause] Sie waren drei bis vier Monate in Buna, und dann?
Zeuge Werner Jacob:
Bin ich nach Auschwitz gekommen. Von Auschwitz nach Birkenau, bin einen Tag in Auschwitz gewesen, und dann nach Birkenau in die Strafkompanie.
Vorsitzender Richter:
Sie hatten damals Zigaretten besorgt, nicht?
Zeuge Werner Jacob:
Ja, für einen Mithäftling Zigaretten.
Vorsitzender Richter [unterbricht]:
Für einen Mithäftling Zigaretten besorgt, das ist rausgekommen, und daraufhin hat man Sie in die Strafkompanie getan.
Zeuge Werner Jacob:
Ja.
Vorsitzender Richter:
Nun sagen Sie bitte, Sie kamen zunächst nach Auschwitz, wo kamen Sie denn da hin?
Zeuge Werner Jacob:
Es kamen mehrere in die Strafkompanie, und wir sind – ich glaube, das war der Vorraum von einer Sauna oder ein Waschraum – einen Tag drin geblieben und von da aus nach Birkenau.
Vorsitzender Richter:
Und in Birkenau kamen Sie zur Strafkompanie.
Zeuge Werner Jacob:
Ja.
Vorsitzender Richter:
Jetzt zeigen Sie uns doch bitte mal, wenn Sie es können, auf dieser Karte, wo Sie da untergebracht waren. Stehen Sie auf, gehen Sie hin. Das ist das Lager Birkenau, da ist links die sogenannte Rampe. [...] Und rechts ist das spätere Lager, oben sind die Krematorien, und unten links ist das Eingangstor.
Zeuge Werner Jacob:
[Pause] Das war hier eine Baracke, eine Baracke 1.
Vorsitzender Richter:
Ja.
Zeuge Werner Jacob:
Hinten die letzte war das. Hinten rechts. Hier, ich glaube diese, nein, sie hat so gestanden, quer.
Vorsitzender Richter:
Sie meinen, sie hätte quer gestanden.
Zeuge Werner Jacob:
Ja. Es war in dem Frauenlager, hinterher war es ein Frauenlager.
Vorsitzender Richter:
Ja, die ganze linke Seite, was Sie unter klein a und klein b sehen, das ist später Frauenlager gewesen.
Zeuge Werner Jacob:
Dieses?
Vorsitzender Richter:
Das von oben bis nach unten, bis ganz unten hin.
Zeuge Werner Jacob:
Ja. Die Baracke hat aber so gestanden.
Vorsitzender Richter:
War es nicht vielleicht möglich, daß Sie ganz unten waren? Wenn Sie mal mit dem Stock ganz nach unten zeigen wollen, noch weiter unten hin, noch weiter unten hin. So, sehen Sie, da. Kann es nicht auch da gewesen sein? [Pause] Standen denn diese Baracken damals schon? Alle? Auf der linken Seite?
Zeuge Werner Jacob:
Das waren Steinbaracken. [...] Das andere Lager nachher ist neu gemacht worden, das war das g- Lager.
Vorsitzender Richter:
Ja. [Pause] Ja, das d-Lager ist rechts.
Zeuge Werner Jacob [unterbricht]:
G oder d, ja.
Vorsitzender Richter:
Oder sagten Sie b?
Zeuge Werner Jacob:
D, d.
Vorsitzender Richter:
D wie Dora?
Zeuge Werner Jacob:
Ja.
Vorsitzender Richter:
Ja, das d-Lager ist ja rechts.
Zeuge Werner Jacob:
Ja.
Vorsitzender Richter:
Aber Sie waren in dem späteren Frauenlager?
Zeuge Werner Jacob:
Ja. Baracke Nummer 1.
Vorsitzender Richter:
Und wo sind Sie dann hingekommen, von Baracke Nummer 1?
Zeuge Werner Jacob:
Dann sind wir in das spätere d-Lager gekommen.
Vorsitzender Richter:
D-Lager, ja, und zwar
Zeuge Werner Jacob [unterbricht]:
Wir haben die Barackenteile selbst rübergetragen als Häftlinge in das d-Lager rein.
Vorsitzender Richter:
Und wo war da die Strafkompanie untergebracht?
Zeuge Werner Jacob:
Ich glaube 11.
Vorsitzender Richter:
Block 11?
Zeuge Werner Jacob:
Block 11, ja.
Vorsitzender Richter:
Gut. Dann nehmen Sie bitte wieder Platz. Wie lange waren Sie in der Strafkompanie?
Zeuge Werner Jacob:
Sechs Monate, davon bin ich die letzen sechs Wochen im Krankenbau gewesen.
Vorsitzender Richter:
Ja.
Zeuge Werner Jacob:
Man hat mich zusammengeschlagen, ich konnte nicht mehr.
Vorsitzender Richter:
Nun, sagen Sie, wie kam das, daß Sie zusammengeschlagen worden sind? Was war die Ursache?
Zeuge Werner Jacob:
Ich war abgeschwächt, sehr abgeschwächt, wenig Essen, das ist ja allgemein bekannt. Schlagen war an der Tagesordnung, und morgens bei einem Appell – Ausrücken zum Arbeitskommando –, ich hatte Fieber, das wollte man mir nicht glauben, hat man mich zusammengeschlagen.
Vorsitzender Richter:
Wer?
Zeuge Werner Jacob:
Der Blockälteste.
Vorsitzender Richter:
Wie hieß der?
Zeuge Werner Jacob:
Emil Bednarek. Und noch andere Kapos auch dazu, die sind aber nachher ausgerückt. Man hat mich so zusammengeschlagen und liegenlassen, und dann bin ich nachher, vielleicht drei, vier Stunden später zum Krankenbau hingeführt worden. Und draußen, noch mal, mußte man einige Stunden stehen, ehe man vorgelassen wurde. Und dann hat man mich in den Krankenbau aufgenommen.
Vorsitzender Richter:
Nun, sagen Sie mal, bevor Sie nach Birkenau kamen, haben Sie da nicht auch einmal Stockhiebe bekommen?
Zeuge Werner Jacob:
Ja.
Vorsitzender Richter:
Von Rakers?
Zeuge Werner Jacob:
Das weiß ich nicht mehr. Damals hieß es Rapportführer und Arbeitsdienstführer. Da habe ich 80 Stockhiebe bekommen, ehe ich in die Strafkompanie kam.
Vorsitzender Richter:
Und diese 80 Stockhiebe, die haben Ihnen doch erhebliche Verletzungen beigebracht?
Zeuge Werner Jacob:
Ja. [...]
Vorsitzender Richter:
Und wegen dieser Verletzungen sind Sie ja dauernd noch behandelt worden, nicht?
Zeuge Werner Jacob:
Behandelt worden nicht, habe weiter gearbeitet. [...]
Vorsitzender Richter:
Und zwar in der Strafkompanie?
Zeuge Werner Jacob:
Ja.
Vorsitzender Richter:
Aber aus diesem Grund kamen Sie noch nicht in den Krankenbau?
Zeuge Werner Jacob:
Nein.
Vorsitzender Richter:
Sie haben weiter gearbeitet. Und wie lange haben Sie dort noch gearbeitet?
Zeuge Werner Jacob:
In der Strafkompanie?
Vorsitzender Richter:
Ja.
Zeuge Werner Jacob:
Das war bis Anfang September, um den 10. September.
Vorsitzender Richter:
1944?
Zeuge Werner Jacob:
Ja. Nein, 43.
Vorsitzender Richter:
43?
Zeuge Werner Jacob:
43.
Vorsitzender Richter:
Nun überlegen Sie bitte noch einmal ganz genau. Sie haben also zunächst diese Stockhiebe bekommen wegen dieser Zigarettengeschichte.
Zeuge Werner Jacob:
Ja.
Vorsitzender Richter:
Dann sind Sie nach Auschwitz gekommen. Sie haben eben gesagt, Sie wurden dort eingesperrt über Nacht in einem Vorraum zu einem Waschraum.
Zeuge Werner Jacob:
Ja.
Vorsitzender Richter:
Waren Sie gar nicht einmal im Arrestblock in Auschwitz?
Zeuge Werner Jacob:
Nein.
Vorsitzender Richter:
Nein? Sie haben nämlich einmal früher ausgesagt: »Nach der Verabfolgung der Stockhiebe kam ich dann für einige Tage zunächst in den Arrestblock des Stammlagers Auschwitz. Wir waren zu dritt in einer Zelle.« [3]
Zeuge Werner Jacob:
Einige Tage?
Vorsitzender Richter:
Ja.
Zeuge Werner Jacob:
Das kann ich nicht mehr genau sagen, wir sind eingesperrt worden in eine Zelle. Direkt Arrestblock, das wüßte ich nicht.
Vorsitzender Richter:
Das wüßten Sie nicht. Zu wie vielen waren Sie denn da drin?
Zeuge Werner Jacob:
Zu dreien.
Vorsitzender Richter:
Zu dreien. Also ob das der Arrestblock war, das wissen Sie nicht. Sie meinen, es wäre ein Vorraum zu einem Waschraum gewesen.
Zeuge Werner Jacob:
Ja.
Vorsitzender Richter:
Sie wissen auch heute vermutlich nicht mehr, wo dieser Block gelegen hat, wo Sie da drin waren?
Zeuge Werner Jacob:
Nein.
Vorsitzender Richter:
Ja, dann kamen Sie in die Strafkompanie. Nun, obwohl Sie gearbeitet haben, waren die Beschwerden durch diese Stockhiebe ja nach wie vor da, und ich glaube, die Wunde hat auch nicht geheilt.
Zeuge Werner Jacob:
Nein, weil Schläge an der Tagesordnung waren. Jeden Tag wurde weitergeschlagen, in der Strafkompanie, auf dem Kommando, im Block selbst sehr viel. Und dadurch hat sich das nachher entzündet.
Vorsitzender Richter:
Sie haben bei Ihrer Vernehmung ausgesagt: »Die Beschwerden waren schließlich so stark, daß ich nach fünf Monaten in der Strafkompanie in den HKB in Birkenau eingeliefert wurde.«[4]
Zeuge Werner Jacob:
Ja.
Vorsitzender Richter:
Nun möchte ich nur wissen, war diese Einlieferung eine Folge dieser Stockschläge, die Sie von Rakers bekommen haben damals, oder war die Einlieferung die Folge von Schlägen, die Sie von dem Bednarek bekommen haben?
Zeuge Werner Jacob:
Nein, also von den Schlägen alles mit zusammen.
Vorsitzender Richter:
Alles mit zusammen.
Zeuge Werner Jacob:
Ja. Aufgrund dessen – man wurde ja in der Strafkompanie nicht behandelt. Man konnte sich melden, dann gab es noch Schläge dazu, und hauptsächlich dadurch, daß man mich an dem Morgen so zusammengeschlagen hat beim Ausrücken des Arbeitskommandos. [...]
Vorsitzender Richter:
Weil Sie Fieber hatten, weil Sie sich mit Fieber krank gemeldet hatten?
Zeuge Werner Jacob:
Ja, ja.
Vorsitzender Richter:
Deshalb hat man Sie zusammengeschlagen?
Zeuge Werner Jacob:
Ja.
Vorsitzender Richter:
Wer war denn das, der Sie da zusammengeschlagen hat?
Zeuge Werner Jacob:
Erst der Blockälteste.
Vorsitzender Richter:
Das war, wie Sie sagten?
Zeuge Werner Jacob:
Emil Bednarek.
Vorsitzender Richter:
Emil Bednarek, ja. Und?
Zeuge Werner Jacob:
Und dann noch mehrere Kapos. Und selbst der Kommandoführer erst, auch. Das war, glaube ich, damals Kommandoführer Umlauf.
Vorsitzender Richter:
Nun sagen Sie mal, diese Schläge von dem Bednarek, die hat er nicht allein, sondern mit einem anderen zusammen vollführt.
Zeuge Werner Jacob:
Ja.
Vorsitzender Richter:
Und was hatte der für ein Amt, dieser andere? War das etwa ein Stubenältester oder Stubendienst oder so etwas?
Zeuge Werner Jacob:
Stubendienst mit, und denn auch Kapos, die mit rausrückten zur Arbeit, die Vorarbeiter waren.
Vorsitzender Richter:
Und nun sind Sie ja bei dieser Gelegenheit nicht totgeschlagen worden. Wem haben Sie das zu danken?
Zeuge Werner Jacob:
Einem Häftling namens, Vorname, Heinz aus Stettin. Den Namen weiß ich weiter nicht, der war schon mehrere Jahre im KZ, und...
Vorsitzender Richter:
War Kapo?
Zeuge Werner Jacob:
Ja, also auch in der Strafkompanie und hatte dann aber als Vorarbeiter [fungiert]. Und bei dem Kommando bin ich dauernd gewesen, und auch bei anderen. Der hat mich davor geschützt, sonst hätte man mich damals totgeschlagen.
Vorsitzender Richter:
Diese Schläge, die Sie da von Bednarek bekommen haben und von dem Stubendienst, waren das Schläge, von denen Sie angenommen haben, man wollte Sie dabei totschlagen?
Zeuge Werner Jacob:
Ja.
Vorsitzender Richter:
Und wie haben Sie das festgestellt? Hat man Sie auf das Gesäß geschlagen oder auf den Kopf, oder hat man
Zeuge Werner Jacob [unterbricht]:
Überall.
Vorsitzender Richter:
Überallhin.
Zeuge Werner Jacob:
Ja.
Vorsitzender Richter:
Womit hat man denn geschlagen?
Zeuge Werner Jacob:
Hinterher habe ich es nicht mehr gesehen, geschlagen, getreten, erst mit dem Stock.
Vorsitzender Richter:
Mit Stöcken.
Zeuge Werner Jacob:
Ja.
Vorsitzender Richter:
Was für Stöcken?
Zeuge Werner Jacob:
X-beliebige Stöcke. [...] Bednarek war jedes Mittel recht zum Schlagen.
Vorsitzender Richter:
Haben Sie öfter gesehen, daß Bednarek Häftlinge geschlagen hat?
Zeuge Werner Jacob:
Ja.
Vorsitzender Richter:
In der Strafkompanie, wo Sie dort waren?
Zeuge Werner Jacob:
Ja.
Vorsitzender Richter:
Also, Herr Jacob, ich muß Sie darauf aufmerksam machen, daß wir hier schon Zeugen gehört haben, die uns erklärt haben, der Bednarek hätte seinen Block tadellos geführt und er wäre auch zu den Häftlingen gut gewesen. Er hätte sogar einmal ihnen Brot ausgeteilt und ähnliche Dinge mehr.
Zeuge Werner Jacob:
Zu meiner Zeit nicht.
Vorsitzender Richter:
Zu Ihrer Zeit nicht.
Zeuge Werner Jacob:
Nein. Es kann vielleicht sein, wie man nachher die Strafkompanie aufgelöst hat.
Vorsitzender Richter:
Ja.
Zeuge Werner Jacob:
Oder aber als die Strafkompanie nicht mehr existierte.
Vorsitzender Richter:
Wie lange existierte denn die Strafkompanie?
Zeuge Werner Jacob:
Das kann ich nicht genau sagen. 44 bin ich in der Effektenkammer gewesen. Dann habe ich gehört, daß die Strafkompanie nicht mehr existierte, und habe Bednarek als Lagerältesten oder Lagerkapo in dem Krankenbau gesehen.
Vorsitzender Richter:
Also an diesem Vormittag, als Sie da so mißhandelt worden sind, da sagten Sie, hat ein anderer Kapo namens Heinz eingegriffen. Und Sie glauben, andernfalls wären Sie totgeschlagen worden.
Zeuge Werner Jacob:
Ja.
Vorsitzender Richter:
Waren Sie bewußtlos an dem Morgen?
Zeuge Werner Jacob:
Ja, ich habe da gelegen, ich konnte mich ja nicht mehr rühren, [+ war] erst mal krank und abgeschwächt, und dann die Schläge noch dazu, und habe da gelegen wie ein Stück Vieh. Blutverschmiert.
Vorsitzender Richter:
Und Sie sind dann in den HKB gekommen?
Zeuge Werner Jacob:
Ja.
Vorsitzender Richter:
Und [Pause] dort hat Sie ein Häftlingsarzt behandelt?
Zeuge Werner Jacob:
Ja.
Vorsitzender Richter:
Und hat Ihnen auch gleichzeitig am Ohr eine Geschwulst aufgeschnitten, die Sie auch von Schlägen, aber noch von dem Rakers, herhatten.
Zeuge Werner Jacob:
An beiden Ohren. [...] Nein, das waren die Schläge an den Kopf, die ich an dem Morgen bekommen habe, wie ich da gelegen habe.
Vorsitzender Richter:
Sie haben bei Ihrer Vernehmung ausgesagt: »Dort behandelte mich ein jüdischer Häftlingsarzt. Dieser hat auch meine Ohren aufgeschnitten, weil ich in Monowitz von Rakers auch Schläge mit dem Stock auf die Ohren erhalten hatte.«[5]
Zeuge Werner Jacob:
Ja, aber davon waren die Geschwülste nicht alleine.
Vorsitzender Richter:
»Die Ohren waren monatelang stark angeschwollen.«[6]
Zeuge Werner Jacob:
Ja. Und hinterher, nach den Schlägen an dem Morgen, wie ich aus der Strafkompanie in den HKB gekommen bin, da hat sich das noch mehr entzündet.
Vorsitzender Richter:
Also, Herr Jacob, bitte halten Sie das genau auseinander, was Sie damals von dem Rakers zugefügt bekommen haben und was Sie von Bednarek zugefügt bekommen haben.
Zeuge Werner Jacob:
Ja, ja.
Vorsitzender Richter:
Aber Sie sagen heute, Sie haben zwar von Rakers auch Schläge auf die Ohren bekommen, aber durch die Schläge an dem Morgen waren die Beschwerden so groß, daß die Ohren aufgeschnitten werden mußten.
Zeuge Werner Jacob:
Ja, ja.
Vorsitzender Richter:
Sie sagten, Bednarek hat vielfach geschlagen. War er als Schläger bekannt in dem Lager?
Zeuge Werner Jacob:
Ja, [+ er war] sehr, sehr aufgeregt bei jedem bißchen, wenn das Kommando nicht richtig stand und nicht sofort exakt stand. Er hat polnisch geredet. Mit Deutschen hat er polnisch geredet, mit anderen hat er wieder deutsch geredet.
Vorsitzender Richter:
Ja.
Zeuge Werner Jacob:
Um nur zu erzwingen. Auch [+ wenn wir] zum Arbeitskommando rausmußten, hat er die Nummern auf polnisch zugerufen: »Zum Arbeitskommando raustreten!« Und hat man die Nummern nicht verstanden, nicht gekannt, sofort wurde nachgesehen, und dann wurde geschlagen. Wir hatten ja auch die Nummer hier links auf der Brust und an der Seite. Und dann hat er gerufen: »Du hast ja die Nummer, du Schwein!« Und: »Du Sau meldest dich nicht!« Wir konnten kein Polnisch.
Vorsitzender Richter:
Ja. Nun, haben Sie dabei auch festgestellt, daß Leute totgeschlagen worden sind?
Zeuge Werner Jacob:
Selbst gesehen, [+ daß jemand] totgeschlagen wurde, nicht. Aber an den Folgen, daß die am anderen Morgen da gelegen haben.
Vorsitzender Richter:
Ja, das müssen Sie uns mal ein bissel näher schildern. Also Sie haben gesehen, daß Leute von Bednarek geschlagen worden sind.
Zeuge Werner Jacob:
Ja.
Vorsitzender Richter:
Und sind die dann auf dem Boden liegengeblieben, oder was geschah mit den Leuten?
Zeuge Werner Jacob:
Da hat man sie weggeschleppt. Man hat zugeschlagen und weggeschleppt an die Seite. [...]
Vorsitzender Richter:
Wohin an die Seite?
Zeuge Werner Jacob:
Wenn das abends war, in die Baracke. Und wir durften ja nicht runtergehen, aus den Boxen raus. Wir haben das dann nicht gesehen, und am anderen Morgen hat man dann gesehen, daß die auf dem Hof lagen. [...]
Vorsitzender Richter:
Und waren das dieselben, die am Abend vorher geschlagen worden sind?
Zeuge Werner Jacob:
Ja, ja. Ob die nun über Nacht gestorben sind oder sofort, das weiß ich nicht.
Vorsitzender Richter:
[Pause] Haben Sie auch gesehen, daß Bednarek mit Holzschemeln geschlagen hat?
Zeuge Werner Jacob:
Ja.
Vorsitzender Richter:
Hatten Sie denn überhaupt Holzschemel in diesem Raum?
Zeuge Werner Jacob:
Ja, vereinzelte waren da, die waren für den Stubendienst und für den Blockältesten und für den Schreiber.
Vorsitzender Richter:
Die hatten Schemel?
Zeuge Werner Jacob:
Ja.
Vorsitzender Richter:
Denn im allgemeinen gab es doch keine Schemel?
Zeuge Werner Jacob:
Nein, nein.
Vorsitzender Richter:
Also Sie sagen, im allgemeinen gab es keine Schemel, aber der Blockälteste und der Schreiber und der Stubendienst, die hatten Schemel.
Zeuge Werner Jacob:
Ja.
Vorsitzender Richter:
Und das ist ganz bestimmt wahr?
Zeuge Werner Jacob [unterbricht]:
Ja, ja.
Vorsitzender Richter:
Denn Bednarek hat
Zeuge Werner Jacob [unterbricht]:
Haben die wenigstens benutzt. Ob die die für den persönlichen Gebrauch hatten – also die haben den benutzt. Es waren vereinzelte Schemel da.
Vorsitzender Richter:
Ja. Nun [Pause] wissen sie auch, daß Häftlinge über Nacht im Hof gelegen haben, die nachher gestorben sind?
Zeuge Werner Jacob:
Ja, vielleicht daß man die abends, wie wir in dem Block waren, hingelegt hat, und morgens lagen die da.
Vorsitzender Richter:
Ja, ich meine solche, die erst geschlagen worden sind und die infolge der Schläge gestorben sind. Haben Sie da solche im Hof liegen sehen?
Zeuge Werner Jacob:
Des Nachts?
Vorsitzender Richter:
Ja.
Zeuge Werner Jacob:
Wir durften des Nachts nicht raus.
Vorsitzender Richter:
Ja, und am nächsten Morgen?
Zeuge Werner Jacob:
Da haben immer welche gelegen, fast immer.
Vorsitzender Richter:
Fast immer welche gelegen. Aber wie die zu Tod gekommen sind, das wissen Sie nicht?
Zeuge Werner Jacob:
Nein. [...]
Vorsitzender Richter:
Haben Sie auch gesehen, daß Leichen in den Waschraum abtransportiert worden sind?
Zeuge Werner Jacob:
Ja.
Vorsitzender Richter:
War damals auch Bednarek schon Blockältester?
Zeuge Werner Jacob:
Ja.
Vorsitzender Richter:
Hatten Sie denn in dem Block 11 einen Waschraum?
Zeuge Werner Jacob:
Ja. [...]
Vorsitzender Richter:
Haben Sie auch mal Leichen in den Waschraum transportiert?
Zeuge Werner Jacob:
An irgendeinem Tag, ich weiß nicht, was war, da mußten mehrere dort bleiben, im Lager, saubermachen. Da wurde ich auch dazugenommen. Und dann mußten wir in die Baracken rein, hieß es, die Häftlinge. Eine Stunde oder zwei Stunden – ich kann es nicht mehr genau sagen – sind wir in der Baracke gewesen. Und hinterher, wie wir wieder nach draußen kamen, wir raus durften, da lagen Leichen da, draußen auf dem Hof. Die mußten wir in den Waschraum tragen.
Vorsitzender Richter:
Das war also am hellichten Tag?
Zeuge Werner Jacob:
Ja.
Vorsitzender Richter:
Haben Sie da vorher Schüsse gehört?
Zeuge Werner Jacob:
Das weiß ich nicht.
Vorsitzender Richter:
Das wissen Sie nicht.
Zeuge Werner Jacob:
Nein.
Vorsitzender Richter:
Also wieso diese Leute dort gestorben waren, das wissen Sie nicht?
Zeuge Werner Jacob:
Nein.
Vorsitzender Richter:
Waren die aus Ihrem Block?
Zeuge Werner Jacob:
Nein.
Vorsitzender Richter:
Die waren gar nicht aus Ihrem Block?
Zeuge Werner Jacob:
Nein, nein. Man hat hinterher gesagt, man hat die erschossen. Aber vorher habe ich gesehen, daß verschiedene gekommen sind und haben sich das erst mal angesehen da. Die Häftlinge habe ich nicht gesehen, ich habe nachher natürlich die Leichen gesehen.
Vorsitzender Richter:
Sie hatten bei Ihrer früheren Vernehmung gesagt: »Es kam auch vor, daß er die Tot- oder halb Totgeschlagenen auf dem Hof vor dem Block liegen ließ. Die Häftlinge blieben dann über Nacht auf dem Hof liegen. Im allgemeinen wurden aber die Leichen im Waschraum gesammelt. Ich habe selbst von Bednarek zweimal den Auftrag erhalten, die im Block angefallenen Leichen in den Waschraum zu transportieren.«[7]
Zeuge Werner Jacob:
Ja. Das ist an diesem Tage gewesen, an dem ich im Block geblieben bin.
Vorsitzender Richter:
Nun habe ich Sie eben so verstanden, Sie hätten im Block arbeiten müssen, hätten den Block nicht verlassen dürfen. Und hinterher wären Sie rausgelassen worden, und da hätten diese Leichen im Hof gelegen. Und die Leichen aus dem Hof hätten Sie dann in den Waschraum getragen.
Zeuge Werner Jacob:
Ja.
Vorsitzender Richter:
So war es?
Zeuge Werner Jacob:
Ja.
Vorsitzender Richter:
Da sind die also nicht im Block erschlagen worden?
Zeuge Werner Jacob:
Nein.
Vorsitzender Richter:
Sie wissen überhaupt nicht, wie die Leute zu Tode gekommen sind?
Zeuge Werner Jacob:
Nein. Nur vom Hörensagen.
Vorsitzender Richter:
Nur vom Hörensagen haben Sie gehört, die Leute seien erschossen worden.
Zeuge Werner Jacob:
Ja.
Vorsitzender Richter:
Nun sagen Sie mal, haben Sie auch mal etwas davon gehört, daß Bednarek Häftlinge auf der Toilette erstickt haben soll?
Zeuge Werner Jacob:
Ja, das habe ich gehört. Man hat erzählt, die hätten Brot, eine Portion Brot gestohlen, Häftlinge. Ob das wahr war, weiß ich nicht, denn die meisten haben ihr bißchen Brot, das sie bekommen haben, sofort gegessen. Denn Hunger war genügend dafür da. Und dann wurde geschlagen. Und hinterher habe ich gehört, abends – da waren wir schon im Block – hat [+ er ihnen] einen Strick gegeben und hat gesagt, sie sollten sich aufhängen, andernfalls würde er das machen.
Vorsitzender Richter:
Das haben Sie erzählt bekommen?
Zeuge Werner Jacob:
Ja.
Vorsitzender Richter:
Haben Sie nachher die toten Menschen gesehen, die sich aufgehängt hatten oder die erdrosselt oder erwürgt waren?
Zeuge Werner Jacob:
Nein.
Vorsitzender Richter:
Das haben Sie nicht gesehen.
Zeuge Werner Jacob:
Ja, das soll auch schon vor der Zeit gewesen sein...
Vorsitzender Richter:
Vordem Sie dort waren.
Zeuge Werner Jacob:
Ja.
Vorsitzender Richter:
Haben Sie selbst außer diesem einen Mal, wo er Sie da morgens so zusammengeschlagen hat, weil Sie krank waren, nochmal Schläge von Bednarek bekommen?
Zeuge Werner Jacob:
Nein. [...]
Vorsitzender Richter:
Haben Sie nicht einmal 25 Schläge bekommen, weil Sie kein Brot abends bekommen hatten?
Zeuge Werner Jacob:
Ja, das war in der Strafkompanie Nummer 1, noch in dem späteren Frauenlager. [...]
Vorsitzender Richter:
Nun erzählen Sie mal, was da gewesen ist?
Zeuge Werner Jacob:
Die Strafkompanie war überfüllt, die ganzen Boxen – es waren drei Boxen übereinander. Und da ging der Stubendienst rund, und sechs Portionen Brot wurden meistens nur raufgeworfen, wenn neun drin waren, oder weniger. Wenn acht da waren, wurden vielleicht fünf oder sechs hingeworfen. Dann habe ich einmal kein Brot bekommen und habe mich gemeldet, mußte runterkommen, und auf dem Hof habe ich dann 25 bekommen, am Bock.
Vorsitzender Richter:
Sie haben sich gemeldet, weil Sie gesagt haben, Sie hätten kein Brot am Abend bekommen, es sei nur für fünf Häftlinge Brot gegeben worden und sieben seien Sie oben.
Zeuge Werner Jacob:
Ja.
Vorsitzender Richter:
Und da hat er Ihnen 25 Stockschläge verabreicht?
Zeuge Werner Jacob:
Ja.
Vorsitzender Richter:
Das war, vordem Sie in den HKB gekommen sind? Vordem Sie in den Krankenbau gekommen sind?
Zeuge Werner Jacob [unterbricht]:
Ja, ja, ja.
Vorsitzender Richter:
[Pause] Und haben in dieser Strafkompanie auch Selektionen stattgefunden, [...] das heißt also Aussonderungen von Leuten, die eventuell getötet werden sollten?
Zeuge Werner Jacob:
Nicht daß ich wüßte.
Vorsitzender Richter:
Nicht daß Sie wüßten.
Zeuge Werner Jacob:
Die sind auf dem Arbeitskommando schon...
Vorsitzender Richter:
So gestorben.
Zeuge Werner Jacob:
Ja.
Vorsitzender Richter:
Und als Sie nun in den Häftlingskrankenbau kamen, haben Sie dort gesehen, daß da Selektionen stattgefunden haben?
Zeuge Werner Jacob:
Ja, des öfteren.
Vorsitzender Richter:
Und wer hat die denn durchgeführt?
Zeuge Werner Jacob:
Das waren SS-Ärzte, und dann war ein Häftlingsarzt, Doktor Zenkteller, den habe ich zweimal gesehen. [...]
Vorsitzender Richter:
Ja.
Zeuge Werner Jacob:
Die sind durchgeführt worden, mehrere Selektionen.
Vorsitzender Richter:
Mehrere Selektionen sind durchgeführt worden. Haben Sie auch gekannt einen [Pause] Doktor Stern?
Zeuge Werner Jacob:
Ja, Doktor Stern aus Berlin.
Vorsitzender Richter:
War das ein Häftling?
Zeuge Werner Jacob:
Ein Häftling.
Vorsitzender Richter:
Ein Häftlingsarzt?
Zeuge Werner Jacob:
Ja.
Vorsitzender Richter:
Und hat der sich den Häftlingen gegenüber gut betragen?
Zeuge Werner Jacob:
Ja.
Vorsitzender Richter:
Und was hat er mit Ihnen persönlich gemacht?
Zeuge Werner Jacob:
Einmal hat er mich versteckt auf der Toilette, weil Selektionen stattfanden. [+ Sie] waren schon in anderen Krankenbauten drin, in anderen Baracken. Dann hat er mich genommen, hat mich rausgetragen und auf einer Toilette draußen versteckt, bis die Selektionen vorbei waren. [...]
Vorsitzender Richter:
Und dem verdanken Sie dadurch gewissermaßen Ihr Leben.
Zeuge Werner Jacob:
Ja.
Vorsitzender Richter:
Nun, dann sind Sie also schließlich aus dem Krankenbau wieder entlassen worden, und zwar wohin?
Zeuge Werner Jacob:
Dann bin ich in das d-Lager gekommen und habe erst im Schonungsblock gearbeitet. Das war in der Küche. Da mußten wir jeden Tag in der Küche Kartoffeln schälen. Und dann sollten wieder Selektionen stattfinden, gerade in dem Schonungsblock. Die blieben dann etwas drinnen, und wer zu lang drin blieb, der wurde vergast, kam ins Krematorium, Selektion und so weiter. Dann habe ich mich weiter gemeldet auf das Arbeitskommando.
Vorsitzender Richter:
Nun sagen Sie, wieso wissen Sie, daß die Leute, die da ausgewählt wurden, vergast worden sind?
Zeuge Werner Jacob:
Das hat man immer gehört.
Vorsitzender Richter:
Das hat man erzählt.
Zeuge Werner Jacob:
Ich habe es selbst gesehen im Krankenbau, wie man die hinterher, ein paar Tage später, als die Selektionen waren, auf Lastwagen verladen hat Richtung Krematorium.
Vorsitzender Richter:
Wie sind denn die Lastwagen gefahren? War das in der Strafkompanie im Block 1 oder 11?
Zeuge Werner Jacob:
Im Krankenbau.
Vorsitzender Richter:
Ach, das war im Krankenbau. [...]
Zeuge Werner Jacob:
Natürlich bei der größten Kälte. Es war Oktober, es war sehr kalt und unfreundliches Wetter dazu noch, ohne Kleidung und ohne alles, die Kleidung mußten sie vorher schon ablegen und wurden auf Lkws weggefahren.
Vorsitzender Richter:
Und dann kamen Sie weg und sind zu welchem Kommando gekommen?
Zeuge Werner Jacob:
Abladekommando.
Vorsitzender Richter:
War es nicht das sogenannte Dachdeckerkommando?
Zeuge Werner Jacob:
Ja, ja.
Vorsitzender Richter:
Und da kamen Sie wohin?
Zeuge Werner Jacob:
Das war in der Nähe von... Da ist eine Fabrik. Dachpappenfabrik hieß die. Aber ich glaube nicht, daß da produziert wurde, gearbeitet wurde. Wir haben da die Baracken abgeladen und verschiedentlich auch Schotter und so weiter, Steine, Ziegelsteine, alles mögliche.
Vorsitzender Richter:
Haben Sie abgeladen.
Zeuge Werner Jacob:
Ja, hauptsächlich aber Baracken.
Vorsitzender Richter:
Und nach dieser Arbeit haben Sie was tun müssen?
Zeuge Werner Jacob:
Dann bin ich erst nach Jaworzno gekommen.
Vorsitzender Richter:
Und was war das für eine Arbeit?
Zeuge Werner Jacob:
In der Kohlengrube.
Vorsitzender Richter:
In der Kohlengrube. Das war sicher eine sehr zermürbende und aufreibende Arbeit?
Zeuge Werner Jacob:
Ja.
Vorsitzender Richter:
Wie lange waren Sie dort?
Zeuge Werner Jacob:
Circa zwei Monate.
Vorsitzender Richter:
Ja, und dann kamen Sie wohin?
Zeuge Werner Jacob:
Von da aus bin ich wieder nach Birkenau hingekommen.
Vorsitzender Richter:
Waren Sie nicht erst noch mal im Krankenbau, In Jaworzno?
Zeuge Werner Jacob:
Ja, ja, in Jaworzno im Krankenbau.
Vorsitzender Richter:
Und warum?
Zeuge Werner Jacob:
Ich habe im Wasserschacht gearbeitet unten, unter Kohle, und war nachher so krank. Wir mußten fünf Kilometer bei der größten Kälte laufen und waren an einer Stange, einer Gardinenstange, vielleicht in dieser Stärke, zu 15 bis 20 angebunden, einmal rechts und einmal links. Und mußten dann in Holzschuhen circa fünf Kilometer zur Kohlengrube hinlaufen und auch wieder retour. Dann unten im Wasserschacht mußten wir mit einer Lore auf einem Feldgleis – das Oberteil von einer Lore – runterfahren. Und das waren ganz alte Gruben. Dann kam das Wasser rein, dann sind wir ganz aneinandergehockt. Oben kam ein Blech drauf, das an jeder Seite so viel kürzer war wie die Lore. Weil wir unten hereinkamen, saßen wir mit dem Bauch bis im Wasser. Und auch nachher wieder rauf und mußten dann da weiter bearbeiten.
Vorsitzender Richter:
Und was hatten Sie für eine Krankheit damals?
Zeuge Werner Jacob:
Ich konnte nicht mehr.
Vorsitzender Richter [unterbricht]:
War das allgemeine Entkräftung und
Zeuge Werner Jacob [unterbricht]:
Ja, Entkräftung und Grippe und Lungenentzündung. Lungenentzündung und Rippenfellentzündung.
Vorsitzender Richter:
Und da sind Sie nach Jaworzno in den Krankenbau gekommen. Und als Sie dort wieder wegkamen, bekamen Sie was für ein Kommando?
Zeuge Werner Jacob:
Dann bin ich wieder nach Birkenau gekommen, auch wieder Dachpappenfabrik, also Abladekommando.
Vorsitzender Richter:
Ja.
Zeuge Werner Jacob:
Da bin ich kurze Zeit gewesen, und dann hieß es: »Alle Juden antreten!« an einem Abend. Und dann mußten wir alle antreten, und es wurden für die Effektenkammer Leute ausgesucht. Ich habe geglaubt, es wäre Selektion gewesen wieder und habe mich nicht mitgemeldet. Und meinen Judenstern habe ich abgerissen, weil ich in der Küche zu tun hatte. Der Kapo hatte mich weggeschickt, es gab bei der Dachpappenfabrik Zulagesuppe. Also für besondere Arbeiten gab es etwas Suppe, abends. Die habe ich geholt mit vier anderen, und dann hat man mich festgehalten, ich mußte mit antreten, und dann sind wir nachher in die »Sauna« gekommen und dann in die Effektenkammer.
Vorsitzender Richter:
Und Sie dachten schon, es sei eine Selektion zur Vergasung?
Zeuge Werner Jacob:
Ja.
Vorsitzender Richter:
Da sind Sie in die Effektenkammer gekommen, und dort sind Sie geblieben bis zum Juni oder Juli oder bis zum Oktober 44, als Sie dann wegkamen nach Ohrdruf.
Zeuge Werner Jacob:
Ja. Über Heinkel Berlin und Sachsenhausen.
Vorsitzender Richter:
Und über Sachsenhausen. [Pause] Haben Sie einmal in der Steinbaracke, während Sie bei der Strafkompanie waren, erlebt, daß dort 30 polnische Häftlinge erschossen wurden?
Zeuge Werner Jacob:
Daß die angekommen sind, habe ich gesehen, und wir sind nachher ausgerückt zum Arbeitskommando. Und ehe wir ausrückten, sind höhere SS-Offiziere gekommen und so weiter, mit Gewehren. Und wir sind nachher ausgerückt zur Arbeit. Vom Stubendienst habe ich nachher gehört, daß die erschossen worden sind.
Vorsitzender Richter:
[Pause] Ja, sind noch Fragen zu stellen? Bitte schön.
Richter Hotz:
Herr Jacob, wie lange waren Sie in Ohrdruf?
Zeuge Werner Jacob:
Am 11. November 44 sind wir von Berlin weg.
Richter Hotz:
Nur ungefähr.
Zeuge Werner Jacob:
Bis Februar, bis März, 45.
Richter Hotz:
Wissen Sie, wer dort Lagerkommandant war?
Zeuge Werner Jacob:
Nein. [...]
Richter Hotz:
Dann etwas anderes: Gab es in Block 11 der SK eine Bademöglichkeit?
Zeuge Werner Jacob:
Ja, Brausen, aber da kamen wir nicht ran. [...]
Richter Hotz:
Waren Sie mal drin, außer
Zeuge Werner Jacob [unterbricht]:
Ja. Da waren Waschgelegenheiten, etwas zum Waschen, aber unter die Brausen kamen wir nicht. Da kamen die Vorarbeiter und so weiter, die selbst in der Strafkompanie waren.
Richter Hotz:
Aha. Haben Sie dort mal bei irgendeiner Gelegenheit Wasserschläuche auch gesehen?
Zeuge Werner Jacob:
Ja, die normalen Schläuche.
Richter Hotz:
Gab es so etwas dort?
Zeuge Werner Jacob:
Ja.
Richter Hotz:
Können Sie uns noch sagen, ob das kurze Schläuche gewesen sind oder auch längere Schläuche?
Zeuge Werner Jacob:
Ja, das weiß ich nicht mehr genau.
Richter Hotz:
Wissen Sie nicht, ja. Aber Schläuche dieser Art haben Sie gesehen?
Zeuge Werner Jacob:
Ja. Ich nehme an, daß man die genommen hat zum Ausspritzen hinterher, zum Saubermachen.
Richter Hotz:
Aha. Danke schön.
Ergänzungsrichter Hummerich:
Welche Häftlingsnummer hatten Sie?
Zeuge Werner Jacob:
104.953. [...]
Ergänzungsrichter Hummerich:
Sie sagten vorhin, als Sie in dem Block 1 waren, wo Sie 25 Schläge wegen des Brotes bekamen, in der Baracke sei es sehr voll gewesen.
Zeuge Werner Jacob:
Ja.
Ergänzungsrichter Hummerich:
Als Sie dann umgezogen waren in den Block 11 in dem Lager Dora, Lager d, war es da auch so voll, oder war die Baracke größer, daß da Platz war?
Zeuge Werner Jacob:
Die war größer.
Ergänzungsrichter Hummerich:
Und war da Platz?
Zeuge Werner Jacob:
Ja.
Ergänzungsrichter Hummerich:
Und hatten Sie da Schemel, oder waren da auch keine Schemel da?
Zeuge Werner Jacob:
Da waren auch Schemel. [...]
Ergänzungsrichter Hummerich:
Wie viele?
Zeuge Werner Jacob:
Ja, das ganze Inventar wurde mit rüber
Ergänzungsrichter Hummerich [unterbricht]:
Das wurde mit rübergenommen.
Zeuge Werner Jacob:
Ja.
Ergänzungsrichter Hummerich:
Und in der späteren Baracke, sagen Sie, war Platz?
Zeuge Werner Jacob:
Platz ist nie da drin gewesen, aber etwas mehr.
Ergänzungsrichter Hummerich:
War denn soviel Platz, daß etwa die unteren Pritschen leer waren?
Zeuge Werner Jacob:
Nein. [...] Das wüßte ich nicht, also es müßte vielleicht hier und da mal eine Box gewesen sein. Denn es kamen Neuzugänge und gingen auch welche
Ergänzungsrichter Hummerich [unterbricht]:
Aber im allgemeinen war die Baracke auch normal belegt, wenn ich Sie richtig verstehe.
Zeuge Werner Jacob:
Ja. Denn es sind ja auch jeden Tag sehr viele auf dem Kommando umgekommen, sehr viele.
Ergänzungsrichter Hummerich:
Ja. Und wie viele waren Sie ungefähr in der Baracke? Waren das 300, 400, 200?
Zeuge Werner Jacob:
Das weiß ich nicht genau.
Ergänzungsrichter Hummerich:
Das wissen Sie nicht mehr. Danke schön. [...]
Vorsitzender Richter:
Hat das Gericht noch Fragen? Nein. Herr Staatsanwalt?
Staatsanwalt Kügler:
Danke schön.
Vorsitzender Richter:
Herr Rechtsanwalt Raabe?
Nebenklagevertreter Raabe:
Keine Frage.
Vorsitzender Richter:
Herr Rechtsanwalt Strodt?
Nebenklagevertreter Strodt:
Eine kurze Frage: Als der Herr Zeuge in der Effektenkammer war, kam dort auch der Lagerkommandant hin?
Zeuge Werner Jacob:
Ja.
Nebenklagevertreter Strodt:
Wer war das?
Zeuge Werner Jacob:
Baer.
Nebenklagevertreter Strodt:
Das wissen Sie mit Bestimmtheit?
Zeuge Werner Jacob:
Ja.
Nebenklagevertreter Strodt:
Danke sehr.
Vorsitzender Richter:
Von seiten der Verteidigung, Herr Rechtsanwalt Doktor Eggert.
Verteidiger Eggert:
Zunächst eine Frage, Herr Zeuge, wegen der Zeit. Sie haben gesagt, Sie sind im März hingekommen nach Auschwitz und sind dann etwa drei Monate in den Buna-Werken gewesen, ja? [...]
Zeuge Werner Jacob:
Nein, nicht ganz drei Monate, am 28. April bin ich in die Strafkompanie gekommen. [...]
Verteidiger Eggert:
Woher wissen Sie das jetzt so genau?
Zeuge Werner Jacob:
Weil ich am 28. Oktober 43 Bescheid bekam im Krankenbau, daß meine Zeit von der Strafkompanie abgelaufen war.
Verteidiger Eggert:
Haben Sie das früher auch schon so genau gewußt mit dem Datum?
Zeuge Werner Jacob:
Ja, dieses Datum werde ich nie vergessen, weil meine Eltern am 28. April 42 weggekommen sind, am 28. Oktober 44 sind wir von Auschwitz weggekommen auf Transport, das ist alles am 28. gewesen.
Verteidiger Eggert:
[Pause] Gut. Sie haben gesagt, Sie haben den Bednarek hinterher noch im HKB gesehen. Was hat er denn dort für eine Funktion gehabt?
Zeuge Werner Jacob:
Ich weiß es nicht genau, entweder...
Vorsitzender Richter:
Kapo.
Zeuge Werner Jacob:
Lagerkapo oder Lagerältester. [Pause] Das war nebenan das Lager, war nur getrennt durch Draht und einen Wassergraben.
Verteidiger Eggert:
Jawohl. Während der Zeit, in der Sie in der Strafkompanie waren, hat es dort ja sicherlich viele Tote gegeben. Können Sie ungefähr eine Zahl sagen, wie viele Tote da täglich ungefähr angefallen sind?
Zeuge Werner Jacob:
Es waren schon mal 20, schon mal 30, schon mal 40 und schon mehr, und auch weniger. Vor meiner Zeit sollen das tagtäglich 70 Stück und mehr gewesen sein. [Pause] Denn ich habe ja mit eigenen Augen gesehen, wie ein Kommando im Königsgraben geschlagen worden ist und ertränkt, alles mögliche, wie man die durchs Wasser gehetzt hat.
Verteidiger Eggert:
Ja, und dann haben Sie vorhin den Vorfall mit den 30 polnischen Häftlingen erzählt, die erschossen worden sind, wie Ihnen hinterher berichtet wurde. Haben Sie damals auch die Schüsse gehört?
Zeuge Werner Jacob:
Nein. Wir waren ja weg zum Arbeitskommando. Wir sind ja ausgerückt.
Verteidiger Eggert:
Ich habe keine weiteren Fragen.
Vorsitzender Richter:
Danke schön. Von seiten der Verteidigung sonst noch Fragen? Bednarek, haben Sie noch eine Erklärung abzugeben?
Angeklagter Bednarek:
[unverständlich] der Zeuge, der zu meiner Person ausgesagt hat, beruht nicht auf Wahrheit.
Vorsitzender Richter:
Entspricht nicht der Wahrheit. Herr Zeuge, wenn Sie auch von Bednarek geschlagen worden sind, dürfen Sie ihn natürlich nicht mehr belasten, als dies der unbedingten Wahrheit entspricht. Das wissen Sie, nicht?
Zeuge Werner Jacob:
Das ist mir klar.
Vorsitzender Richter:
Ja. Wenn keine Fragen mehr an den Zeugen sind, sind bezüglich der Beeidigung Anträge zu stellen? Von seiten der Staatsanwaltschaft nein, Nebenkläger nein, Verteidigung ebenfalls nicht. [...]
- Czech zufolge kamen am 3. März 1943 zwei RSHA-Transporte über Berlin in Auschwitz an. Vgl. Czech, S. 429.
- Czech zufolge wurden aus dem ersten Transport 535 Männer und 145 Frauen ins Lager eingewiesen. Vgl. Czech, S. 429.
- Vgl. richterliche Vernehmung vom 23.08.1962 in Meschede, 4 Ks 2/63, Hauptakten, Bd. 71, Bl. 13.334.
- Vgl. richterliche Vernehmung vom 23.08.1962 in Meschede, 4 Ks 2/63, Hauptakten, Bd. 71, Bl. 13.334.
- Vgl. richterliche Vernehmung vom 23.08.1962 in Meschede, 4 Ks 2/63, Hauptakten, Bd. 71, Bl. 13.334 f.
- Vgl. richterliche Vernehmung vom 23.08.1962 in Meschede, 4 Ks 2/63, Hauptakten, Bd. 71, Bl. 13.335.
- Vgl. richterliche Vernehmung vom 23.08.1962 in Meschede, 4 Ks 2/63, Hauptakten, Bd. 71, Bl. 13.336.