Zeugin Hedwig Höß

113. Verhandlungstag 19.11.1964

1. Frankfurter Auschwitz-Prozess

»Strafsache gegen Mulka u.a.«, 4 Ks 2/63

Landgericht Frankfurt am Main

Vernehmung der Zeugin Hedwig Höß

113. Verhandlungstag, 19.11.1964

Vorsitzender Richter:

eine geborene, sagten Sie?

Zeugin Hedwig Höß:

Hensel.

Vorsitzender Richter:

Hensel. Sie sind wie alt?

Zeugin Hedwig Höß:

57.

Vorsitzender Richter:

57 Jahre alt. Sind Sie verheiratet?

Zeugin Hedwig Höß:

Nein.

Vorsitzender Richter:

Verzeihung, Sie sind verwitwet.

Zeugin Hedwig Höß:

Ja.

Vorsitzender Richter:

Verwitwet, nicht mehr verheiratet. Und Sie wohnen wo?

Zeugin Hedwig Höß:

In Ludwigsburg.

Vorsitzender Richter:

Haben Sie einen Beruf?

Zeugin Hedwig Höß:

Nein.

Vorsitzender Richter:

Nein. Frau Höß, es ist von einem der Zeugen, die wir in den letzten

Nebenklagevertreter Kaul [unterbricht]:

Ich habe noch zusätzliche Fragen zur Person.

Vorsitzender Richter:

Ja, bitte.

Nebenklagevertreter Kaul:

Die Zeugin sagt eben, sie hat keinen Beruf. Ich möchte gerne wissen, wovon die Zeugin lebt, welche Einkommensverhältnisse sie hat, ob sie von irgendeiner Seite unterstützt wird, wenn ja, von welcher Seite.

Vorsitzender Richter:

Und aus welchem Grund?

Verteidiger Eggert [unterbricht]:

Ich widerspreche diesen Fragen.

Nebenklagevertreter Kaul:

Für die Frage der Glaubwürdigkeit sind die materiellen Verhältnisse von absoluter Bedeutung.

Verteidiger Eggert:

Herr Vorsitzender, wenn ich als Verteidiger

Nebenklagevertreter Kaul [unterbricht]:

Zunächst bin ich noch dran.

Verteidiger Eggert:

Entschuldigung, ich dachte, Sie seien fertig.

Nebenklagevertreter Kaul:

Von absoluter Bedeutung. Nicht umsonst schreibt der Gesetzgeber vor, daß der Zeuge zur Person anzugeben hat, welchen Beruf er hat. Es ist von ausschlaggebender Bedeutung für die Prüfung der Glaubwürdigkeit der Zeugin, ob sie etwa von Organisationen, denen ihr Mann früher angehörte, unterstützt wird oder in welcher Weise sie ihren Lebensunterhalt bestreitet.

Ich bitte, diese Fragen an die Zeugin zu stellen. Sollten Sie auf einem anderen Standpunkt stehen, Herr Direktor – ich vermute das durch Ihr Kopfschütteln vorhin –, dann bitte ich um einen dezidierten Gerichtsbeschluß, und zwar für jede dieser Fragen. Ich stelle die erste Frage an die Zeugin, da sie hier angegeben hat, daß sie keinen Beruf hat: wovon sie lebt.

Vorsitzender Richter:

Es steht im § 68 an sich nicht drin, daß der Zeuge angeben muß, wovon er lebt. Sondern es steht drin, daß er angeben muß, welchen Beruf er hat. Und wenn ein Zeuge einen Beruf nicht hat, sind diese weiteren Fragen Ihrerseits gesetzlich zunächst nicht vorgeschrieben. Ob sie aus anderen Gründen gestellt werden können, das sei dahingestellt, jedenfalls

Nebenklagevertreter Kaul [unterbricht]:

Herr Direktor, sie ergeben sich ja nicht expressis verbis, aber implicite aus dem Gesetz. Was sollte der Gesetzgeber sonst für einen Grund haben, anzuordnen, daß der Zeuge nach seinem Beruf zu fragen ist?

Vorsitzender Richter:

Um die Identität des Zeugen festzustellen. Genau das.

Nebenklagevertreter Kaul:

Nur die Identität?

Vorsitzender Richter:

Nur die Identität.

Nebenklagevertreter Kaul:

Und nicht seine Lebensumstände? [...]

Vorsitzender Richter:

Nein, nur eben die Identität.

Nebenklagevertreter Kaul:

Nun schön. Also dann stelle ich mit Rücksicht auf die Prüfung der Glaubwürdigkeit der Zeugin zunächst die Frage, da sie angegeben hat, sie hat keinen Beruf, wovon sie lebt.

Verteidiger Eggert:

Ich widerspreche dieser Frage und gestatte mir nur, dazu auszuführen: Wenn die Verteidigung nicht berechtigt sein soll, zu fragen, ob Zeugen, die von Doktor Kaul hier gestellt worden sind, der Kommunistischen Partei angehören, dann ist diese Frage allemal unzulässig. Ich widerspreche selbstverständlich auch den weiteren Fragen in der gleichen Richtung. Aber ich bitte dann ebenso wie Herr Doktor Kaul um einen Gerichtsbeschluß.

Nebenklagevertreter Kaul:

Ich habe die Zeugin nicht gefragt, ob sie der NSDAP angehört, und ich habe die Zeugin nicht gefragt, in welchen Beziehungen sie zu den Geheimorganisationen der SS steht. Sondern ich wünsche zu wissen, nachdem die Zeugin angegeben hat, daß sie keinen Beruf ausübt, 57 Jahre alt ist, wovon sie lebt. Vielleicht ergibt sich sogar zugunsten der Verteidigung, daß sie ausnahmsweise als Witwe eines hingerichteten Kriegsverbrechers von der [unverständlich]

Vorsitzender Richter [unterbricht]:

Moment, Herr Rechtsanwalt Doktor Kaul, zu Ausführungen wird Ihnen jetzt nicht das Wort gegeben. Sie haben die Möglichkeit, Ihren Antrag zu stellen. Und der Antrag lautet, daß die Frau gefragt wird erstens, wovon sie lebt. Und zweitens hatten Sie noch gefragt, ob sie von dritter Seite unterstützt würde, eventuell von wem.

Nebenklagevertreter Kaul:

Und wenn ja, [+ ob] von irgendeiner Organisation, der frühere SS-Angehörige angehören.

Vorsitzender Richter:

Jawohl.

Verteidiger Gerhardt:

Ich widerspreche auch dieser Frage. Vielleicht kann uns der Professor Kaul mal hier erzählen, von wem er bezahlt wird.

Vorsitzender Richter:

Herr Rechtsanwalt Gerhardt, ich wünsche hier keine persönlichen Unterredungen. Das wissen Sie genau.

Frau Zeugin, nachdem Sie über Ihre Person uns Auskunft gegeben haben, folgendes: Es hat uns ein Zeuge in der letzten Verhandlung erzählt, daß Ihr verstorbener Mann einmal einen Knöchelbruch gehabt haben soll und infolge dieses Knöchelbruchs eine Zeitlang seinen Dienst nicht hätte versehen können. Für uns ist es von Interesse, zu wissen, ob das wahr ist und was daran ist.

Staatsanwalt Kügler:

Herr Vorsitzender, darf ich Sie bitten, die Frage insoweit zu vervollständigen, daß uns der Zeuge erzählt hat, der damalige Lagerkommandant Höß sei vom Pferd gestürzt.

Vorsitzender Richter:

Wie Sie wollen.

Nebenklagevertreter Kaul:

Herr Direktor, ich bitte um Entschuldigung, wenn ich noch einmal Ihre weitere Befragung unterbrechen muß. Ich meine, daß es notwendig ist, erst hier Klarheit zu schaffen, ob die Fragen zur Person gestellt werden können.

Vorsitzender Richter:

Das ist keine Frage zur Person, sondern, wie Sie selbst ausgeführt haben, eine Frage zur Glaubwürdigkeit. Und über diese Frage wird gleich im Anschluß an die Vernehmung der Zeugin entschieden. Und dann können Sie die Frage eventuell noch stellen, wenn das Gericht sie zuläßt. Bitte schön.

Also Frau Höß, es ist so: Der Zeuge hat gesagt, Ihr verstorbener Mann sei damals in Auschwitz vom Pferde gestürzt und habe sich einen Knöchelbruch zugezogen, habe infolgedessen längere Zeit nicht seinem Dienst nachgehen können. Wissen Sie etwas davon?

Zeugin Hedwig Höß:

Ja.

Vorsitzender Richter:

Und was wissen Sie davon?

Zeugin Hedwig Höß:

Es war nicht der Knöchel, es waren die Rippen.

Vorsitzender Richter:

Bitte?

Zeugin Hedwig Höß:

Die Rippen hat er gebrochen.

Vorsitzender Richter:

Die Rippen hat er gebrochen?

Zeugin Hedwig Höß:

Ja.

Vorsitzender Richter:

Wissen Sie noch, wann das ungefähr gewesen ist?

Zeugin Hedwig Höß:

Nein, ich kann leider keine Zeit angeben. Ich kann nur soviel sagen: Es war zur Einäscherung von Frau Caesar, daß wir Ehefrauen mit den Wagen mitfahren durften und ich auf diesem Wege meinen Mann, ich glaube, in Nikolai im Lazarett besuchen durfte.

Vorsitzender Richter:

[Pause] Haben Sie damals mit Ihrem Mann zusammengewohnt in Auschwitz?

Zeugin Hedwig Höß:

Ja.

Vorsitzender Richter:

Und wissen Sie gar kein Jahr mehr, wann das gewesen sein kann?

Zeugin Hedwig Höß:

Es könnte 42 gewesen sein, aber ich weiß es nicht. Ich kann es nicht sagen.

Vorsitzender Richter:

Wissen Sie, zu welcher Jahreszeit es war, ob es Frühjahr, Sommer, Herbst oder Winter war?

Zeugin Hedwig Höß:

[Pause] Vielleicht Spätsommer. Aber ich weiß es wirklich nicht.

Vorsitzender Richter:

Ja. Wissen Sie, ob Ihr Mann in dieser Zeit längere Zeit im Bett lag oder krank war und seinem Dienst nicht nachgehen konnte?

Zeugin Hedwig Höß:

Ja, er lag im Krankenhaus oder Lazarett.

Vorsitzender Richter:

Im Lazarett?

Zeugin Hedwig Höß:

Und auch später noch daheim.

Vorsitzender Richter:

Und wissen Sie ungefähr, wie lang das Ganze gedauert hat?

Zeugin Hedwig Höß:

Nein. [...]

Vorsitzender Richter:

Waren es Wochen, Monate oder gar ein halbes Jahr oder noch länger?

Zeugin Hedwig Höß:

Ein üblicher Rippenbruch, ich weiß nicht.

Vorsitzender Richter:

Ja also, es gibt Rippenbrüche, wo die Leute überhaupt nicht ins Krankenhaus kommen. Und es gibt Rippenbrüche, die sehr schwer sind. Also das kommt ganz auf den einzelnen Fall an, das kann ich nicht so ohne weiteres beurteilen.

Zeugin Hedwig Höß:

Ich weiß es nicht.

Vorsitzender Richter:

Sie wissen gar nicht mehr, ob er Wochen oder Monate deshalb krank gelegen hat?

Zeugin Hedwig Höß:

Ein paar Wochen wird es [+ gewesen sein], aber ich kann es nicht sagen.

Vorsitzender Richter:

Sie können es nicht sagen. Herr Rechtsanwalt Eggert, Sie hatten die Zeugin benannt.

Verteidiger Eggert:

Frau Zeugin, können Sie sich daran erinnern, daß Sie einmal zusammen mit Ihrem Mann in Karlsbad waren zu einer Kur?

Zeugin Hedwig Höß:

Ja.

Verteidiger Eggert:

Können Sie sich daran erinnern, wann das war?

Zeugin Hedwig Höß:

Ja. Aber ich muß erst nachdenken. – November 42.

Verteidiger Eggert:

Danke schön. Wissen Sie zufällig, wer Ihren Mann im Lager vertreten hat, als er bei dieser Kur war?

Zeugin Hedwig Höß:

Nein.

Verteidiger Eggert:

Wissen Sie nicht. Und dann noch eine ganz andere Frage, von der ich auch nicht weiß, ob Sie sie beantworten können. Können Sie sich an einen Sturmbannführer namens Hartjenstein erinnern?

Zeugin Hedwig Höß:

[Pause] Ja. Aber an sich hatten wir wenig Verkehr. Ich bin wenig im Kasino gewesen, und es ist nur oberflächlich.

Verteidiger Eggert:

Können Sie seine äußere Erscheinung noch schildern?

Zeugin Hedwig Höß:

[Pause] Er war groß, hager. Aber es ist schon so lange her. Ich weiß...

Verteidiger Eggert:

Wissen Sie noch ein Charakteristikum der Nase oder der Augen oder der Haare?

Zeugin Hedwig Höß:

Nein.

Verteidiger Eggert:

Wissen Sie nicht.

Zeugin Hedwig Höß:

Er war ja meines Erachtens bei der Truppe. Ich weiß es aber nicht.

Verteidiger Eggert:

Sie wissen es also nicht mehr. Danke, ich habe keine weiteren Fragen.

Vorsitzender Richter:

Frau Zeugin, ich hätte noch eine Frage. Können Sie sich entsinnen, ob Ihr Mann vom Krankenbett aus Dienstgeschäfte wahrgenommen hat?

Zeugin Hedwig Höß:

Nein, das weiß ich nicht.

Vorsitzender Richter:

Das wissen Sie nicht, oder ist es nicht der Fall gewesen?

Zeugin Hedwig Höß:

Ich weiß es nicht.

Vorsitzender Richter:

Sie wissen es nicht. Und wie lange hat denn diese Kur in Karlsbad gedauert?

Zeugin Hedwig Höß:

Das waren nur zehn Tage.

Vorsitzender Richter:

Nur zehn Tage.

Verteidiger Eggert:

Ich habe noch eine Frage in diesem Zusammenhang.

Vorsitzender Richter:

42.

Verteidiger Eggert:

Im November 42. Können Sie sich daran erinnern, daß Sie damals in Karlsbad den jetzigen Angeklagten Mulka getroffen haben?

Zeugin Hedwig Höß:

Nein.

Verteidiger Eggert:

Danke.

Vorsitzender Richter:

Wir werden jetzt über die Frage des Rechtsanwalts Kaul entscheiden. [1]

Nebenklagevertreter Ormond:

Frau Zeugin, Ihr Mann selbst hat über diesen Reitunfall folgendes geschrieben: »bei dem Reitunfall 1942, wo ich gerade neben einem Stein zu liegen kam, als der schwere Hengst auf mich stürzte. So kam ich mit stumpfen Rippenbrüchen davon.« [2] Würde Ihnen das eine Gedächtnisstütze sein für die Dauer der Erkrankung?

Zeugin Hedwig Höß:

Nein. Leider nein.

Nebenklagevertreter Ormond:

Danke.

Vorsitzender Richter:

Herr Staatsanwalt, haben Sie noch eine Frage?

Staatsanwalt Kügler:

Frau Zeugin, in welchem Lazarett war Ihr Ehemann denn, nachdem das passiert war? Sie sagten, Sie seien nach Nikolai gefahren zur Beerdigung.

Zeugin Hedwig Höß:

Nein, wo die Einäscherung war, weiß ich nicht mehr. Aber ich meine, und ich kann es nicht mit Bestimmtheit sagen, das Lazarett war in Nikolai.

Staatsanwalt Kügler:

In Nikolai. Wo liegt denn das ungefähr? Liegt das weit von Auschwitz weg? Oder war es in der Nähe? Gut, Sie können es nicht mehr sagen. Ich darf der Zeugin aus der Vernehmung des Doktor Caesar von Blatt 10.528 [3] der Akten vorhalten, daß der Doktor Caesar angegeben hat, seine Frau sei im Oktober 1942 in Auschwitz an Typhus verstorben. Bietet Ihnen das nun eine weitere Erinnerungsstütze? Kann es Oktober 1942 gewesen sein?

Zeugin Hedwig Höß:

Ja, das ist es, ja. Das sagte ich ja schon.

Staatsanwalt Kügler:

Und ich darf dem Gericht in diesem Zusammenhang ein Blatt aus dem Tagebuch des Professors Kremer überreichen mit dem Antrag, die dortige Eintragung vom 6. Oktober 1942 zu verlesen. Und da heißt es, der Obersturmführer Entress sei vom Motorrad gefallen und der Kommandant Höß vom Pferd gestürzt.

Vorsitzender Richter:

Danke schön. Sie haben eben einen Vorhalt gemacht aus der Vernehmung Caesar.

Staatsanwalt Kügler:

Blatt 10.528.

Vorsitzender Richter:

Da steht aber...

Staatsanwalt Kügler:

Der vorletzte Absatz, drittletzte Zeile: »Meine«

Vorsitzender Richter [unterbricht]:

»Meine Frau ist im Oktober 42 in Auschwitz an Typhus verstorben.« Ja. Oktober 42. Die Zeugin hat gesagt, es könnte also im Spätsommer gewesen sein. Sie konnte sich genau nicht festlegen. Aber das würde mit dieser Bekundung übereinstimmen.

Staatsanwalt Kügler:

Und zusätzlich 6. Oktober.

Vorsitzender Richter:

»6. Oktober: Obersturmführer Entress auf seinem Motorrad gestürzt. Verband angelegt. Der Kommandant Höß vom Pferde gestürzt. Obersturmführer Wirths noch immer nicht zurück.« 6. Oktober 42. [4] Ja, das würde also zeitlich alles übereinstimmen. Sonst sind

Staatsanwalt Kügler [unterbricht]:

Darf ich die formelle Verlesung dieser Tagebucheintragung beantragen?

Vorsitzender Richter:

Ja.

Verteidiger Eggert:

Halte ich für prozessual unzulässig. Denn wenn ich mich erinnere, lebt der Zeuge Kremer ja noch. Müßte er dann als eigene Bekundung hier geben. Aber ich glaube, wir brauchen uns über diesen Teil der Angelegenheit nicht weiter zu streiten.

Staatsanwalt Kügler:

Der Professor Kremer hat die Identität dieser Fotokopie mit dem von ihm verfaßten Tagebuch bestätigt. Infolgedessen sehe ich nicht das geringste Bedenken, eine Eintragung in diesem Tagebuch verlesen zu lassen.

Vorsitzender Richter:

Ja, also zunächst kann sie ohne weiteres verlesen werden, um ihre Existenz zu beweisen.

Staatsanwalt Kügler:

Eben.

Verteidiger Eggert:

Der Herr Staatsanwalt will aber nicht die Existenz der Fotokopie beweisen, sondern er will beweisen, daß der Kommandant Höß am 6. Oktober vom Pferd gefallen ist. Und das ist der Inhalt einer Zeugenaussage.

Staatsanwalt Kügler:

Mir ist es an sich gleichgültig, wann er vom Pferd gefallen ist. Ich will lediglich damit beweisen, daß auf dieser Fotokopie steht, daß der Kommandant Höß an diesem Tag vom Pferd gefallen ist.

Nebenklagevertreter Raabe:

Ich würde sagen, es ist aber zumindest damit bewiesen, daß es am 6. Oktober geschrieben worden ist. Das wäre schon sehr wichtig.

Vorsitzender Richter:

Also wir werden dann auch darüber beschließen. [5]

Verteidiger Gerhardt:

[...] Frau Zeugin, wie sind die Akten denn von der Kommandantur in die sogenannte Villa Höß verbracht worden? Wissen Sie das noch?

Vorsitzender Richter:

Was für Akten?

Verteidiger Gerhardt:

Die Dienstakten, die der Kommandant Höß bearbeitet hat. Meine Frage an die Zeugin: Wie sind die von der Kommandantur in die Villa verbracht worden?

Vorsitzender Richter:

Ja zunächst, Herr Rechtsanwalt, müßte man doch einmal feststellen, ob überhaupt Akten dorthin verbracht worden sind.

Verteidiger Gerhardt:

Ich kann die Frage auch in diese [+ Richtung stellen]. Aber ich möchte dann konkret gleich fragen, weil hier möglicherweise Widersprüche kommen: Kennen Sie den Angeklagten Baretzki?

Vorsitzender Richter:

Kennen Sie einen Angeklagten Baretzki?

Zeugin Hedwig Höß:

Nein.

Vorsitzender Richter:

Welchen Dienstrang hatte er?

Verteidiger Gerhardt:

Der Angeklagte Baretzki, und deswegen meine Frage hier, hat sich dahingehend eingelassen, daß er Läufer der Kommandantur gewesen sei, und zwar im Frühjahr 1943. Daß er die Akten von der Kommandantur in die Villa Höß verbracht habe und da wiederholt hier die Zeugin gesehen habe. Deswegen meine Frage, ob sie sich möglicherweise an diesen Angeklagten entsinnen kann.

Vorsitzender Richter:

Was war er damals?

Verteidiger Gerhardt:

Läufer, Läufer der Kommandantur.

Vorsitzender Richter:

Ja, und ein Dienstgrad? SS-Mann oder Sturmmann oder?

Verteidiger Gerhardt:

Ja, Sturmmann.

Vorsitzender Richter:

Sturmmann. Also kennen Sie einen Sturmmann Baretzki, der öfter in Ihrem Haus gewesen sein soll und auch Akten dorthin gebracht haben soll?

Zeugin Hedwig Höß:

Namen sagen mir nichts.

Verteidiger Gerhardt:

Ja, vielleicht können Sie sich den mal ansehen, den Angeklagten Baretzki, Frau Zeugin.

Vorsitzender Richter:

Ja, stehen Sie mal auf.

Zeugin Hedwig Höß:

Ja.

Vorsitzender Richter:

Sie glauben, daß Sie sich an ihn erinnern?

Zeugin Hedwig Höß:

Ja.

Vorsitzender Richter:

Ja.

Verteidiger Gerhardt:

Können Sie sich entsinnen, ob das noch im Frühjahr 1943 der Fall war, daß Sie ihn dort gesehen haben? Halten Sie es für möglich?

Zeugin Hedwig Höß:

Ja, das ist möglich.

Verteidiger Gerhardt:

Danke.

Vorsitzender Richter:

So. Bitte schön.

Ergänzungsrichter Hummerich:

Frau Zeugin, Sie sagten, daß Sie zehn Tage im November 1942 in Karlsbad zur Kur waren.

Zeugin Hedwig Höß:

Ja.

Ergänzungsrichter Hummerich:

Waren da die Folgen des Reitunfalls Ihres Mannes behoben?

Zeugin Hedwig Höß:

Ja.

Ergänzungsrichter Hummerich:

Danke schön.

Staatsanwalt Kügler:

Ich habe ein Frage bitte, Herr Vorsitzender.

Vorsitzender Richter:

Bitte schön.

Staatsanwalt Kügler:

Haben Sie den Angeklagten, damaligen Adjutanten Mulka gekannt, Frau Zeugin?

Zeugin Hedwig Höß:

Ja.

Staatsanwalt Kügler:

Ist er öfters in Ihrem Haus gewesen?

Zeugin Hedwig Höß:

[Pause] Öfters? Kann man nicht sagen.

Staatsanwalt Kügler [unterbricht]:

Das wissen Sie nicht mehr, das können Sie nicht sagen. Haben Sie aufgrund irgendwelcher konkreter Erfahrungen aus der damaligen Zeit eine Vorstellung darüber, was der Adjutant gemacht hat im Lager?

Zeugin Hedwig Höß:

Nein.

Staatsanwalt Kügler:

Darüber können Sie nichts sagen? Hat er Ihren Ehemann vertreten?

Zeugin Hedwig Höß:

Das weiß ich nicht.

Staatsanwalt Kügler:

Das wissen Sie alles nicht? Gab es außer dem Angeklagten Mulka zur damaligen Zeit noch einen anderen Adjutanten?

Zeugin Hedwig Höß:

[Pause] Ich weiß nicht.

Staatsanwalt Kügler:

Das wissen Sie nicht. Danke schön.

Vorsitzender Richter:

Sie haben uns vorhin eine Beschreibung gegeben über die Person des Hartjenstein. Konnte man Hartjenstein eventuell mit Mulka verwechseln, wenn man ihn nicht näher kannte?

Zeugin Hedwig Höß:

Das kann ich heute beim besten Willen nicht mehr sagen.

Vorsitzender Richter:

Können Sie nicht mehr sagen.

Es wird dann folgender Beschluß verkündet: Die Fragen des Rechtsanwalts Doktor Kaul an die Zeugin Höß, wovon sie lebe, ob sie von dritter Seite, etwa von einer Organisation, unterstützt werde, werden als nicht zur Sache gehörig zurückgewiesen. Die Stellung dieser Fragen ist auch nicht erforderlich zur Überprüfung der Glaubwürdigkeit der Zeugin.

Zweitens: Der Antrag der Staatsanwaltschaft auf Verlesung der Fotokopie des Eintrags des Zeugen Kremer in seinem Tagebuch vom 6. Oktober 42 wird zurückgewiesen, da der Zeuge noch lebt und zu der durch die Verlesung etwa zu beweisenden Tatsache vernommen werden kann. [6]

Frau Zeugin, können Sie das, was Sie gesagt haben, mit gutem Gewissen beschwören?

Zeugin Hedwig Höß:

Ja.

Vorsitzender Richter:

Wollen Sie den Eid in religiöser oder in bürgerlicher

  1. Die Fragen von Nebenklagevertreter Kaul an die Zeugin Höß wurden zurückgewiesen. Siehe unten.
  2. Kommandant in Auschwitz. Autobiographische Aufzeichnungen von Rudolf Höß. Eingeleitet und kommentiert von Martin Broszat. Stuttgart: Deutsche Verlags-Anstalt, 1958, S. 151; München: Deutscher Taschenbuch Verlag, 1963, S. 155,
  3. Vgl. staatsanwaltschaftliche Vernehmung vom 14.11.1961 in Konstanz, 4 Ks 2/63, Hauptakten, Bd. 57, Bl. 10.528.
  4. Auschwitz in den Augen der SS, S. 158.
  5. Der Antrag der Staatsanwaltschaft auf Verlesung des Tagebucheintrags des Zeugen Kremer wurde zurückgewiesen. Siehe unten.
  6. Vgl. Protokoll der Hauptverhandlung vom 19.11.1964, 4 Ks 2/63, Hauptakten, Bd. 04, Bl. 937 f.
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