Zeuge Anton Glaser
1. Frankfurter Auschwitz-Prozess
»Strafsache gegen Mulka u.a.«, 4 Ks 2/63
Landgericht Frankfurt am Main
88. Verhandlungstag, 11.9.1964
Vernehmung des Zeugen Anton Glaser
Vorsitzender Richter:
[+ Sind Sie damit einverstanden, daß] wir Ihre Aussage auf ein Tonband nehmen zum Zweck der Stützung des Gedächtnisses des Gerichts?
Zeuge Anton Glaser:
Jawohl.
Vorsitzender Richter:
Danke schön. [Pause] Herr Glaser, zunächst Ihre Personalien: Sie heißen mit Vornamen?
Zeuge Anton Glaser:
Anton.
Vorsitzender Richter:
Anton Glaser. Wie alt sind Sie?
Zeuge Anton Glaser:
4.9.11.
Vorsitzender Richter:
Nun, wie alt sind Sie dann?
Zeuge Anton Glaser:
53.
Vorsitzender Richter:
53 Jahre alt. Sind verheiratet?
Zeuge Anton Glaser:
Verheiratet.
Vorsitzender Richter:
Von Beruf?
Zeuge Anton Glaser:
Kaufmann.
Vorsitzender Richter:
Wohnhaft in?
Zeuge Anton Glaser:
Brandau.
Vorsitzender Richter:
Kreis Darmstadt.
Zeuge Anton Glaser:
Kreis Darmstadt.
Vorsitzender Richter:
Und sind nicht verwandt und nicht verschwägert mit den Angeklagten?
Zeuge Anton Glaser:
Nein.
Vorsitzender Richter:
Nein. Herr Glaser, zunächst ganz kurz Ihren Werdegang: Sie sind geboren in Jokes, Kreis Karlsbad.
Zeuge Anton Glaser:
Jokes, Kreis Karlsbad.
Vorsitzender Richter:
Sie waren der Sohn eines Kaufmanns und Landwirts.
Zeuge Anton Glaser:
Ja.
Vorsitzender Richter:
Sie haben die Volksschule besucht, dann die Bürgerschule noch ein Jahr, haben den kaufmännischen Beruf erlernt, haben sich im Jahr 35 verheiratet.
Zeuge Anton Glaser:
Ja.
Vorsitzender Richter:
Und nach dem Anschluß des Sudetenlandes sind Sie im Jahr 1938 in die NSDAP eingetreten und wurden gleichzeitig Mitglied der Allgemeinen SS.
Zeuge Anton Glaser:
Ja.
Vorsitzender Richter:
Sie sind dann im Gemeinderat gewesen und wurden Anfang des Kriegs in eine Landesschützeneinheit eingezogen, wurden dort aber wieder entlassen, weil Sie Angehöriger der SS waren und deshalb zur Waffen-SS eingezogen werden sollten.
Zeuge Anton Glaser:
Ja.
Vorsitzender Richter:
Das geschah im Januar 1940. Stimmt es?
Zeuge Anton Glaser:
Stimmt, ja, 1940.
Vorsitzender Richter:
Und zwar sind Sie zunächst nach Oranienburg eingezogen worden, wurden dann bei den Pionieren in Dresden ausgebildet, kamen zu einer SS-Einheit nach Lublin, blieben dort bis 1940 im Oktober und wurden dann zu einer SS-Totenkopfeinheit beziehungsweise einem Sturmbann nach Auschwitz versetzt. Soweit stimmt es?
Zeuge Anton Glaser:
Ja.
Vorsitzender Richter:
Nun, wo kamen Sie hin in Auschwitz, zu welcher Arbeit, beziehungsweise welchen Aufgabenbereich bekamen Sie dort?
Zeuge Anton Glaser:
Ich war erst bei der 1. Kompanie als Wachposten, und 41 kam ich zur Fahrbereitschaft.
Vorsitzender Richter:
Wie lang waren Sie bei der 1. Kompanie, einige Wochen?
Zeuge Anton Glaser:
Da war ich so 15 Monate vielleicht.
Vorsitzender Richter:
Sie kamen dorthin im Oktober 40. Das war also 41, vielleicht im März 42, ja?
Zeuge Anton Glaser:
Ich kam so im Jänner oder Februar zur Fahrbereitschaft, 42.
Vorsitzender Richter:
Und dort blieben Sie bis?
Zeuge Anton Glaser:
Bis 44, Oktober.
Vorsitzender Richter:
Bis Oktober 44. Und sind als Unterscharführer dort weggegangen?
Zeuge Anton Glaser:
Ja.
Vorsitzender Richter:
Ja. Sie kamen dann noch mal zum Fronteinsatz, wurden auch verwundet, kamen noch einmal zur Westfront und wurden dann gefangengenommen.
Zeuge Anton Glaser:
Ja.
Vorsitzender Richter:
Als Sie bei der Wachkompanie waren, wissen Sie noch, wie Ihr Kompaniechef hieß?
Zeuge Anton Glaser:
Der Kompaniechef war einige Zeit auch Herr Mulka.
Vorsitzender Richter:
Herr Mulka.
Zeuge Anton Glaser:
Ja.
Vorsitzender Richter:
Aha. Was war der Herr Mulka?
Zeuge Anton Glaser:
Der war Kompaniechef bei mir, bei der 1. Kompanie.
Vorsitzender Richter:
Ja. Hat er außerdem noch ein weiteres Amt gehabt?
Zeuge Anton Glaser:
Ja, wohin er dann nachher versetzt worden ist, das weiß ich dann nicht.
Vorsitzender Richter:
Und als er Kompaniechef war, war er da auch gleichzeitig Adjutant?
Zeuge Anton Glaser:
Nein.
Vorsitzender Richter:
Damals nicht. War er nur Ihr Kompaniechef?
Zeuge Anton Glaser:
War nur mein Kompaniechef.
Vorsitzender Richter:
Ja. Und wo wurden Sie damals eingesetzt, als Sie bei der Wachkompanie waren?
Zeuge Anton Glaser:
Wachposten.
Vorsitzender Richter:
Wachposten. Und zwar wo, bei der inneren oder äußeren Postenkette?
Zeuge Anton Glaser:
Es wurde gewechselt, einmal bei der inneren, mal bei der äußeren.
Vorsitzender Richter:
Ja. Wo haben Sie denn bei der inneren Postenkette Posten gestanden? Das heißt, im Lager Auschwitz I oder...
Zeuge Anton Glaser:
Hauptlager, oben im Stammlager.
Vorsitzender Richter:
Im Stammlager. Und zwar immer an derselben Stelle, oder hat das gewechselt?
Zeuge Anton Glaser:
Es wurde gewechselt.
Vorsitzender Richter:
Das wurde gewechselt. Und lief um dieses Stammlager eine Stacheldrahtumzäunung?
Zeuge Anton Glaser:
Ja.
Vorsitzender Richter:
War die mit elektrischem Strom geladen?
Zeuge Anton Glaser:
Ja.
Vorsitzender Richter:
Tag und Nacht?
Zeuge Anton Glaser:
Ob über Tag, weiß ich nicht.
Vorsitzender Richter:
Sie haben bei Ihrer Vernehmung bei der Staatsanwaltschaft am 18.10.1960 – Vorhalt aus Blatt 6.726 – gesagt: »Die Stacheldrahtumzäunung selbst stand Tag und Nacht unter Starkstrom.«[1]
Zeuge Anton Glaser:
Ja, das weiß ich nicht mehr genau.
Vorsitzender Richter:
Das wissen Sie heute nicht mehr genau.
Zeuge Anton Glaser:
Also in der Nacht auf jeden Fall.
Vorsitzender Richter:
Nun, sind Sie außerdem auch als Begleitposten zu Arbeitskommandos eingeteilt worden?
Zeuge Anton Glaser:
Da war ich noch nicht Unterscharführer.
Vorsitzender Richter:
Sie waren vermutlich überhaupt, solange Sie bei der Wachkompanie waren, noch nicht Unterscharführer.
Zeuge Anton Glaser:
Nein.
Vorsitzender Richter:
Sehen Sie. Also Ihre ganze Zeit bei der Wachkompanie waren Sie noch nicht Unterscharführer. Und nun habe ich Sie gefragt, ob Sie auch eingeteilt worden seien bei Arbeitskommandos. Stimmt das?
Zeuge Anton Glaser:
Bei Arbeitskommandos als Wachposten?
Vorsitzender Richter:
Ja. Ich kann mir sonst keine Verrichtung vorstellen, die Sie gehabt hätten.
Zeuge Anton Glaser:
Da war ein Unterführer, und da waren fünf, sechs Posten dabei, sind auf Arbeitskommando.
Vorsitzender Richter:
Da war ein Unterführer und was noch?
Zeuge Anton Glaser:
Na, fünf, sechs Posten, je nachdem die Zahl war da.
Vorsitzender Richter:
Fünf, sechs Posten.
Zeuge Anton Glaser:
Ja, ja.
Vorsitzender Richter:
Wie groß war denn dann das Kommando selbst, wenn da fünf, sechs Posten und ein Unterführer tätig waren?
Zeuge Anton Glaser:
15, 20 Häftlinge.
Vorsitzender Richter:
20 Häftlinge mit sechs Soldaten. Das scheint mir doch ein bissel reichlich hoch gegriffen zu sein. Nun ja, wo hatten Sie denn diese Arbeitskommandos hinzuführen?
Zeuge Anton Glaser:
Ach, da waren Feldarbeiten, Abbrucharbeiten.
Vorsitzender Richter:
Ja.
Zeuge Anton Glaser:
Kanalisierung oder Drainagen legen in der Landwirtschaft.
Vorsitzender Richter:
Und was hatten Sie für eine Aufgabe?
Zeuge Anton Glaser:
Ich hatte die Aufgabe, daß keiner durchgeht von den Häftlingen, aufzupassen.
Vorsitzender Richter:
Nun ja, Sie hatten das mal sehr viel präziser ausgedrückt bei Ihrer Vernehmung. Sie hatten zunächst morgens die Leute am Tor zu übernehmen. Stimmt das?
Zeuge Anton Glaser:
Die wurden am Tor übernommen, ja.
Vorsitzender Richter:
Ja. Und hatten Sie abends wieder zu derselben Stelle zurückzubringen.
Zeuge Anton Glaser:
Zurückgebracht, ja.
Vorsitzender Richter:
Da haben Sie gesagt: »Durchschnittlich entfielen auf zehn Häftlinge zwei Posten.«[2]
Zeuge Anton Glaser:
Ja.
Vorsitzender Richter:
Stimmt das?
Zeuge Anton Glaser:
Stimmt so, ja. Das waren oft zehn, zwölf. Es war ungleichmäßig.
Vorsitzender Richter:
Nun, und was hatten Sie für eine Belehrung wegen der Fluchtversuche und wegen eventueller fliehender Häftlinge?
Zeuge Anton Glaser:
Bei Fliehen sollte von der Waffe Gebrauch gemacht werden.
Vorsitzender Richter:
Ja. Und wie war da im einzelnen Ihre Vorschrift?
Zeuge Anton Glaser:
Die Vorschrift, wie die gelautet hat?
Vorsitzender Richter:
Ja. Sie haben doch Instruktionsstunde bekommen, nicht.
Zeuge Anton Glaser:
Ja.
Vorsitzender Richter:
Haben Sie doch gesagt bekommen, was Sie zu tun und zu lassen hätten. Was hat man Ihnen denn gesagt?
Zeuge Anton Glaser:
Auf Rufen, wenn er nicht hält, dann schießen. Auch bei Durchbruch
Vorsitzender Richter [unterbricht]:
Also zunächst einmal rufen, nicht.
Zeuge Anton Glaser:
Ja.
Vorsitzender Richter:
Höre ich eben. Also das heißt, Sie sollten die Leute anrufen. Wievielmal? Einmal, zweimal, dreimal?
Zeuge Anton Glaser:
Ja, das weiß ich auch nicht mehr.
Vorsitzender Richter:
Das wissen Sie nicht mehr. Und wenn nach dem Anruf der Häftling nicht stehenblieb, dann sollten Sie?
Zeuge Anton Glaser:
Wurde geschossen.
Vorsitzender Richter:
Ja, und zwar sollten das gezielte Schüsse sein, oder sollten das Warnschüsse sein oder was?
Zeuge Anton Glaser:
[Pause] Ja, das sollten Zielschüsse sein.
Vorsitzender Richter:
Ja. Sollten gezielte Schüsse sein. Und wer hat Ihnen denn diese Instruktionen gegeben? Der Kompaniechef?
Zeuge Anton Glaser:
Der Lagerführer, Kommandant Höß.
Vorsitzender Richter:
Wie, der Kommandant Höß? Hat der sich persönlich gekümmert um die einzelnen Wachsoldaten?
Zeuge Anton Glaser:
Oder der Kompaniechef hat da die Ansprache gehalten.
Vorsitzender Richter:
Der Kompaniechef hat eine Ansprache gehalten. Wer war denn der Kompaniechef?
Zeuge Anton Glaser:
Ja, da war so viel Wechsel, das weiß ich auch nicht mehr.
Vorsitzender Richter:
Das wissen Sie nicht. Na ja. Sind denn auch Häftlinge auf der Flucht erschossen worden?
Zeuge Anton Glaser:
Bei mir nicht, bei meinem Kommando.
Vorsitzender Richter:
Sind denn Häftlinge an den geladenen Stacheldraht gegangen?
Zeuge Anton Glaser:
Bei mir auch nicht.
Vorsitzender Richter:
Bei Ihnen auch nicht. Ist denn so was überhaupt vorgekommen? Haben Sie mal etwas davon gehört?
Zeuge Anton Glaser:
Vorgekommen ist es, ja.
Vorsitzender Richter:
Ja. Haben Sie auch mal etwas gehört von dem »Mützewerfen«?
Zeuge Anton Glaser:
Habe ich auch gehört vom Erzählen.
Vorsitzender Richter:
Was war denn das?
Zeuge Anton Glaser:
Ja ich persönlich habe es nicht gesehen.
Vorsitzender Richter:
Nun, was haben Sie denn gehört darüber? [Pause] Was haben Sie denn davon gehört?
Zeuge Anton Glaser:
Habe ich erzählen hören.
Vorsitzender Richter:
Ja was denn? Was denn?
Zeuge Anton Glaser:
Sie haben erzählt, daß sie Mützen werfen und haben dann drauf geschossen. Ob das stimmt, weiß ich nicht.
Vorsitzender Richter:
Das geht alles so schnell. Drücken Sie sich doch einmal langsam aus, damit man es auch versteht. Sie haben erzählt, daß man was getan hat?
Zeuge Anton Glaser:
Sie haben erzählt, daß er die Mützen wirft, und die laufen nach und haben geschossen. Wurde erzählt, aber persönlich ist das bei meinem Kommando nicht vorgekommen.
Vorsitzender Richter:
Also Herr Zeuge, ich muß Sie bitten, sich doch hier schon mal ein bißchen mehr zusammenzunehmen, nicht. »Man hat erzählt, daß sie Mützen werfen, und dann haben sie geschossen.« Wer hat Mützen geworfen, und welche Mützen sind geworfen worden, und wohin sind die geworfen worden?
Zeuge Anton Glaser:
Ja, das weiß ich nicht. Da war ich nicht dabei. Mir wurde dies nur erzählt.
Vorsitzender Richter:
Ist es denn so gewesen, daß die Begleitmannschaften die Mützen der Häftlinge fortgeworfen haben, den Häftlingen befohlen haben, die Mützen wieder zurückzubringen, und wenn die Häftlinge danach gesprungen sind, daß sie dann erschossen worden sind? Ist Ihnen das erzählt worden?
Zeuge Anton Glaser:
Ja, mir ist so etwas erzählt worden. Ob das stimmt, das weiß ich nicht, persönlich habe ich das nicht gesehen.
Vorsitzender Richter:
Ich habe Sie jetzt nicht gefragt, ob das stimmt, sondern ich habe Sie gefragt, ob Ihnen das so erzählt worden ist.
Zeuge Anton Glaser:
Ja, erzählt ist es worden.
Vorsitzender Richter:
So ist es Ihnen erzählt worden. Sehen Sie. Also wissen Sie doch ganz genau, was Ihnen erzählt worden ist. Ob das stimmt, wissen Sie nicht, sagen Sie. Sie hätten das niemals erlebt. [Pause] Haben Sie selbst nicht einmal
Vorsitzender Richter:
Ja. Also das gehört auch zu diesen Fragen, auf die Sie die Antwort verweigern können. Ich habe hier ein Schreiben der Kommandantur des Konzentrationslagers Auschwitz vom 15. August 1942 vorliegen. »Betrifft Erschießung von Häftlingen auf der Flucht.« Da sind dann [...] 20 Häftlinge aufgeführt. Dieser Bericht geht an das SS- und Polizeigericht XV in Breslau. Und da ist überreicht unter anderem auch ein Bericht gegen einen SS-Rottenführer Anton Glaser, 1. Kompanie SS-Totenkopfsturmbann. »Wegen Erschießung der umseitig genannten Häftlinge auf der Flucht. Es wird um Einstellung der Ermittlungsverfahren und um Freigabe der Leichen zur Feuerbestattung gebeten, da die Posten gemäß ihren Anweisungen und nicht rechtswidrig handelten.«[3] Unterschrieben: Höß, SS-Obersturmbannführer und Kommandant.
Nun, haben Sie jetzt etwas anderes zu sagen? [Pause] Können Sie sich jetzt darauf entsinnen, daß bei Ihnen ein Mann auf der Flucht erschossen worden ist?
Zeuge Anton Glaser:
Nein, weiß ich nicht.
Vorsitzender Richter:
Herr Glaser, ich habe Sie belehrt, daß Sie das Recht haben, die Antwort auf diese Frage zu verweigern. Wenn Sie nein sagen, und es stimmt doch, würden Sie, wenn Sie nachher beeidigt werden, einen Meineid schwören. Andernfalls sich einer falschen Aussage vor Gericht schuldig machen. Ich mache Sie ausdrücklich darauf aufmerksam. Schreiben Sie es ins Protokoll.[4]
Zeuge Anton Glaser:
Das war einmal, sind aber dort nicht 20, sondern drei sind da entlaufen.
Vorsitzender Richter:
Was ist los?
Zeuge Anton Glaser:
Drei.
Vorsitzender Richter:
Was ist drei?
Zeuge Anton Glaser:
Aber keine 20, ein Ausbruch war das nicht. Drei sind einmal durchgegangen.
Vorsitzender Richter:
Drei sind mal entlaufen. Und was geschah mit den dreien, die entlaufen sind?
Zeuge Anton Glaser:
Das war oben. Da haben die geschossen da oben. Links noch, weiter oben, so 200 Meter über mir. Das weiß ich.
Vorsitzender Richter:
Wer hat geschossen? Sie nicht?
Zeuge Anton Glaser:
Nein, ich habe nicht geschossen.
Vorsitzender Richter:
Nein. Aber deshalb hat man nachher gegen Sie einen Tatbericht eingereicht, weil Sie gar nicht geschossen haben?
Zeuge Anton Glaser:
Es ist möglich, daß sie da in der Postenkette die und die aufgenommen haben.
Vorsitzender Richter:
Herr Glaser, ich sage Ihnen ganz offen, daß ich Ihnen das nicht glaube, was Sie uns jetzt erzählt haben. Denn wenn ein Tatbericht gegen Sie eingereicht worden ist, und das Gericht hat das Verfahren eingestellt, dann wissen Sie etwas davon. Denn ohne Ihr Wissen und ohne Ihre Kenntnis konnte man das nicht machen und hat es nicht gemacht.
Zeuge Anton Glaser:
Da sind drei durchgegangen. Eins, zwei, drei, vier, sechs, sieben, acht Posten, und [+ sie] haben die Posten darunter aufgeschrieben.
Vorsitzender Richter:
Also sehen Sie Herr Glaser, jetzt wissen Sie doch plötzlich, a) daß
Zeuge Anton Glaser [unterbricht]:
Da war aber kein Ausbruch von 20 Mann, sondern es waren nur drei oder vier Mann.
Vorsitzender Richter:
Ich habe Sie nicht nach einem Ausbruch von 20 Mann gefragt, sondern ich habe Sie gefragt, ob Sie uns etwas davon sagen können, daß Leute auf der Flucht erschossen worden sind. Und da haben Sie gesagt: »Nein, ich habe zwar davon gehört, aber ich selbst habe etwas Derartiges nicht erlebt.«
Zeuge Anton Glaser:
Das war eine Verwechslung, war ein Ausbruch von 20 Mann, wie gesagt wurde. Und es war aber nur
Vorsitzender Richter [unterbricht]:
Diese 20 Mann habe ich Ihnen erst vorgehalten, nachdem Sie uns gesagt haben, Sie hätten von nichts was gehört und wüßten von nichts. Und ich habe Ihnen auch nicht gesagt, daß 20 Mann gemeinschaftlich einen Ausbruchsversuch gemacht haben, sondern ich habe nur vorgelesen: »Betrifft Erschießung von Häftlingen auf der Flucht.« Und da habe ich gesagt, damals sind 20 Häftlinge erschossen worden. Daß die gemeinschaftlich einen Ausbruch gemacht haben, davon habe ich kein Wort gesagt. Denn das weiß ich selbst nicht.
Zeuge Anton Glaser:
Das war dann eine Verwechslung.
Vorsitzender Richter:
Ja, ja, eine Verwechslung. Ich muß Sie darauf aufmerksam machen, Herr Glaser, wenn Sie uns hier anlügen...
Zeuge Anton Glaser:
Nein, ich lüge nicht.
Vorsitzender Richter:
Dann werden Sie die Konsequenzen zu ziehen haben, nicht. [Pause] Sehen Sie mal, ob da noch was dabei ist. [Pause]
Nun, das war also Ihre Tätigkeit bei der Wachkompanie. Dann sind Sie zur Fahrbereitschaft gekommen. Wann war das?
Zeuge Anton Glaser:
42, im Jänner oder Feber. Das weiß ich nicht mehr genau.
Vorsitzender Richter:
Ja. Sie haben bei Ihrer staatsanwaltschaftlichen Vernehmung gesagt, »im Sommer 1942«.[5]
Zeuge Anton Glaser:
Oder war es Sommer 42.
Vorsitzender Richter:
Und im Lager Monowitz waren Sie nicht?
Zeuge Anton Glaser:
War ich nicht, nein.
Vorsitzender Richter:
Obwohl das der Zeuge Fürstenberg[6] einmal bekundet hat. Nun waren Sie also bei der Fahrbereitschaft. Wer war denn da Fahrdienstleiter?
Zeuge Anton Glaser:
Wiegand.
Vorsitzender Richter:
Wiegand. Und wem unterstand denn die ganze Fahrbereitschaft?
Zeuge Anton Glaser:
Der Kommandantur.
Vorsitzender Richter:
Und wer wiederum bei der Kommandantur war der Vorgesetzte der Fahrbereitschaft?
Zeuge Anton Glaser:
Bei der Kommandantur Vorgesetzter?
Vorsitzender Richter:
Ja. Wer war denn derjenige, der für die Fahrbereitschaft zuständig war bei der Kommandantur?
Zeuge Anton Glaser:
Der Kommandant Höß oder der Stellvertreter, der Adjutant.
Vorsitzender Richter:
Und der Adjutant. Und war das noch der Herr Mulka?
Zeuge Anton Glaser:
[Pause] Wann der Herr Mulka Adjutant war, das weiß ich nicht mehr.
Vorsitzender Richter:
[Pause] Sie haben ein sehr schlechtes Gedächtnis bekommen in den letzten zwei Jahren. Denn Sie haben 1960 noch ausgesagt: »Mulka war 1942/43 Adjutant von Höß. Er kam öfter zu uns, als ich bei der Fahrbereitschaft war.«[7] Damals haben Sie es noch gewußt. Heut wissen Sie es nicht mehr. Nun weiter. Was hatten Sie denn zu tun bei dieser Fahrbereitschaft?
Zeuge Anton Glaser:
Ich war Pkw-Fahrer bei der Fahrbereitschaft.
Vorsitzender Richter:
Pkw-Fahrer. Und zwar wen haben Sie denn da gefahren und welchen Wagen?
Zeuge Anton Glaser:
Welchen Wagen?
Vorsitzender Richter:
Ja. Welchen Wagen haben Sie denn gefahren?
Zeuge Anton Glaser:
Ach, da waren zehn, vielleicht 30 Pkws, verschiedene Typen. Ach so, welcher
Vorsitzender Richter [unterbricht]:
Sie müssen ein bißchen deutlicher sprechen, ich verstehe Sie
Zeuge Anton Glaser [unterbricht]:
[unverständlich] Fahrer. So Offiziere. Den, jenen.
Vorsitzender Richter:
Sprechen Sie doch in das Mikrofon hinein. Sie brauchen nicht zu schreien, Sie brauchen nur in das Mikrofon zu sprechen. Ich will wissen, was für eine Art von Wagen Sie gefahren haben. Das werden Sie doch vielleicht noch wissen.
Zeuge Anton Glaser:
DKW, Opel, Mercedes. Da waren alle, Adler, Citroen.
Vorsitzender Richter:
Und wen haben Sie in diesen Wagen gefahren?
Zeuge Anton Glaser:
Da war Herr Hauptsturmführer Polenz. Sell habe ich mal gefahren.
Vorsitzender Richter:
Der Hauptsturmführer Polenz, was hatte denn der für eine Aufgabe?
Zeuge Anton Glaser:
Der war bei der Verwaltung.
Vorsitzender Richter:
Der war bei der Verwaltung. Und wen haben Sie sonst noch gefahren?
Zeuge Anton Glaser:
Sell und, ja, wie hat er geheißen, Baumgärtner. Dann war noch ein Adjutant, der hat so ein Knie gehabt. Ich weiß nicht, wie der heißt.
Vorsitzender Richter:
Wo sind die denn hingefahren, diese Herren?
Zeuge Anton Glaser:
Von der Wohnung abzuholen, zur Kommandantur. Oder ich habe von Kattowitz Offiziere abgeholt zur Inspektion oder von Myslowitz. Dann bin ich auch öfters zum HKB gefahren. [+ Habe] eingekauft mit dem Hauptscharführer Fritzsch.
Vorsitzender Richter:
Und haben Sie für diese Fahrten einen Fahrbefehl gebraucht?
Zeuge Anton Glaser:
War ein Fahrbefehl, ja, und ein Fahrtenbuch.
Vorsitzender Richter:
Und wer hat den Fahrbefehl unterschrieben?
Zeuge Anton Glaser:
Die Kommandantur, Höß, oder stellvertretend Baumgärtner, der Adjutant.
Vorsitzender Richter:
Höß oder der Adjutant. Haben Sie auch Fahrbefehle von Mulka gesehen?
Zeuge Anton Glaser:
Weiß ich nicht mehr.
Vorsitzender Richter:
Das wissen Sie nicht mehr. Und wie war es denn mit den Lkws? Was haben die denn für eine Aufgabe gehabt?
Zeuge Anton Glaser:
Mit den Lkws hatte ich nichts zu tun. Das war unten in der Praga-Halle.
Vorsitzender Richter:
Da hatten Sie nichts damit zu tun. Aber was hatten die denn für Fahrten zu erledigen?
Zeuge Anton Glaser:
Die haben Transporte, die Häftlingstransporte...
Vorsitzender Richter:
Häftlingstransporte. Was verstehen Sie darunter? [Pause] Wo haben sie die Häftlinge hintransportiert?
Zeuge Anton Glaser:
Nach Birkenau.
Vorsitzender Richter:
Nach Birkenau. Und wohin in Birkenau? [Pause] Vermutlich in die Gaskammern, Herr Zeuge?
Zeuge Anton Glaser:
Ja.
Vorsitzender Richter:
Aha. Und wissen Sie, ob die Lkw-Staffel noch sonstige Fahrten auszuführen hatte oder ob das die einzige Aufgabe der Lkw-Staffel war?
Zeuge Anton Glaser:
Ja, die haben auch andere Fahrten gemacht, Bauarbeiten und so. Das weiß ich auch nicht mehr alles.
Vorsitzender Richter:
Das wissen Sie nicht. Gab es denn auch eine Sanka-Staffel?
Zeuge Anton Glaser:
Sanka-Staffel gab es auch, ja.
Vorsitzender Richter:
Ja? Wieviel Mann waren denn da dabei?
Zeuge Anton Glaser:
Vielleicht sechs, sieben Mann.
Vorsitzender Richter:
Ja? Und bei der Pkw-Staffel?
Zeuge Anton Glaser:
So vielleicht zehn Mann, oder es waren noch mehr. Das weiß ich halt auch nicht mehr genau.
Vorsitzender Richter:
Und bei der Lkw-Staffel?
Zeuge Anton Glaser:
[Pause] Ach, das weiß ich auch nicht mehr.
Vorsitzender Richter:
Wissen Sie nicht mehr.
Zeuge Anton Glaser:
30 vielleicht. Auch nicht
Vorsitzender Richter [unterbricht]:
Sie haben ausgesagt, bei der Pkw-Staffel wären es 30 Mann gewesen, bei der Lkw-Staffel 70 Mann, bei der Sanka-Staffel zehn Mann.[8]
Zeuge Anton Glaser:
Ja, es werden so 100
Vorsitzender Richter [unterbricht]:
Insgesamt wären es 130 Mann etwa gewesen.
Zeuge Anton Glaser:
Kann stimmen, ja, so in dem...
Vorsitzender Richter:
So.
Zeuge Anton Glaser:
Und auch den Urlaub.
Vorsitzender Richter:
»Außerdem gehörte noch eine Werkstatt dazu.«[9]
Zeuge Anton Glaser:
Ja.
Vorsitzender Richter:
Ja. Sind Sie auch mal an die Rampe nach Birkenau gefahren zu Selektionen?
Zeuge Anton Glaser:
Habe ich einmal einen Führer vom Dienst hinuntergefahren.
Vorsitzender Richter:
Wer war das?
Zeuge Anton Glaser:
Weiß ich nicht mehr.
Vorsitzender Richter:
Und was hatte der denn dort zu tun?
Zeuge Anton Glaser:
Der hat mal kurz rumgeschaut, angeguckt, wir sind dann wieder retour gefahren.
Vorsitzender Richter:
Aha. Und alles hat sich dann von selbst gemacht? [Pause] Tja. Haben Sie auch Ärzte zur Rampe gefahren?
Zeuge Anton Glaser:
Nein.
Vorsitzender Richter:
Wie kamen denn die an die Rampe?
Zeuge Anton Glaser:
Die hatten einen eigenen Fahrer, die Doktoren.
Vorsitzender Richter:
Die hatten eigene gehabt.
Zeuge Anton Glaser [unterbricht]:
Einen festen Fahrer.
Vorsitzender Richter:
Ich habe keine Fragen mehr an den Zeugen. Das Gericht?
Ergänzungsrichter Hummerich:
Herr Zeuge, wo haben Sie denn Ihren Beruf erlernt?
Zeuge Anton Glaser:
In Karlsbad.
Ergänzungsrichter Hummerich:
In welcher Branche?
Zeuge Anton Glaser:
Lebensmittel.
Ergänzungsrichter Hummerich:
Lebensmittelbranche. Im Einzelhandelsgeschäft oder im Großhandel?
Zeuge Anton Glaser:
Großhandel.
Ergänzungsrichter Hummerich:
Von wann bis wann haben Sie gelernt?
Zeuge Anton Glaser:
Von 25 bis 28.
Ergänzungsrichter Hummerich:
Und wie hieß die Firma?
Zeuge Anton Glaser:
Fritz Wanderich.
Ergänzungsrichter Hummerich:
Wo war die in Karlsbad?
Zeuge Anton Glaser:
Hauptstraße.
Ergänzungsrichter Hummerich:
In der Hauptstraße. Und als Sie fertig waren mit der Lehre, was machten Sie dann?
Zeuge Anton Glaser:
Zu Hause im Geschäft meines Vaters.
Ergänzungsrichter Hummerich:
Wie lange waren Sie da tätig?
Zeuge Anton Glaser:
Bis zur Einberufung.
Ergänzungsrichter Hummerich:
Und wann haben Sie Ihre Frau kennengelernt?
Zeuge Anton Glaser:
35.
Ergänzungsrichter Hummerich:
Herr Glaser, an all diese Dinge können Sie sich phantastisch erinnern, und an Auschwitz haben Sie keinerlei Erinnerungen? Wollen Sie uns das wirklich zumuten?
Zeuge Anton Glaser:
Ja, ich war immer unterwegs, so wie die Fahrer draußen in Kattowitz, Gleiwitz [unverständlich]
Ergänzungsrichter Hummerich [unterbricht]:
Sie waren im Geschäft ja auch immer unterwegs, damals, was viel länger her ist. [Pause] Wie war das, als Sie zur Fahrbereitschaft kamen? Wer war zu dem Zeitpunkt Ihr Kompaniechef?
Zeuge Anton Glaser:
Der Vaupel, der [unverständlich]
Ergänzungsrichter Hummerich [unterbricht]:
Und da war also Mulka schon nicht mehr Ihr Chef?
Zeuge Anton Glaser:
Nein, war nicht mehr mein Chef.
Ergänzungsrichter Hummerich:
War nicht mehr Ihr Chef. Und Sie haben uns vorhin glauben machen wollen, daß Sie bereits im Januar oder Februar 1942 zur Fahrbereitschaft gegangen sind.
Zeuge Anton Glaser:
42, ja.
Ergänzungsrichter Hummerich:
Ja, das war auch ganz erklärlich, denn die Meldung, daß Sie jemanden erschossen haben, war ja von August 42. Und wenn ich Ihnen nun vorhalte, daß Hauptsturmführer Mulka bereits im Mai 1942 seinen Chefposten aufgegeben hat, und Sie sagen jetzt, daß Sie weg sind zur Fahrbereitschaft, als bereits ein Nachfolger da war, dann steht doch damit fest, daß Sie vorhin den Herrn Vorsitzenden angeschwindelt haben. Denn Ihr Gedächtnis kann nicht so schlecht sein.
Zeuge Anton Glaser:
Inwiefern habe ich ihn angeschwindelt?
Ergänzungsrichter Hummerich:
Weil Sie nicht im Januar/Februar 1942
Zeuge Anton Glaser [unterbricht]:
Ja, das
Ergänzungsrichter Hummerich [unterbricht]:
Sondern erheblich später
Zeuge Anton Glaser [unterbricht]:
Wer merkt sich das nach 20 Jahren. Kann ich doch nicht mehr genau wissen, ob ich da im Jänner hingekommen bin oder
Ergänzungsrichter Hummerich [unterbricht]:
Für jemanden, der Einzelhandel gelernt hat, der nicht an der Front ist, ist es ja immerhin ein Ereignis, wenn er einen wehrlosen Menschen totschießt. An so was erinnert man sich. Sie hatten ja die Möglichkeit, die Aussage zu verweigern. Wie ist das nun? Wann kamen Sie zur Fahrbereitschaft? Wie lange waren Sie bei dem Wachsturmbann?
Zeuge Anton Glaser:
Ich war von 40 im Herbst bis 44 im Oktober
Ergänzungsrichter Hummerich [unterbricht]:
Beim Wachsturmbann. Wie lange waren Sie da?
Zeuge Anton Glaser:
Beim Wachsturmbann? Vielleicht anderthalb Jahre.
Ergänzungsrichter Hummerich:
Ja, wie lang? Wann sind Sie weggegangen 1942?
Zeuge Anton Glaser:
Das weiß ich nicht mehr genau, Jänner oder Feber müßte das gewesen sein.
Ergänzungsrichter Hummerich:
Das kann ja doch nicht gewesen sein, habe ich ja eben gerade gesagt.
Zeuge Anton Glaser:
Ja, warum denn? Es war noch kalt, das weiß ich, es war noch Schnee.
Ergänzungsrichter Hummerich:
Danke schön.
Vorsitzender Richter:
Herr Staatsanwalt.
Staatsanwalt Kügler:
Sie können mich ruhig anschauen, Herr Glaser, vielleicht setzen Sie sich so ein bißchen, ja, daß ich Sie sehen kann. Herr Glaser, sagen Sie...
Vorsitzender Richter:
[Pause] Meine Herren. Weiter.
Staatsanwalt Kügler:
Danke schön. Herr Glaser, sagen Sie, als Sie bei der Wachkompanie waren, hat Ihre Wachkompanie da auch die Aufgabe gehabt, bei den ankommenden Transporten Postenkette zu stellen?
Zeuge Anton Glaser:
Da wurde abgelöst, ja, war ich auch da.
Staatsanwalt Kügler:
Da waren Sie auch da?
Zeuge Anton Glaser:
War ich auch dabei, ja.
Staatsanwalt Kügler:
Ja. Wie ging das denn vor sich? Wo war denn das?
Zeuge Anton Glaser:
Da war aber das Lager Birkenau noch nicht aufgebaut.
Staatsanwalt Kügler:
Ja. Und wo kamen denn da die Transporte an?
Zeuge Anton Glaser:
[Pause] Die Transporte kamen ins Lager.
Staatsanwalt Kügler:
Wo sie ankamen.
Zeuge Anton Glaser:
Am Bahnhof in Auschwitz.
Staatsanwalt Kügler:
Am Bahnhof in Auschwitz. Sind da die Wachkompanien abwechselnd zu diesen Transportankünften hingegangen?
Zeuge Anton Glaser:
Sie wissen ja, was Sie gebraucht haben, soviel Mann, zehn, 15, 20 oder wie viele das waren.
Staatsanwalt Kügler:
Ja. Und was ist dort gemacht worden?
Zeuge Anton Glaser:
Sie haben sie raufbegleitet bis ins Lager.
Staatsanwalt Kügler:
Bitte?
Zeuge Anton Glaser:
Bis ins Lager raufbegleitet. [unverständlich]
Staatsanwalt Kügler [unterbricht]:
Bis ins Lager raufbegleitet. Bis wann haben Sie denn das gemacht? Bis zu Ihrer Überstellung in die Fahrbereitschaft
Zeuge Anton Glaser [unterbricht]:
Bis zur Überstellung in die Fahrbereitschaft.
Staatsanwalt Kügler:
Ja. Sehen Sie mal, die Vergasungen haben doch schon, na, also spätestens Frühjahr 1942 begonnen, wenn man ganz großzügig rechnet. Sind da von diesen Häftlingen noch keine vergast worden?
Zeuge Anton Glaser:
Zu der Zeit noch nicht, nein.
Staatsanwalt Kügler [unterbricht]:
Die da angekommen sind. Zu der Zeit noch nicht?
Zeuge Anton Glaser:
Das weiß ich nicht.
Staatsanwalt Kügler:
[Pause] Sie haben doch, wie Sie sagen, auch Posten gestanden bei den Ankünften von den Transporten, ja? [Pause] Ja?
Zeuge Anton Glaser:
Die haben sie abgeholt, ist eine Postenkette hinmarschiert [unverständlich]
Staatsanwalt Kügler [unterbricht]:
Haben Sie da auch mit dabeigestanden?
Zeuge Anton Glaser:
Ja, war ich auch mit dabei.
Staatsanwalt Kügler:
Ja. Was hat sich denn da abgespielt auf dem Bahngleis? War das am Bahnhof, oder war das zwischen dem Bahnhof und Birkenau, oder wo war das?
Zeuge Anton Glaser:
Das war vom Bahnhof in das Stammlager.
Staatsanwalt Kügler:
Auf dem Weg vom Bahnhof zum Stammlager.
Zeuge Anton Glaser [unterbricht]:
Vom Bahnhof zum Stammlager.
Staatsanwalt Kügler:
War da eine Rampe?
Zeuge Anton Glaser:
Da war noch keine Rampe.
Staatsanwalt Kügler:
Da war noch keine Rampe. War das ein Abstellgleis, ein Nebengleis?
Zeuge Anton Glaser:
Das Gleis war noch nicht zu der Zeit, wie ich da war.
Staatsanwalt Kügler:
Ja, mit was sind denn die Transporte angekommen, mit einem
Zeuge Anton Glaser [unterbricht]:
Entweder kamen sie marschiert oder hat man sie mit dem Lkw raufgefahren. Wenn sie im Lkw kamen, waren ja keine Posten dabei.
Staatsanwalt Kügler:
Ja, warum sollten denn dann Posten stehen, wenn dort keine Rampe war? Das verstehe ich jetzt nicht.
Zeuge Anton Glaser:
[Pause] Birkenau, das Lager, wurde doch erst später aufgebaut. Das war so 41 oder so. Ist doch erst 42 gebaut gewesen.
Staatsanwalt Kügler:
Herr Glaser, Sie haben mir eben gesagt, daß dort abwechselnd von den Wachkompanien Posten abgestellt worden sind bei der Ankunft von Transporten, ja? Ja? Und daß Sie selbst dabei waren. Wo haben Sie denn da gestanden?
Zeuge Anton Glaser:
Die haben sie in Auschwitz... Wenn [unverständlich] die am Bahnhof rausgingen, wurden sie begleitet bis ins Hauptlager rein, sind umgekleidet worden [unverständlich]
Staatsanwalt Kügler:
Am Bahnhof haben Sie sie empfangen, ja?
Zeuge Anton Glaser:
Am Bahnhof, na ja, wenn es kleine Transporte waren auch.
Staatsanwalt Kügler:
Ich verstehe Sie nicht. Was haben Sie zuletzt gesagt?
Zeuge Anton Glaser:
Wenn ein kleiner Transport war, sind sie zu Fuß einmarschiert, rauf, und sind ins Lager reingekommen, ins Stammlager oben.
Staatsanwalt Kügler:
Und Sie haben die Leute am Bahnhof abgeholt?
Zeuge Anton Glaser:
Wenn es ein kleiner Transport war, haben wir sie abgeholt.
Staatsanwalt Kügler:
Und wenn es ein großer Transport war?
Zeuge Anton Glaser:
Da habe ich nix mehr mit zu tun gehabt. Das waren dann Lkw-Staffeln, das war alles...
Staatsanwalt Kügler:
Da war es ein Lkw.
Zeuge Anton Glaser:
Das war am Anfang, 40, 41.
Staatsanwalt Kügler:
Sagen Sie mal, Sie sagten, Sie hätten SS-Führer gefahren später, als Sie bei der Fahrbereitschaft waren.
Zeuge Anton Glaser:
Ja.
Staatsanwalt Kügler:
Können Sie sich an den Herrn Mulka noch erinnern, wie er ausgesehen hat, an den Adjutanten?
Zeuge Anton Glaser:
Kann ich mich nicht erinnern. [unverständlich]
Staatsanwalt Kügler [unterbricht]:
Haben Sie den auch gefahren?
Zeuge Anton Glaser:
Weiß ich nicht mehr. Glaube nicht.
Staatsanwalt Kügler:
Wie war das denn, war da nur ein Mann von der Fahrbereitschaft zuständig für das Hin- und Herfahren von SS-Führern? Oder gab es da mehrere?
Zeuge Anton Glaser:
Ach, die haben angerufen: dort- und dorthin. Da waren mehrere Fahrer, mal ist der gefahren, mal der. Also einen festen Fahrer hat nur der Arzt gehabt.
Staatsanwalt Kügler:
Einen festen Fahrer hat nur der Arzt gehabt. Wie war es denn mit dem Kommandanten? Hat der nicht auch einen festen
Zeuge Anton Glaser [unterbricht]:
Der Höß hat auch einen festen Fahrer gehabt, ja.
Staatsanwalt Kügler:
Wie hieß der denn?
Zeuge Anton Glaser:
Heger.
Staatsanwalt Kügler:
Das war der Herr Heger. Ist das der Herr Heger, der vorhin mit Ihnen dort draußen gestanden hat?
Zeuge Anton Glaser:
Nein.
Staatsanwalt Kügler:
Ach, der ist noch nicht da. Nun sagten Sie auf die Frage des Herrn Vorsitzenden, Sie wären auch einmal auf die Rampe gefahren. Sie hätten den Führer vom Dienst dorthin gebracht. Herr Glaser, es ist Ihnen schon mehrfach gesagt worden heute, was es bedeutet, wenn Sie hier vor Gericht aussagen. Bei der Vernehmung durch den Herrn Staatsanwalt Vogel, da haben Sie gesagt, daß das öfters der Fall war.
Zeuge Anton Glaser:
Nein, ich war einmal mit dem Führer vom Dienst da zur Inspektion. Da muß ich wieder
Staatsanwalt Kügler [unterbricht]:
Ist das wirklich wahr, Herr Glaser, daß Sie nur einmal einen Führer vom Dienst dorthin gefahren haben?
Zeuge Anton Glaser:
Ja.
Staatsanwalt Kügler:
Ist es wirklich wahr?
Zeuge Anton Glaser:
Wirklich wahr.
Staatsanwalt Kügler:
Was haben Sie denn da gesehen, was da sich abgespielt hat auf der Rampe?
Zeuge Anton Glaser:
Da kamen die Transporte, wurde entkleidet und
Staatsanwalt Kügler [unterbricht]:
Bitte?
Zeuge Anton Glaser:
Kamen die Transporte eingefahren
Staatsanwalt Kügler [unterbricht]:
Sie werden immer so undeutlich, Herr Glaser, wenn es für uns besonders interessant wird. Sprechen Sie doch ein bißchen deutlicher. Was haben Sie dort gesehen auf der Rampe?
Zeuge Anton Glaser:
Kamen, das Gepäck abgeladen und entkleidet und vergast.
Staatsanwalt Kügler:
Entkleidet und vergast?
Zeuge Anton Glaser:
Ja.
Staatsanwalt Kügler:
Haben Sie das gesehen, daß die vergast worden sind?
Zeuge Anton Glaser:
Bei der Vergasung nicht direkt, da war ich nicht dabei.
Staatsanwalt Kügler:
Nicht direkt?
Zeuge Anton Glaser:
Nein.
Staatsanwalt Kügler:
Wie nahe waren Sie denn dabei?
Zeuge Anton Glaser:
Das habe ich nicht gesehen, die Vergasung.
Staatsanwalt Kügler:
Das haben Sie nicht gesehen. Haben Sie die Entkleidung gesehen?
Zeuge Anton Glaser:
Das habe ich noch gesehen, die Entkleidung.
Staatsanwalt Kügler:
Ja, wo haben die sich denn entkleidet?
Zeuge Anton Glaser:
Das waren so Baracken.
Staatsanwalt Kügler:
An solchen Baracken. Waren die von der Rampe weg, entfernt?
Zeuge Anton Glaser:
Weiß ich nicht mehr.
Staatsanwalt Kügler [unterbricht]:
Weiter entfernt? Wo sind Sie denn hingefahren? Auf die Rampe und anschließend zu diesen Baracken?
Zeuge Anton Glaser:
[unverständlich] Rampe, wo es gekommen ist und...
Staatsanwalt Kügler:
Ja, die Leute haben sich doch sicherlich nicht auf der Rampe ausgezogen, Herr Glaser.
Zeuge Anton Glaser:
Das habe ich auch nicht genau gesehen, ich war einmal unten.
Staatsanwalt Kügler:
Ja.
Zeuge Anton Glaser:
Ich hatte da nichts zu tun damit. [unverständlich]
Staatsanwalt Kügler:
Ah ja, sicherlich. Das sage ich ja auch gar nicht, Herr Glaser, daß Sie damit was zu tun hatten. Wir wollen aber wissen, was Sie gesehen haben.
Zeuge Anton Glaser:
Ich habe bloß gesehen, daß die kommen, ein Transport, und dort wurden sie entkleidet und...
Staatsanwalt Kügler:
Ja, aber doch nicht auf dem Bahngleis. Kann ich mir schlecht vorstellen, daß die auf dem Bahnsteig dort sich haben ausziehen müssen, die Leute.
Zeuge Anton Glaser:
Na, dort nicht. Da waren wahrscheinlich so Baracken, Entlausungsbaracken.
Staatsanwalt Kügler [unterbricht]:
Wahrscheinlich? Na, nun überlegen Sie sich das mal genau und sagen Sie uns, was Sie da gesehen haben. Also Sie waren auf der Rampe, ja?
Zeuge Anton Glaser:
Ja.
Staatsanwalt Kügler:
Ja. Was haben Sie da gesehen? Stand da ein Zug?
Zeuge Anton Glaser:
Der Zug ist eingefahren. Der Transport, der wurde entladen. Die
Staatsanwalt Kügler [unterbricht]:
Nun mal langsam, Herr Glaser. War das ein Güterzug, oder war das ein Personenzug, oder war das ein D-Zug?
Zeuge Anton Glaser:
Es war ein Güterzug.
Staatsanwalt Kügler:
Ein Güterzug.
Zeuge Anton Glaser:
Ein Güterzug.
Staatsanwalt Kügler:
Und Sie haben gesehen, wie der eingefahren ist?
Zeuge Anton Glaser:
Ja.
Staatsanwalt Kügler:
Gut. Und was geschah dann?
Zeuge Anton Glaser:
Dann haben sie das Gepäck ausgeladen, sind entkleidet worden
Staatsanwalt Kügler [unterbricht]:
Wer hat?
Zeuge Anton Glaser:
Das waren die Wachkompanien dann dort.
Staatsanwalt Kügler:
Die Wachkompanien.
Zeuge Anton Glaser:
Habe ich eigentlich nix zu tun gehabt [unverständlich]
Staatsanwalt Kügler:
Ja, das wissen wir jetzt, daß Sie
Zeuge Anton Glaser [unterbricht]:
Na ja
Staatsanwalt Kügler [unterbricht]:
Nur zugeschaut haben. Wir wollen ja auch nur wissen, was Sie gesehen haben, als Sie zugeschaut haben.
Zeuge Anton Glaser:
Das habe ich gesehen, daß sie entladen worden sind.
Staatsanwalt Kügler:
Und dann haben Sie vor dem
Zeuge Anton Glaser [unterbricht]:
Gepäck sortiert worden.
Staatsanwalt Kügler:
Das Gepäck ist
Zeuge Anton Glaser [unterbricht]:
Und sind abmarschiert.
Staatsanwalt Kügler:
Abmarschiert. Und was ist dann gewesen? Was haben Sie dann gemacht?
Zeuge Anton Glaser:
Das weiß ich nicht. Ich bin dann wieder retour.
Staatsanwalt Kügler:
Ja, aber Sie sagten mir doch eben, Sie hätten gesehen, wie die Leute sich entkleidet hätten.
Zeuge Anton Glaser:
Die sind wahrscheinlich runtergefahren und dann entkleidet worden.
Staatsanwalt Kügler:
Bitte?
Vorsitzender Richter [unterbricht]:
Stellen Sie doch
Zeuge Anton Glaser [unterbricht]:
Zur Baracke. Wurden sie entkleidet.
Vorsitzender Richter:
Herr Wachtmeister, stellen Sie doch mal das Mikrofon ein bißchen anders, nicht. Man versteht den Mann so schlecht. Er soll in das Mikrofon hineinsprechen. Herr Zeuge, ja?
Zeuge Anton Glaser:
Ja, bitte.
Vorsitzender Richter:
Gut. Ja, bitte schön. Also, Herr Staatsanwalt, Sie sagten eben gerade, nachdem die Leute abmarschiert sind, was er dann getan habe.
Staatsanwalt Kügler:
Ja, ich wollte bloß warten, bis sich das Amüsement bei diesem Thema gelegt hat. Die Leute sind also entladen worden, das haben Sie gesehen. Haben Sie nun gesehen, daß die Leute sich in Reihen formiert haben?
Zeuge Anton Glaser:
Das weiß ich auch nicht mehr.
Staatsanwalt Kügler:
In Fünferreihen beispielsweise?
Zeuge Anton Glaser:
Kann sein, ja.
Staatsanwalt Kügler:
Kann sein. Nun, haben Sie es gesehen? Was haben Sie gesehen, was haben Sie nicht gesehen?
Zeuge Anton Glaser:
Ach, na ja, das war so ein Rummel, da kann ich mich... [Pause] Also über das kann ich keine großen Aussagen machen, weil ein Rummel war es so
Staatsanwalt Kügler [unterbricht]:
Wenn man einen Rummel gesehen hat, dann kann man den Rummel ja auch beschreiben, Herr Glaser. Dann beschreiben Sie uns mal, wie der Rummel da auf der Rampe ausgesehen hat.
Zeuge Anton Glaser:
Ja, die wurden ausgeladen, das Gepäck kam auf die Seite, die auf die Seite und wurden aussortiert.
Staatsanwalt Kügler:
Wer auf die Seite? Das Gepäck kam auf
Zeuge Anton Glaser [unterbricht]:
Das Gepäck kam so und ist aufgestellt worden. Waren die Ärzte da, die Wachmannschaften und
Staatsanwalt Kügler [unterbricht]:
Die Ärzte. Wo waren denn die Ärzte?
Zeuge Anton Glaser:
Haben sie untersucht, ob arbeitsfähig und so. Das habe ich noch gesehen.
Staatsanwalt Kügler:
Das haben Sie noch gesehen. Wo waren denn die Ärzte? Standen die da, wo die Lokomotive stand, oder standen die am Ende vom Zug?
Zeuge Anton Glaser:
Das weiß ich auch nicht mehr.
Staatsanwalt Kügler:
Das wissen Sie nicht mehr. Oder standen die in der Mitte? Sind die Ärzte an den Leuten vorbeigegangen, oder sind die Leute an den Ärzten vorbeigegangen?
Zeuge Anton Glaser:
Na, der Arzt stand da, die gingen da so durch. Da sind sie vorbeimarschiert, nicht. Arbeitsfähig oder... arbeitsfähig
Staatsanwalt Kügler [unterbricht]:
Die sind am Arzt vorbeimarschiert?
Zeuge Anton Glaser:
Oder krank.
Staatsanwalt Kügler:
Ja. Wie ist das denn gemacht worden? Hat der Arzt so gemacht oder so gemacht?
Zeuge Anton Glaser:
So. So, ja, so.
Staatsanwalt Kügler:
So hat er gemacht, ja? Oder hat er gesprochen mit den Leuten?
Zeuge Anton Glaser:
Hat auch gesprochen mit den Leuten.
Staatsanwalt Kügler:
Ja. Haben sich die Leute dann geteilt? Ist dann eine Seite, nachdem die am Arzt vorbeigegangen ist, auf die Seite gegangen, der andere Teil auf die andere Seite?
Zeuge Anton Glaser:
Das weiß ich auch nicht mehr so genau. Ich war einmal unten lediglich. Ich [Pause]
Staatsanwalt Kügler:
Na, versuchen Sie sich doch mal zu erinnern. Sieht man ja nicht alle Tage. [Pause] Ja, wie war das nun?
Zeuge Anton Glaser:
Über dies kann ich weiter keine Aussagen machen, weil ich nur einmal unten war. Und ich bin...
Staatsanwalt Kügler:
Ach, darüber entscheiden doch Sie nicht ganz allein, Herr Glaser. Wir wollen das wissen, was Sie da gesehen haben.
Zeuge Anton Glaser:
Ja, wie ich schon gesagt habe, das habe ich gesehen.
Staatsanwalt Kügler:
Daß der Arzt die Leute in Arbeitsfähige und nicht Arbeitsfähige eingeteilt hat.
Zeuge Anton Glaser:
Das habe ich noch gesehen, ja.
Staatsanwalt Kügler:
Ja. Was ist denn nun passiert? Sind dann Lastwagen gekommen und haben einen Teil der Leute abtransportiert?
Zeuge Anton Glaser:
Das weiß ich nicht.
Staatsanwalt Kügler:
Das wissen Sie nicht. Haben Sie gesehen, daß ein Teil der Leute in Richtung Lager marschiert ist?
Zeuge Anton Glaser:
Ja, so lang habe ich mich da unten nicht aufgehalten. Das hat ja längere Zeit [unverständlich]
Staatsanwalt Kügler [unterbricht]:
Ja, aber Sie haben doch nachher gesehen, daß sie sich entkleidet haben.
Zeuge Anton Glaser:
Ja, das war dann nachher noch.
Staatsanwalt Kügler:
Hm.
Zeuge Anton Glaser:
Wußte ich [unverständlich]
Staatsanwalt Kügler:
Müssen Sie doch gesehen haben, wie die von der Rampe weggegangen sind. Oder sind Sie weggefahren und später wiedergekommen? [Pause] Wie war das?
Zeuge Anton Glaser:
Ein Teil ging ins Lager zum Arbeiten, und die anderen...
Staatsanwalt Kügler:
Und die anderen?
Zeuge Anton Glaser:
Weiß ich nicht, [unverständlich] Vergast, die anderen.
Staatsanwalt Kügler:
Die anderen haben sie vergast. Sind Sie dann von dieser Rampe mit dem Auto und dem SS-Führer, den Sie dabeihatten, zu der Baracke gefahren, wo die Leute sich entkleidet haben?
Zeuge Anton Glaser:
Nein.
Staatsanwalt Kügler:
Sondern?
Zeuge Anton Glaser:
Der hatte nur die Kontrolle, nach dem Eingang des Transportes hat er nichts mehr zu tun gehabt. Das war immer der Führer vom Dienst, von der Nacht zum =
Staatsanwalt Kügler:
Ja, nun verstehe ich aber nicht, wie Sie gesehen haben, daß sich die Leute entkleidet haben.
Zeuge Anton Glaser:
Ja.
Staatsanwalt Kügler:
Sie müssen doch da irgendwie hingekommen sein. [Pause] Herr Glaser, halten Sie uns nicht so lange auf!
Zeuge Anton Glaser [unterbricht]:
Direkt die Entkleidung habe ich nicht gesehen. Ich wußte aber, daß sie sich entkleiden mußten.
Staatsanwalt Kügler:
Haben Sie die Baracke gesehen, wo sich die Leute entkleiden mußten?
Zeuge Anton Glaser:
Da waren so viel Baracken. Sicher. Die sind da reingeführt worden in die Baracken zur Entkleidung. Wie sie sich entkleideten, habe ich nicht direkt gesehen. Das ist ja nicht...
Staatsanwalt Kügler:
Haben Sie die Leute da reingehen sehen?
Zeuge Anton Glaser:
Das habe ich noch gesehen, wie die Leute wahrscheinlich zur Entkleidung da rein...
Staatsanwalt Kügler:
Ich habe keine weiteren Fragen.
Vorsitzender Richter:
[Pause] Also Herr Zeuge, Sie haben uns vorhin gerade erzählt, Sie hätten zwar gesehen, wie sich die Leute entkleidet hätten, aber daß sie vergast worden wären, das hätten Sie nicht gesehen. Jetzt
Zeuge Anton Glaser [unterbricht]:
Habe ich nicht.
Vorsitzender Richter:
Das haben Sie gesagt.
Zeuge Anton Glaser:
Das habe ich nicht gesehen.
Vorsitzender Richter:
Bitte? Das haben Sie nicht
Zeuge Anton Glaser [unterbricht]:
Das habe ich nicht gesehen.
Vorsitzender Richter:
Jetzt haben Sie es nicht gesehen. Schön. Herr Rechtsanwalt Ormond?
Nebenklagevertreter Ormond:
Ich habe keine Fragen an diesen Zeugen.
Vorsitzender Richter:
Herr Rechtsanwalt Raabe? Doktor Kaul?
Nebenklagevertreter Kaul:
Ja. Herr Zeuge, Sie sind am 18. Oktober 1960 vernommen worden. Stimmt das?
Zeuge Anton Glaser:
Ja.
Nebenklagevertreter Kaul:
Sind Sie in der Zwischenzeit von irgendeiner Seite beeinflußt worden? Hat man von irgendeiner Seite mit Ihnen darüber gesprochen, was Sie hier aussagen beziehungsweise was Sie hier nicht aussagen sollen?
Zeuge Anton Glaser:
Nein.
Nebenklagevertreter Kaul:
Das hat man nicht getan. Danke schön.
Vorsitzender Richter:
[Pause] Von seiten der Verteidigung. Rechtsanwalt Doktor Stolting? Nein. Herr Mulka, haben Sie selbst eine Erklärung abzugeben? Nein. Wegen der Beeidigung: welche Anträge?
Nebenklagevertreter Kaul:
60 Ziffer 3.[10] Nach den eigenen Angaben des Zeugen ist er an den Verbrechen beteiligt gewesen. Und nach den dokumentarischen Unterlagen – ich verweise auf den dem Zeugen vorgehaltenen Bericht des Höß – ist er an den Verbrechen beteiligt, die hier zum Gegenstand der Verhandlung stehen. Ich beantrage dementsprechend, ihn nach 60 Ziffer 3 nicht zu beeidigen.
Vorsitzender Richter:
Werden sonst noch Anträge gestellt? Nein. Nehmen Sie Platz! Über Ihre Beeidigung wird nachher entschieden.[11] Setzen Sie sich bitte dahinten hin, Herr Zeuge. Der nächste Zeuge. Herpel!
- Vgl. staatsanwaltschaftliche Vernehmung vom 18.10.1960 in Darmstadt, 4 Ks 2/63, Hauptakten, Bd. 39, Bl. 6.726.
- Vgl. staatsanwaltschaftliche Vernehmung vom 18.10.1960 in Darmstadt, 4 Ks 2/63, Hauptakten, Bd. 39, Bl. 6.726.
- Vgl. Schreiben der Kommandantur des Konzentrationslagers Auschwitz vom 15.08.1942 an das SS- und Polizeigericht XV Breslau, 4 Ks 2/63, Anlageband 1a, Hülle, eingelegt nach Bl. 71.
- Vgl. Protokoll der Hauptverhandlung vom 11.09.1964, 4 Ks 2/63, Hauptakten, Bd. 102, Bl. 680.
- Vgl. staatsanwaltschaftliche Vernehmung vom 18.10.1960 in Darmstadt, 4 Ks 2/63, Hauptakten, Bd. 39, Bl. 6.727.
- Vgl. staatsanwaltschaftliche Vernehmung vom 18.10.1960 in Darmstadt, 4 Ks 2/63, Hauptakten, Bd. 39, Bl. 6.727 sowie polizeiliche Vernehmung des Zeugen Franz Fürstenberg vom 02.06.1960 in Pirmasens, 4 Ks 2/63, Hauptakten, Bd. 34, Bl. 5.845-5.852.
- Vgl. staatsanwaltschaftliche Vernehmung vom 18.10.1960 in Darmstadt, 4 Ks 2/63, Hauptakten, Bd. 39, Bl. 6.730.
- Vgl. staatsanwaltschaftliche Vernehmung vom 18.10.1960 in Darmstadt, 4 Ks 2/63, Hauptakten, Bd. 39, Bl. 6.728.
- Vgl. staatsanwaltschaftliche Vernehmung vom 18.10.1960 in Darmstadt, 4 Ks 2/63, Hauptakten, Bd. 39, Bl. 6.728.
- StPO § 60, Abs. 3: »Von der Vereidigung ist abzusehen (...) 3. bei Personen, die der Tat, welche den Gegenstand der Untersuchung bildet, oder der Beteiligung an ihr oder der Begünstigung oder Hehlerei verdächtig oder deswegen bereits verurteilt sind.«.
- Der Zeuge Glaser blieb gemäß § 60, Ziffer 3 StPO »unvereidigt, da er der Beteiligung an Taten verdächtig ist, die Gegenstand dieses Verfahrens sind«. Vgl. Protokoll der Hauptverhandlung vom 11.09.1964, 4 Ks 2/63, Hauptakten, Bd. 102, Bl. 681.