Zeuge Max Faust

143. Verhandlungstag 11.03.1965

1. Frankfurter Auschwitz-Prozess

»Strafsache gegen Mulka u.a.«, 4 Ks 2/63

Landgericht Frankfurt am Main

143. Verhandlungstag, 11.3.1965

Vernehmung des Zeugen Max Faust

Nebenklagevertreter Raabe:

des Zeugen beantragt hat. Da scheint es mir doch ein Eingriff in die Rechte des Nebenklägers zu sein, wenn er nicht davon benachrichtigt wird. Es ist ja ganz kurzfristig dieser Zeuge geladen worden. Und wenn [der Nebenkläger] nicht davon benachrichtigt wird, hat er infolgedessen keine Gelegenheit, an diesen Zeugen Fragen zu stellen

Vorsitzender Richter:

Na ja

Verteidiger Stolting II:

Herr Präsident, Herr Raabe gibt hier Erklärungen für Herrn Kaul ab. Wenn er solche Erklärungen hier abgeben will, dann muss er eine Untervollmacht vorlegen. Ich bitte, ihm doch das aufzugeben, damit wir uns das nicht dauernd anhören müssen

Vorsitzender Richter:

Also

Nebenklagevertreter Ormond [unterbricht]:

Herr Raabe hat nicht für Herrn Kaul Erklärungen abgegeben. Wir sind Nebenkläger, und wir sind der Meinung, dass die Rechte der Nebenkläger gewahrt werden sollen. Wir haben zufällig davon Kenntnis bekommen, dass hier Herr Kaul nicht benachrichtigt worden ist, obwohl er diesen Beweisantrag gestellt hat. Und wir sind der Meinung, dass ein Nebenklägervertreter verpflichtet ist, auch seinem Gewissen gegenüber, diese Dinge hier zur Sprache zu bringen. Mehr hat Herr Raabe nicht getan

Vorsitzender Richter:

Ja, Herr Rechtsanwalt

Verteidiger Laternser [unterbricht]:

Ich stelle fest, dass auch Herr Ormond für Herrn Kaul gesprochen hat

Nebenklagevertreter Raabe:

Sie können feststellen, was Sie wollen

Vorsitzender Richter:

Herr Rechtsanwalt Ormond, ich will Ihnen nur folgendes sagen. Wir hatten an und für sich die Anweisung gegeben, dass sämtliche Prozessbeteiligte, auch die Nebenkläger, davon unterrichtet werden sollten. Das ist bezüglich des Herrn Doktor Kaul, wie ich mir habe sagen lassen, von der Geschäftsstelle unterlassen worden, weil die betreffende Dame geglaubt hat, mit Rücksicht darauf, dass Herr Kaul den Antrag selbst gestellt habe, sei seine Benachrichtigung nicht notwendig. Da ist sie nicht von uns dazu aufgefordert worden, sondern das war ihre eigene Meinung. Aber im übrigen, Herr Rechtsanwalt Ormond, im Paragraphen 398 steht im Absatz 1: »Der Fortgang des Verfahrens wird durch den Anschluss nicht aufgehalten. Die bereits anberaumte Hauptverhandlung sowie andere Termine finden an den bestimmten Tagen statt, auch wenn der Nebenkläger wegen Kürze der Zeit nicht mehr geladen oder benachrichtigt werden konnte.«[1] Also selbst dann, wenn er gar nicht erscheinen konnte, finden die Verhandlungen statt, geschweige denn, wenn es sich hier nur um eine Zeugenvernehmung handelt. Herr Faust, darf ich zunächst um Ihre Personalien bitten? Sie heißen mit Vornamen

Zeuge Max Faust:

Max

Vorsitzender Richter:

Max Faust. Wie alt sind Sie bitte

Zeuge Max Faust:

74

Vorsitzender Richter:

Sind Sie verheiratet

Zeuge Max Faust:

Jawohl

Vorsitzender Richter:

Von Beruf

Zeuge Max Faust:

Diplomingenieur des Bauingenieurfachs

Vorsitzender Richter:

Bauingenieur. Sie wohnen wo

Zeuge Max Faust:

In Ludwigshafen am Rhein, Rubensstraße 32

Vorsitzender Richter:

Und Sie sind mit den Angeklagten nicht verwandt und nicht verschwägert

Zeuge Max Faust:

Nein

Vorsitzender Richter:

Haben Sie den Doktortitel

Zeuge Max Faust:

Nein. Diplomingenieur

Vorsitzender Richter:

Herr Zeuge, sind Sie damit einverstanden, dass ich Ihre Aussage auf ein Tonband nehme zum Zweck der Stützung des Gedächtnisses des Gerichts

Zeuge Max Faust:

Jawohl

Vorsitzender Richter:

Herr Faust, es ist folgendes behauptet worden: Sie könnten uns nähere Auskunft geben über die Rolle, die die Angeklagten Mulka und Höcker gespielt hätten bei dem Personal, das Ihnen von dem Konzentrationslager Auschwitz zur Verfügung gestellt worden ist zur Bewältigung Ihrer Aufgaben in dem Buna-Werk in Auschwitz

Zeuge Max Faust:

Ich kenne weder Mulka noch Höcker

Vorsitzender Richter:

Kennen Sie denn Auschwitz überhaupt

Zeuge Max Faust:

Ja, selbstverständlich

Vorsitzender Richter:

Und was hatten Sie denn dort zu tun

Zeuge Max Faust:

Ich hatte die Bauleitung, also die Leitung der sämtlichen Bauarbeiten

Vorsitzender Richter:

Die Leitung der Bauarbeiten

Zeuge Max Faust:

Jawohl

Vorsitzender Richter:

Und zu diesem Zweck sind Ihnen doch Gefangene von dem Lager Auschwitz zur Verfügung gestellt worden

Zeuge Max Faust:

Ja

Vorsitzender Richter:

Wer hatte denn die Verhandlungen zu führen wegen dieser Gefangenen

Zeuge Max Faust:

Das hat primär nach meiner Erinnerung Herr Doktor Bütefisch gemacht, und zwar bei Herrn Wolff

Vorsitzender Richter [unterbricht]:

In Berlin

Zeuge Max Faust:

In Berlin, ja. Und anschließend war zunächst ein Herr Murr, ein Mitarbeiter von mir, [im KZ], weil ich an einer anderen Baustelle noch tätig war. Und soviel ich mich entsinnen kann, hat Murr zunächst auf Veranlassung von Ambros – ich darf nur die Namen nennen, Sie kennen sicher Herrn Ambros

Vorsitzender Richter:

Ja

Zeuge Max Faust:

Auf Veranlassung von Ambros [hat Murr] mit dem KZ Fühlung genommen, ich nehme an, mit Höß, und hat dann anfangs, ich schätze, ungefähr 500 Häftlinge bekommen. 500 bis 600 werden es gewesen sein. Und später, im Lauf des April, hat Herr Doktor Dürrfeld einmal mit Höß verhandelt. Da waren wohl noch andere Herren dabei. Ich weiß aber nicht, wer das war

Vorsitzender Richter:

Ja

Zeuge Max Faust:

Dessen kann ich mich nicht mehr entsinnen

Vorsitzender Richter:

Nun sagen Sie mal, Herr Faust, wer hat denn diese Bauten ausgeführt? Waren das Baufirmen, die den Auftrag hatten, diese Bauten auszuführen

Zeuge Max Faust:

Jawohl

Vorsitzender Richter:

Und Sie hatten lediglich die Oberleitung

Zeuge Max Faust:

Die Oberleitung, ja

Vorsitzender Richter:

Während die Arbeitskräfte selbst den einzelnen Baufirmen zur Erfüllung ihrer Aufgaben zugeteilt wurden

Zeuge Max Faust:

Im allgemeinen ja. Ich muss folgendes sagen: Im Anfang waren noch keine Aufträge erteilt, und diese 600 Mann wurden lediglich zum Aufbau des ersten Barackenlagers benutzt. Denn wir mussten ja erst einmal Unterkünfte haben für Arbeiter, bevor wir überhaupt Bauaufträge vergeben konnten. Und diese Aufstellung des Barackenlagers erfolgte nach meiner Erinnerung lediglich unter der Leitung von Herrn Murr

Vorsitzender Richter:

Und was war der Herr Murr

Zeuge Max Faust:

Auch Bauingenieur, Bautechniker, der von Ludwigshafen, BASF, versetzt worden ist dorthin

Vorsitzender Richter:

Nun, Herr Zeuge, Sie selbst hatten also in erster Linie die technische Leitung oder die Oberbauleitung. Was hatten Sie mit der Personallage zu tun

Zeuge Max Faust:

Sie meinen mit dem Engagement von Bauarbeitern

Vorsitzender Richter:

Ja, und insbesondere mit der Unterbringung dieser Arbeiter, mit der Verpflegung dieser Arbeiter, mit der Heranführung, mit der ärztlichen Versorgung

Zeuge Max Faust [unterbricht]:

Dazu muss ich folgendes sagen. Ich selbst bin erst im zweiten Halbjahr 41 endgültig nach Auschwitz gekommen. Damals war aber schon der Anfang zu einer Sozialabteilung gemacht, und zwar unter der Leitung von Herrn Doktor Roßbach. Sein Stellvertreter war ein Doktor Schneider oder Assessor Schneider – ich glaube nicht, dass er einen Doktortitel hatte –, der etwas später gekommen ist. Aber grundsätzlich hat schon damals die Arbeiterbeschaffung, die Verhandlung mit Arbeitsämtern Herr Doktor Roßbach durchgeführt

Vorsitzender Richter:

Sie hatten damit nichts zu tun

Zeuge Max Faust:

Nein

Vorsitzender Richter:

Haben Sie einmal in Auschwitz mit dem Konzentrationslager verhandelt beziehungsweise mit irgendwelchen maßgeblichen Leuten oder unmaßgeblichen Leuten

Zeuge Max Faust:

Ja, im Jahre 41 vielleicht zwei- oder dreimal. Ich entsinne mich, dass wir das erste Mal, Herr Doktor Dürrfeld und ich, bei der Leitung des Konzentrationslagers waren. Das waren also Höß und verschiedene andere Herren, deren ich mich nicht mehr entsinne. Und da wurde neben

Vorsitzender Richter [unterbricht]:

Im Jahr 1941

Zeuge Max Faust:

41, ja. Das war ja überhaupt das Jahr des Baubeginns, 1941

Vorsitzender Richter:

Ja

Zeuge Max Faust:

Und ich war damals lediglich interessiert an der Lieferung von Kies – weil ich gehört hatte, dass die SS da ein Baggerunternehmen betreibt – und an der Lieferung von Baracken, was damals schon eine gewisse Notlage war. Und zwar hörte ich, dass die SS eine GmbH für Holzbearbeitung hatte. Die war aber nicht in Auschwitz, die war irgendwo anders. Und die lieferten Baracken

Vorsitzender Richter:

Vorgefertigte Baracken

Zeuge Max Faust:

Ja, ja

Vorsitzender Richter:

Sie hatten also in dem Jahr 41, sagten Sie, eine Besprechung mit Höß und mit anderen Herren, die Ihnen nicht mehr bekannt sind

Zeuge Max Faust:

Ja, aber in der Hauptsache hat Dürrfeld verhandelt

Vorsitzender Richter:

Hat Dürrfeld verhandelt

Zeuge Max Faust:

Ja, ja

Vorsitzender Richter:

Und damals drehte es sich um die Beschaffung von Kies und eventuell um die Beschaffung von vorgefertigten Holzbaracken

Zeuge Max Faust:

Jawohl

Vorsitzender Richter:

Haben Sie dann nach 41 noch weitere Verhandlungen dort geführt

Zeuge Max Faust:

Das kann sein, dass auch 42 noch mal eine Besprechung stattgefunden hat. Genau kann ich das nicht mehr [sagen]. Jedenfalls hat mich Dürrfeld aufgefordert mitzugehen, wenn er bei der Leitung des KZs verhandelt hat

Richter Hotz:

[unverständlich] Wochenbericht

Vorsitzender Richter:

Sie haben die Wochenberichte seinerzeit abgefasst

Zeuge Max Faust:

Ja

Vorsitzender Richter:

Können Sie sich darauf entsinnen, dass Sie in dem Wochenbericht 90/91 für die Zeit vom 8.2. bis 21.2.43 am 10. Februar eingetragen haben: »Besuch des Obersturmbannführers Maurer. Es wurde über die zahlreichen Verstärkungen des Lagers IV gesprochen. Obersturmbannführer Maurer sagte zu, die Zahl der Häftlinge in Kürze auf 4.000, eventuell 4.500 Häftlinge zu erhöhen. Der Einsatz dieser Mengen kann mit Rücksicht auf die geringe Postenzahl nur bei Beschäftigung hinter Werkszaun und Umstellung des Geländes erfolgen. Es wurde daher beschlossen, den gesamten Syntheseteil einzuzäunen. Weiter sagte Obersturmbannführer Maurer zu, dass alle schwachen Häftlinge abgeschoben werden können, so dass die Gewähr für eine fast volle Leistung, verglichen mit einem deutschen Hilfsarbeiter, herausgeholt werden kann.«[2]

Zeuge Max Faust:

Ich kann mich dieser Unterhaltung nicht mehr entsinnen. Aber wenn ich das in dem Wochenbericht geschrieben habe, dann wird es wohl der Fall sein. Im übrigen habe ich solche Verhandlungen nicht persönlich geführt, sondern das hat immer Herr Doktor Dürrfeld gemacht

Vorsitzender Richter:

Ja. Das ist

Zeuge Max Faust [unterbricht]:

Ich habe wohl berichtet darüber. Aber das ist immer gemeinsam gemacht worden

Vorsitzender Richter:

Sie wissen aber nicht, inwieweit die Angeklagten Mulka oder Höcker bei diesen Unterhaltungen zugegen gewesen sind

Zeuge Max Faust:

Nein, kann ich nicht sagen

Vorsitzender Richter:

Wissen Sie etwas

Zeuge Max Faust [unterbricht]:

Ich kann mich nicht einmal dieses Herrn Maurer entsinnen

Vorsitzender Richter:

Ja. Wissen Sie etwas darüber zu sagen, wie die Einteilung der Machtbefugnisse in Auschwitz war, das heißt, ob der Kommandant des Stammlagers Auschwitz direkte Befehlsgewalt gehabt hat auch über die übrigen Kommandanturen, zum Beispiel Birkenau und Monowitz

Zeuge Max Faust:

Ich bin der Ansicht, dass das zweifellos der Fall war

Vorsitzender Richter:

Aber das ist nur eine Ansicht von Ihnen

Zeuge Max Faust [unterbricht]:

Denn die ganze SS war ja doch militärisch organisiert. Der Höß war sozusagen der Oberst vom Regiment, und alle anderen Offiziersränge haben ihm unterstanden

Richter Perseke:

Da war ja noch keine Dreiteilung

Zeuge Max Faust:

Ich halte das für vollkommen selbstverständlich

Vorsitzender Richter:

Ja, das ist für den Anfang auch ganz selbstverständlich. Nun ist uns aber gesagt worden, dass im Jahr 1943 die einzelnen Lager ihre eigenen Kommandanten bekommen hätten, dass also besondere Kommandanturen bestanden hätten im Stammlager Auschwitz, im Lager Birkenau und im Lager Monowitz

Zeuge Max Faust:

Das stimmt. Im Lager Monowitz waren ein, ich glaube, Hauptsturmführer hat er sich genannt, und ein Oberscharführer. Diese Ränge kenne ich nicht mehr so genau. Beide sind aber sehr schnell nach 45, ich glaube, gehängt worden. Die leben gar nicht mehr. Aber die waren zweifellos dem Herrn Höß unterstellt

Vorsitzender Richter:

Aber irgendwelche Anhaltspunkte für diese Meinung haben Sie nicht? Das ist nur eine persönliche Auffassung Ihrerseits

Zeuge Max Faust:

Das ist meine persönliche Auffassung, mein Eindruck gewesen

Vorsitzender Richter:

Ja. Nun ist dann noch gesagt worden... [Pause] Ja, das wäre es eigentlich im wesentlichen. [Pause] Wissen Sie etwas davon, dass Häftlinge, wenn sie erkrankt waren, nur 14 Tage weiter besoldet wurden und dass sie dann sonst im übrigen zurückgeschickt wurden

Zeuge Max Faust:

Ist mir nicht bekannt

Vorsitzender Richter:

Das wissen Sie nicht

Zeuge Max Faust:

Glaube ich auch nicht

Vorsitzender Richter:

Also wenn ein Häftling nicht voll arbeitsfähig war, was hatten Sie da für Rechte

Zeuge Max Faust:

Gar keine. Gegenüber den Häftlingen hatten wir überhaupt keine Rechte

Vorsitzender Richter:

Konnten Sie nicht verlangen, dass der Häftling dann zurückgenommen wurde

Zeuge Max Faust:

Ich persönlich habe es jedenfalls nie getan

Vorsitzender Richter:

Ja. [Pause] Weil hier in Ihrem Wochenbericht drinsteht, »dass alle schwachen Häftlinge abgeschoben werden können, so dass Gewähr für eine fast volle Leistung, verglichen mit einem deutschen Hilfsarbeiter, herausgeholt werden kann«.[3]

Zeuge Max Faust:

Ja, es ist möglich, dass das abgesprochen war. Ich kann mich dessen nicht mehr entsinnen

Vorsitzender Richter:

Ist noch eine Frage zu stellen

Zeuge Max Faust [unterbricht]:

Ich glaube nicht, dass es praktiziert worden ist. Jedenfalls im Bausektor ist es bestimmt nicht praktiziert worden

Vorsitzender Richter:

In welchem Sektor

Zeuge Max Faust:

Im Bausektor

Vorsitzender Richter:

Im Bausektor nicht

Zeuge Max Faust:

Man muss ja unterscheiden zwischen dem Bausektor und dem Montagesektor

Vorsitzender Richter:

Sagen Sie mal, ist denn eigentlich die Fabrik irgendwann einmal angelaufen

Zeuge Max Faust:

Im August 43

Vorsitzender Richter:

Und zwar teilweise oder ganz

Zeuge Max Faust:

Teilweise

Vorsitzender Richter:

Ja. Sonst noch Fragen? Die Staatsanwaltschaft

Staatsanwalt Vogel:

Sie nannten den Namen Höß. Haben Sie nur Höß als Kommandanten kennengelernt oder auch einen anderen Kommandanten später

Zeuge Max Faust:

Nur Höß

Staatsanwalt Vogel:

Wie lange sind Sie selbst denn in Auschwitz geblieben

Zeuge Max Faust:

Ich war bis Januar 45 dort

Staatsanwalt Vogel:

Und die Namen Liebehenschel oder Baer sind Ihnen nicht [bekannt]

Zeuge Max Faust:

Kenne ich, ja, den Namen kenne ich. Ich habe sie nie kennengelernt

Staatsanwalt Vogel:

Sie haben nie persönlich mit ihnen zu tun gehabt

Zeuge Max Faust:

Nein, nein

Staatsanwalt Vogel:

Wissen Sie, dass das die Nachfolger von Höß waren

Zeuge Max Faust:

Ja

Staatsanwalt Vogel:

Und haben Sie mit denen auch korrespondiert

Zeuge Max Faust:

Nein

Staatsanwalt Vogel:

Sondern? Als Höß weg war, mit wem haben Sie denn dann korrespondiert

Zeuge Max Faust:

Mit niemandem. Ich habe mit niemandem hier korrespondiert

Staatsanwalt Vogel:

Na, Sie sagten doch vorhin selbst, die SS war ein militärischer Verband. Irgendeiner muss ja der Chef gewesen sein, an den Sie sich wenden konnten, wenn Sie irgendwelche Wünsche hatten in irgendeiner Art

Zeuge Max Faust:

Ich habe mich aber nicht gewendet

Staatsanwalt Vogel:

Wollen Sie damit sagen, Sie hatten nie irgendwelche Wünsche

Zeuge Max Faust [unterbricht]:

Ich habe mich – ich habe mich von der Beschäftigung der Häftlinge nach Möglichkeit distanziert

Staatsanwalt Vogel:

Sie sagen selbst »nach Möglichkeit«

Zeuge Max Faust [unterbricht]:

Ich habe das dem Herrn Dürrfeld überlassen. Dürrfeld war der Betriebsführer und hatte die Aufgabe, über seine Sozialabteilung, eine sehr große Sozialabteilung, derartige Verhandlungen zu führen. Ich war – ich möchte das ausdrücklich betonen – Bauingenieur und nur Bauingenieur in Auschwitz und hatte als solcher eine derartige Unsumme von technischer Arbeit und technischen Problemen zu lösen, dass ich mich um solche Dinge nicht habe kümmern können

Staatsanwalt Vogel:

Es blieb Ihnen aber doch mindestens noch so viel Zeit, diese Wochenberichte zu schreiben

Zeuge Max Faust:

Die habe ich 43 auch eingestellt, weil ich keine Zeit mehr dazu hatte

Staatsanwalt Vogel:

Sie sagen, Sie haben sich nach Möglichkeit

Zeuge Max Faust [unterbricht]:

Es wurde von mir verlangt, dass ich Wochenberichte schreibe. Nach der Zeit hat da niemand gefragt

Staatsanwalt Vogel:

Eben

Zeuge Max Faust:

Und ich habe es nachher einschlafen lassen. Es hat auch niemand reklamiert

Staatsanwalt Vogel:

Sie sagten, Sie haben sich nach Möglichkeit vor dem Kontakt mit dem KZ oder mit dem Kommandanten gedrückt

Zeuge Max Faust:

Ja

Staatsanwalt Vogel:

Ist Ihnen denn das immer gelungen, wenn Sie selbst schon einschränkend sagen: »Nach Möglichkeit«

Verteidiger Laternser:

Ich widerspreche jetzt dieser Frage, Herr Vorsitzender

Staatsanwalt Vogel:

Warum, bitte

Verteidiger Laternser:

Also auf Ihre Frage brauche ich ja wohl nicht zu antworten, aber es ist so: Ich widerspreche dieser Frage, weil Sie mit dem Prozessstoff nichts zu tun hat

Vorsitzender Richter:

Würden Sie die Frage noch mal wiederholen, Herr Staatsanwalt

Staatsanwalt Vogel:

Auf eine Frage von mir vorhin hat der Zeuge gesagt, er habe sich nach Möglichkeit davor gedrückt, mit dem KZ oder mit dem Kommandanten in Kontakt zu kommen. Und ich wollte jetzt also fragen, wie das aufzufassen ist: »Nach Möglichkeit.« Das deutet doch jedenfalls darauf hin, dass ihm das nicht immer geglückt ist

Vorsitzender Richter:

Ja

Verteidiger Laternser:

Was soll das? Ich widerspreche

Vorsitzender Richter:

Ja, weil der Herr Staatsanwalt wissen will

Staatsanwalt Vogel [unterbricht]:

Ich möchte wissen, was er mit der Kommandantur zu tun hatte

Vorsitzender Richter:

Eben

Zeuge Max Faust:

Dass ich mal mit meinen Mitarbeitern über Häftlingsbeschäftigung reden musste, das ist wohl klar

Staatsanwalt Vogel [unterbricht]:

Das ist selbstverständlich, natürlich

Zeuge Max Faust [unterbricht]:

Wenn ich Leiter der bautechnischen Abteilung bin. Aber ich habe mich nicht mit dem Lager in Verbindung gesetzt

Staatsanwalt Vogel:

Wenn Sie irgendwelche Wünsche hatten – das ist doch zumindest theoretisch denkbar, dass das mal der Fall war –, was haben Sie denn dann getan

Verteidiger Laternser:

Ich widerspreche auch dieser Frage, Herr Vorsitzender

Zeuge Max Faust [unterbricht]:

Gar nichts. Gar nichts

Verteidiger Laternser:

Was hat das alles mit den angeschuldigten Taten zu tun

Vorsitzender Richter:

Aber Herr Rechtsanwalt, Sie vertreten weder Mulka noch Höcker. Und es ist ja hier in dem Beweisantrag behauptet worden, Mulka und Höcker seien verantwortlich für die Befehle, die bei der Rückholung und eventuell Selektierung der arbeitsunfähigen Häftlinge [maßgeblich] gewesen seien. Wenn nun der Herr Staatsanwalt wissen will, inwieweit der Zeuge sich mit diesen Dingen zu befassen hatte und ob er sich vielleicht im einen oder anderen Fall entsinnen kann, ob er doch mit diesem oder jenem zusammengearbeitet hat, dann hängt das doch mit der Sache zusammen. Ich verstehe nicht

Verteidiger Laternser [unterbricht]:

Nach meiner Meinung nicht, und mein Recht des Widerspruchs hängt nicht davon ab, dass ich weder Herrn Höcker noch Herrn Mulka verteidige. Sondern es wird ja auch unser aller Zeit in Anspruch genommen durch Fragen, die mit dem Prozessstoff nichts zu tun haben. Und deswegen widerspreche ich dieser Frage

Vorsitzender Richter:

Na schön. Also

Verteidiger Stolting II [unterbricht]:

Herr Präsident, ich widerspreche dieser Frage auch, aber aus einem anderen Grund. Die Frage des Herrn Staatsanwalts ist nämlich längst beantwortet. Der Zeuge hat ausdrücklich erklärt: »Ich kenne Mulka und Höcker überhaupt nicht.« Wenn er sie überhaupt nicht kennt und sich überhaupt nicht an sie erinnern kann, dann kann man auch nicht durch weitere Befragungen etwa aus dem Zeugen herauszureden versuchen, dass er doch mit ihnen verhandelt hat. Er hat ganz deutlich gesagt: »Ich kenne sie nicht.« Und damit ist die Frage beantwortet. Ich widerspreche deshalb auch dieser Frage

Staatsanwalt Vogel:

Ich halte die Frage aufrecht, weil ich feststellen möchte, mit welchen Dienststellen der SS im Bereich von Auschwitz – und mit irgendeiner muss er ja zu tun gehabt haben –, mit welcher Dienststelle gerade dieser Zeuge verhandelt hat oder verhandeln musste oder verhandeln lassen musste durch Angestellte, wenn er irgendwelche Wünsche durchsetzen wollte

Verteidiger Stolting II:

Dieser Frage ist widersprochen. Und ich bitte, dass der Zeuge veranlasst wird, die Frage nicht mehr zu beantworten, sondern erst entschieden wird

Vorsitzender Richter [unterbricht]:

Sie haben, Herr Staatsanwalt, wissen wollen, an wen sich der Zeuge gewandt hat, wenn er Wünsche bezüglich des Einsatzes von Gefangenen zu besprechen hatte, ja

Staatsanwalt Vogel:

Ja. Insbesondere in der Zeit, als Höß nicht mehr da war. [...]

Vorsitzender Richter:

[Pause] Bitte fragen Sie weiter. Die Frage wird zurückgestellt, weil widersprochen ist

Staatsanwalt Vogel:

Ja. Daraus würden sich möglicherweise noch weitere Fragen ergeben, die ich jetzt noch nicht stellen kann. Deshalb noch eine Frage zur Person des Zeugen: Sind Sie nach dem Krieg wegen Ihrer Tätigkeit während des Krieges bei der IG in Auschwitz verurteilt worden

Zeuge Max Faust:

Nein

Staatsanwalt Vogel:

Ist ein Verfahren gegen Sie anhängig gewesen

Zeuge Max Faust:

Nein

Staatsanwalt Vogel:

Überhaupt nicht? Waren Sie nur als Zeuge in Nürnberg

Zeuge Max Faust:

Jawohl

Staatsanwalt Vogel:

In welchen Sachen

Zeuge Max Faust:

Ja, im IG-Prozess

Staatsanwalt Vogel [unterbricht]:

Im IG-Prozess. Gegen Doktor Ambros

Zeuge Max Faust:

Ja, gegen alle, gegen die 23 Angeklagten.[4]

Staatsanwalt Vogel:

Ja. Danke schön

Vorsitzender Richter:

Bitte schön, ja

Ergänzungsrichter Hummerich:

Herr Zeuge, ist es richtig, dass Ihre Tätigkeit in Auschwitz eine Art technische Stabstätigkeit war

Zeuge Max Faust:

Staatstätigkeit

Ergänzungsrichter Hummerich:

Stabstätigkeit. Dass Sie einen technischen Stab hatten und dass Sie in die technischen Belange dirigistisch einzugreifen hatten. Verstehen Sie, was ich meine

Zeuge Max Faust:

Ja, selbstverständlich. Das liegt ja in der Natur der Sache

Ergänzungsrichter Hummerich:

War das eine Tätigkeit, die sich primär auf das Technische oder primär auf das Arbeitseinsatzmäßige bezog

Zeuge Max Faust:

Absolut auf das Technische

Ergänzungsrichter Hummerich:

Wer war für das Personelle verantwortlich

Vorsitzender Richter:

Das hat er doch schon gesagt

Zeuge Max Faust [unterbricht]:

Ich sagte vorhin schon, eine umfangreiche Sozialabteilung. Und eine sehr gut besetzte Sozialabteilung

Ergänzungsrichter Hummerich:

Wissen Sie, wie das Verhältnis war zwischen anderen Arbeitern und den Häftlingen – prozentual? Wie viele Arbeiter waren insgesamt beschäftigt

Zeuge Max Faust:

Ich schätze, im Durchschnitt höchstens zehn Prozent

Ergänzungsrichter Hummerich:

Zehn Prozent Häftlinge. Danke schön

Vorsitzender Richter:

Herr Zeuge, noch eine Frage

Zeuge Max Faust [unterbricht]:

Entschuldigen Sie bitte

Vorsitzender Richter:

Ja

Zeuge Max Faust:

Es wurden Zahlen von 6.000 und 7.000 genannt. Die waren nie auf der Baustelle. Ich hatte zuletzt im Jahre 44 vielleicht noch 1.700 Häftlinge bei insgesamt etwa 12.000 Bauarbeitern

Vorsitzender Richter:

Herr Zeuge, hatten Sie überhaupt irgendwelche Fragen bezüglich des Einsatzes von Gefangenen mit der Lagerleitung zu besprechen

Zeuge Max Faust:

Nein

Vorsitzender Richter:

Hatten Sie gar nichts zu besprechen

Zeuge Max Faust:

Nein, nein

Vorsitzender Richter:

Ist da vielleicht die Frage erledigt, Herr Staatsanwalt Vogel, an wen er sich dann gewandt haben soll, wenn er sagt, er hatte gar keine derartigen Fragen zu besprechen

Staatsanwalt Vogel:

Es sind aber doch ganz zweifellos in seinem Arbeitsbereich derartige Fragen aufgetaucht. Mit irgend jemand muss er ja doch darüber gesprochen haben. Er muss doch wissen, wer dann diesen Wünschen sich zugänglich gezeigt hat, wenn

Vorsitzender Richter [unterbricht]:

Sagt er ja: Dürrfeld. Oder [...]

Staatsanwalt Vogel:

Und weiß der Zeuge nicht, mit wem Dürrfeld dann verhandelt hat

Zeuge Max Faust:

Ja, Dürrfeld hat meines Wissens mit Höß verhandelt

Staatsanwalt Vogel:

Und als der weg war

Zeuge Max Faust:

Das weiß ich nicht. Da müssen Sie Herrn Dürrfeld selbst fragen

Staatsanwalt Vogel:

Gut, danke. Damit ist meine Frage [unverständlich] Vorsitzender Richter:

Dann entfällt die Frage

Nebenklagevertreter Ormond:

Ich habe noch eine Frage, Herr Vorsitzender

Vorsitzender Richter:

Also es wird Widerspruch eingelegt. Rechtsanwalt Vogel nimmt die Frage zurück

Staatsanwalt Vogel:

Staatsanwalt

Vorsitzender Richter:

Staatsanwalt Vogel, ich bitte um Entschuldigung. Wenn keine Fragen mehr sind von seiten... Oh doch, Herr Rechtsanwalt Ormond, bitte sehr

Nebenklagevertreter Ormond:

Herr Zeuge, Sie haben die Bezeichnung Generalbauleiter in Buna-Monowitz gehabt

Zeuge Max Faust:

Das höre ich das erste Mal, den Ausdruck

Nebenklagevertreter Ormond:

Er findet sich aber in den Protokollen vor

Zeuge Max Faust:

In welchen Protokollen

Nebenklagevertreter Ormond:

Den Baubesprechungen, den Sitzungen des Arbeitsausschusses

Zeuge Max Faust:

Was für ein Arbeitsausschuss

Nebenklagevertreter Ormond:

Sie haben doch eine ganze Anzahl Protokolle – ich glaube, es gibt 30 Sitzungen oder 24 Sitzungen, die erhalten geblieben sind und in denen Sie sehr oft Vortrag gehalten haben. Wie haben Sie diese Sitzungen genannt

Verteidiger Stolting II:

Ich widerspreche dieser Frage, Herr Präsident. Die Frage hat nichts mit dem Komplex hier zu tun

Zeuge Max Faust:

Ich weiß wirklich nicht, was Sie für Sitzungen meinen

Verteidiger Laternser [unterbricht]:

Ich bin der gleichen Meinung, ich widerspreche auch dieser Frage

Verteidiger Stolting II:

Herr Präsident, darf ich Sie bitten, doch dafür zu sorgen, wenn widersprochen wird, dass der Zeuge nicht Gelegenheit nehmen kann, die Frage doch noch vorher zu beantworten, sondern dass erst die Entscheidung des Gerichts herbeigeführt wird

Vorsitzender Richter:

Ja, ich habe gar keine Kenntnis davon genommen, dass der Zeuge schon eine Frage beantwortet

Verteidiger Stolting II [unterbricht]:

Doch, eben hat er sie schon zu beantworten versucht jedenfalls

Vorsitzender Richter:

Das ist in dem Stimmengewirr untergegangen

Verteidiger Stolting II:

Das soll auch kein Vorwurf sein. Ich wollte nur darauf hinweisen

Vorsitzender Richter:

Danke sehr. Also, Herr Rechtsanwalt Ormond

Nebenklagevertreter Ormond:

Es ist widersprochen, nicht

Vorsitzender Richter:

Es ist widersprochen worden, und zwar der Frage, ob er die Stellung eines Generalbauleiters gehabt habe

Nebenklagevertreter Ormond:

Ganz richtig. Die nächste Frage ist die: Ist es richtig

Vorsitzender Richter [unterbricht]:

Aber die Frage hat doch der Zeuge schon beantwortet. Er hat gesagt: »Ich habe diesen Ausdruck heute zum ersten Mal gehört.« Also kann er ihn damals nicht getragen haben

Nebenklagevertreter Ormond:

Ich weiß es nicht. Ich müsste zu Hause nachsehen und ihm das Protokoll vorhalten. Aber ich halte das für nicht so wichtig

Vorsitzender Richter [unterbricht]:

Also wollen wir das fallenlassen

Nebenklagevertreter Ormond:

Ich lasse das fallen

Vorsitzender Richter:

Ja

Nebenklagevertreter Ormond:

Herr Zeuge, als Himmler Auschwitz besuchte und auch Buna-Monowitz, haben Sie ihn da im Lager herumgeführt

Zeuge Max Faust:

Jawohl, und zwar deshalb, weil die drei anderen leitenden Männer zufällig verreist waren

Nebenklagevertreter Ormond:

Aha

Zeuge Max Faust:

Und dieser Anlass – es ist mir eine gewisse Genugtuung, dass die Sprache darauf kommt –, dieser Anlass, dass ich im Jahre 1942, glaube ich, gezwungen war, als Vertreter der IG den sogenannten Reichsführer SS Himmler zwei Stunden lang über die Baustelle zu führen, wobei natürlich geknipst wurde von allen möglichen Leuten, diese Tatsache ist der Anlass, dass ich nun seit, genau gesagt, Dezember 1952, Herr Rechtsanwalt Ormond, in allen Zeitungen herumgezogen werde

Nebenklagevertreter Ormond [unterbricht]:

4. Dezember.[5]

Zeuge Max Faust [unterbricht]:

Im In- und im Ausland mit diesem Foto. Meistens mit Überschriften, »Mörder unter uns« und ähnlichen Überschriften. Und ich kann mich nicht dagegen wehren. Ich möchte diese Stunde nun mal zum Anlass nehmen, dagegen zu protestieren. Denn das kann mir nun wirklich keiner übelnehmen, wenn ich als Vertreter der IG den Herrn Himmler zwei Stunden über die Baustelle führe. Im Übrigen ist dadurch über mich ein Eindruck entstanden, der absolut nicht den Tatsachen entspricht. Und ich möchte Ihnen, Herr Vorsitzender, als Dokument eine eidesstattliche Erklärung übergeben, die mir 1948 der Ihnen sicher bekannte Arzt Doktor Hans Münch damals überreicht hat. Aus dieser eidesstattlichen Erklärung geht hervor, wes Geistes Kind ich bin

Vorsitzender Richter:

Ja, ist sonst noch eine Frage

Nebenklagevertreter Ormond:

Ich habe noch viele Fragen

Vorsitzender Richter:

Bitte schön

Zeuge Max Faust:

Ich gebe gern auch Ihnen, Herr Rechtsanwalt, einen Durchschlag

Nebenklagevertreter Ormond:

Gern, bitte. Ich möchte ihnen jetzt ein Bild zeigen, weil Sie gesagt haben, Sie hörten »Generalbauleiter« zum ersten Mal. Einen Moment. Da steht drin: »Himmler in Oświęcim 1942, in Begleitung von« Ingenieur Faust, Generalbauleiter der IG Buna-Werke. Sehen Sie sich das mal mit der Unterschrift an

Zeuge Max Faust:

Ja, Herr Rechtsanwalt Ormond, das habe ich doch nicht daruntergeschrieben. Das hat doch der Verfasser dieser Schrift daruntergeschrieben. Wer ist es

Nebenklagevertreter Ormond:

Das ist die Hauptkommission zur Verfolgung

Zeuge Max Faust [unterbricht]:

Die Zentralkommission, nicht

Nebenklagevertreter Ormond [unterbricht]:

Von NS-Verbrechen in Polen

Zeuge Max Faust:

Was ist denn darüber nicht alles geschrieben worden, was nicht den Tatsachen entspricht, in den letzten 15 Jahren. Das können Sie mir doch nicht sagen, dass ich deshalb

Vorsitzender Richter [unterbricht]:

Also der Zeuge hat jedenfalls

Zeuge Max Faust [unterbricht]:

Dass ich deshalb Generalbauleiter bin, weil das der Mann da in seine Broschüre geschrieben hat

Nebenklagevertreter Ormond:

Das ist an sich eine amtliche Broschüre, die herausgekommen ist, von der polnischen Kommission

Zeuge Max Faust:

Ja Gott, dann hat sich diese

Nebenklagevertreter Ormond [unterbricht]:

Und die weiß ja schließlich Bescheid über die Dinge

Zeuge Max Faust:

Ja, dann hat sich eben diese amtliche Kommission auch getäuscht

Nebenklagevertreter Ormond:

Finden Sie

Zeuge Max Faust:

Der Ausdruck Generalbauleiter ist nie gefallen. Der ist gar nicht üblich

Verteidiger Stolting II [unterbricht]:

Herr Präsident, ich bitte doch abzustellen, dass objektiv unrichtige Vorhalte gemacht werden. Man kann hier nicht vorhalten, dass es sich um ein amtliches Dokument handle, wenn es von einem Ostblockstaat oder irgendeiner Kommission eines Ostblockstaates stammt. Das sind keine amtlichen Dokumente in unserem Sinne

Vorsitzender Richter:

Es sind Dokumente, die von einer Institution abgefasst worden sind, die drüben als Annex des Justizministeriums geführt wird

Nebenklagevertreter Ormond:

Ja

Verteidiger Stolting II:

Amtlich im Ostblock-Sinne

Vorsitzender Richter:

Also

Nebenklagevertreter Ormond:

Ja, in Polen kann ja nicht der Westblock sein, nicht

Sprecher (nicht identifiziert):

Kann ja vielleicht noch kommen

Zeuge Max Faust:

Herr Vorsitzender, ich bitte, dazu noch etwas sagen zu dürfen

Vorsitzender Richter:

Bitte schön

Zeuge Max Faust:

Ich möchte ausdrücklich betonen, dass der Werksleiter Herr Doktor Dürrfeld war, der eine absolute Autorität in dem ganzen Werk war. Ich war nicht der, den Herr Rechtsanwalt Ormond..

Vorsitzender Richter:

Meint

Zeuge Max Faust:

Hält von mir. Das stimmt einfach nicht

Vorsitzender Richter [unterbricht]:

Ist noch eine Frage

Nebenklagevertreter Ormond:

Ja

Vorsitzender Richter:

Bitte schön

Nebenklagevertreter Ormond:

Herr Zeuge, war Ihnen bekannt, dass der Kommandant beziehungsweise der Adjutant des Lagers als Wirtschaftsdirektor für alle Betriebe im Bereich von Auschwitz eingesetzt war

Zeuge Max Faust:

Nein, weiß ich nicht

Nebenklagevertreter Ormond:

Wollen Sie sagen, dass Sie selbst nie irgendwelche Verhandlungen über bestimmte Vorkommnisse mit der SS geführt haben

Verteidiger Stolting II:

Ich widerspreche, die Frage ist längst beantwortet

Vorsitzender Richter:

Die Frage ist beantwortet

Nebenklagevertreter Ormond:

Dann muss ich eben Einzelheiten dem Zeugen vorlegen

Vorsitzender Richter:

Der Herr Zeuge hat gesagt, er hätte zwei Verhandlungen geführt, eine im Jahr 41 und eine später, es könnte im Jahr 43 gewesen sein

Verteidiger Laternser:

42 wird es gewesen sein

Zeuge Max Faust:

Bitte, es können auch drei Verhandlungen gewesen sein. Also meine Herren

Vorsitzender Richter [unterbricht]:

Zwei bis drei

Zeuge Max Faust:

Das kann ich Ihnen heute nicht mehr sagen

Nebenklagevertreter Ormond:

Ich will Sie mal an einige Vorgänge erinnern. Sie werden dann wahrscheinlich Ihre Zahl nicht unerheblich erhöhen

Verteidiger Laternser:

Nur wenn es dem Prozessverlauf [unverständlich]

Nebenklagevertreter Ormond:

Ja, ja

Nebenklagevertreter Raabe:

Er soll doch endlich mal die Rederei unterlassen

Nebenklagevertreter Ormond:

Denn es handelt sich ja darum, dass der Zeuge über Dinge aussagen soll, die er mit den maßgebenden SS-Instanzen, das heißt dem Kommandanten und dem Adjutanten, geführt hat. Also muss mir die Möglichkeit gegeben werden, nachdem er sich nicht daran erinnert, er sich seinerzeit aber ja daran erinnert hat, Auskunft darüber zu geben, und für mich, Fragen zu stellen. Erinnern Sie sich daran, dass seinerzeit eine Fleckfieberepidemie im Lager war

Zeuge Max Faust:

Ja natürlich. 42

Nebenklagevertreter Ormond:

Kann auch 41 [gewesen sein]. Oder 42

Zeuge Max Faust:

41 war es nicht. 42

Nebenklagevertreter Ormond:

42. Dass Sie darauf angeordnet haben, dass die Arbeit im Lager eingestellt wird

Verteidiger Stolting II:

Ich widerspreche der Frage. Die hat mit dem Komplex nichts zu tun

Verteidiger Laternser:

Ich widerspreche auch

Nebenklagevertreter Ormond:

Und dass Sie sich darüber mit der SS verständigt haben

Verteidiger Stolting II:

Ich widerspreche auch dieser Frage

Verteidiger Laternser [unterbricht]:

Ich schließe mich dem Widerspruch an

Verteidiger Stolting II:

Weil sie längst beantwortet ist

Vorsitzender Richter:

Also diese Frage ist nicht gestellt, sondern sie ist lediglich als Gedächtnisstütze

Nebenklagevertreter Ormond [unterbricht]:

Richtig

Vorsitzender Richter [unterbricht]:

Dem Zeugen vorgehalten worden, um seine Aussage, er habe nur zwei- oder dreimal verhandelt mit der Leitung des Lagers Auschwitz, um diese Antwort des Zeugen zu berichtigen

Verteidiger Stolting II:

Ich bitte dann um Gerichtsbeschluss, Herr Präsident

Vorsitzender Richter:

Ja, das ist ja keine Frage, die er gestellt hat. Er hat ja lediglich

Verteidiger Stolting II [unterbricht]:

Doch. Er erwartet doch eine Antwort

Vorsitzender Richter:

Er hat vorgehalten und hat gefragt, ob der Zeuge seine Aussage, nur zwei- oder dreimal dort Besprechungen gehabt zu haben, richtigstellen wolle, wenn ihm vorgehalten würde, dass damals anlässlich dieser Fleckfiebererkrankung Besprechungen stattgefunden hätten

Verteidiger Stolting II:

Verzeihen Sie, Herr Präsident, Sie haben mit der bei Ihnen gewohnten Güte die Frage des Herrn Nebenklägervertreters wieder etwas erweitert und etwas anders gedeutet. Es ist ganz klar gefragt worden, ob er sich an den Vorfall mit dem Fleckfiebertyphus erinnert. Daraufhin hat der Zeuge, bevor ich widersprechen konnte, gesagt: »Ja.« Daraufhin hat Herr Rechtsanwalt Ormond weiter gefragt, ob er damals angeordnet habe, dass die Arbeiten eingestellt werden sollten. Das ist eine Frage gewesen, und dieser Frage habe ich widersprochen. Und er hat dann weiter gefragt, ob er in diesem Zusammenhang Verhandlungen mit der SS geführt habe. Und auch dieser Frage habe ich widersprochen. Und ich bitte deshalb um einen Gerichtsbeschluss

Vorsitzender Richter:

Nun ja. Also ob die Arbeiten daraufhin eingestellt worden seien und ob Besprechungen mit der SS insoweit stattgefunden hätten

Nebenklagevertreter Ormond:

Gut. Mein nächster Vorhalt, Herr Zeuge: Ist es richtig, dass am Anfang die Häftlinge marschieren mussten nach der Baustelle und zurück und dass Sie daraufhin sich mit der SS in Verbindung gesetzt haben, weil die Leute in erschöpftem Zustand an der Baustelle ankamen

Verteidiger Stolting II:

Ich widerspreche auch dieser Frage

Vorsitzender Richter:

Ob Besprechungen wegen des Transports der Häftlinge zur Arbeitsstelle stattgefunden hätten

Nebenklagevertreter Ormond:

Ja. Die nächste Frage: Ist es richtig, dass Sie dann der Lagerleitung beziehungsweise der SS vorgeschlagen haben, dass ein besonderes Lager gebaut werden soll, und dass die SS zugestimmt, aber bestimmte Anforderungen an dieses Lager gestellt hat

Verteidiger Stolting II:

Ich widerspreche dieser Frage. Es geht hier nicht allgemein um die SS, sondern es geht hier um die Angeklagten Mulka und Höcker

Vorsitzender Richter:

Dass ein besonderes Lager für die bei dem Aufbau der Buna-Werke beschäftigten Häftlinge eingerichtet werden soll. Ja

Nebenklagevertreter Ormond:

Jawohl. Nächste Frage: Ist es richtig, dass Sie beabsichtigten, zusätzliche Nahrungsmittel, darunter die »Buna-Suppe«, den Häftlingen zu liefern und dass Sie darüber mit der Kommandantur verhandelt haben

Verteidiger Stolting II:

Ich widerspreche dieser Frage aus den schon eben angegebenen Gründen

Vorsitzender Richter:

[Pause] Bitte schön, weiter

Nebenklagevertreter Ormond:

Ist es richtig, dass die SS Ihnen vorschrieb, einen Krankenbau im Lager zu errichten, und dass Sie wegen der Ausstattung dieses Krankenbaus mit der Kommandantur verhandelt haben

Verteidiger Stolting II:

Ich widerspreche dieser Frage

Vorsitzender Richter:

[Pause] Ja

Nebenklagevertreter Ormond:

Ist es richtig, dass Sie sich wegen der Misshandlungen von Häftlingen durch die SS bei der Kommandantur beschwert haben, da das auf die Arbeitsmoral hindernd einwirke

Verteidiger Stolting II:

Ich widerspreche auch dieser Frage

Vorsitzender Richter:

[Pause] Bitte schön

Nebenklagevertreter Ormond:

Ist es richtig, dass Sie sich beim Adjutanten darüber beschwert haben, dass bei geringen Anlässen, wenn Häftlinge die Kette überschritten, sie erschossen würden? Und ist es richtig, dass Sie die Zahl der erschossenen Häftlinge mit etwa zwölf angegeben haben

Vorsitzender Richter:

Also eine Beschwerde bei dem Adjutanten? Bei welchem Adjutanten

Nebenklagevertreter Ormond:

Das kann ich heute nicht sagen

Vorsitzender Richter:

Beschwerde bei dem Adjutanten

Nebenklagevertreter Ormond:

Darüber, dass bei geringem Anlass, Postenkette-Überschreitung

Vorsitzender Richter [unterbricht]:

Bei Überschreitung von Postenkette

Nebenklagevertreter Ormond:

Die Häftlinge erschossen würden und dass Sie die Zahl der Erschossenen mit etwa zwölf angegeben haben

Verteidiger Stolting II:

Herr Präsident, ich verwahre mich gegen diese typisch Kaulsche Fragestellung. Der Zeuge hat bereits gesagt, er kennt die Adjutanten, die Namen Mulka und Höcker [nicht]. Und das sind die beiden einzigen Adjutanten, die in diesem Saal anwesend sind und die unter Anklage gestellt sind. Die kennt er nicht. Wie kann man dann noch als vernünftiger Anwalt fragen, ob er diese Verhandlungen mit den Adjutanten geführt hat? Wenn er mit anderen gesprochen hätte, interessiert das doch in diesem Zusammenhang überhaupt nicht

Vorsitzender Richter:

Aber Herr Rechtsanwalt, der Vertreter der Nebenklage möchte in diesem Zusammenhang das Gedächtnis des Zeugen auffrischen, indem er ihm bestimmte konkrete Vorkommnisse vorhält, um ihn dann zu befragen, ob er nunmehr dabei bleibt, dass es nur in zwei oder drei Fällen zu einer Besprechung gekommen sei

Verteidiger Stolting II:

Herr Präsident, ich bitte zu entschuldigen, wenn ich Ihnen widerspreche

Vorsitzender Richter:

Ja

Verteidiger Stolting II:

Der Herr Kollege Ormond stellt eben keine konkreten Fragen. Sie haben mit Recht die Frage dahin zu konkretisieren versucht: »Welcher Adjutant?« Daraufhin hat er erklärt: »Das kann ich nicht sagen.« Der Zeuge hat aber ausdrücklich gesagt: »Von Mulka und Höcker kenne ich noch nicht einmal die Namen.« Folglich kann er doch durch diese Fragestellung das Gedächtnis des Zeugen gar nicht auffrischen

Vorsitzender Richter:

Ja, es wäre aber doch möglich

Verteidiger Stolting II [unterbricht]:

Das sind die Methoden, die der Herr Kaul hier immer in den Prozess hineingetragen hat und die nun merkwürdigerweise, weil er leider nicht da ist, von anderen übernommen werden

Vorsitzender Richter:

Na ja. Also Sie haben widersprochen. Haben Sie noch eine Frage

Nebenklagevertreter Ormond:

Ja. Ist es richtig, dass Sie mit der SS darüber verhandelt haben, dass Sie bei strenger Kälte den Häftlingen Winterjacken geben dürften

Verteidiger Stolting II:

Ich widerspreche dieser Frage. Herr Präsident, ich glaube, es ist richtiger, ich sage jetzt, ich widerspreche sämtlichen Fragen, die gestellt werden. Da brauche ich Sie nicht jedesmal zu unterbrechen

Nebenklagevertreter Raabe:

Das verträgt sich mit der Prozessordnung aber leider nicht

Vorsitzender Richter:

Nun, Herr Rechtsanwalt Ormond, was soll nun diese Besprechung wegen dieser Winterkleidung zu tun haben mit der Frage, ob die hier auf der Anklagebank sitzenden Männer Mord oder Beihilfe zum Mord

Nebenklagevertreter Ormond [unterbricht]:

Herr Vorsitzender, es steht fest durch Dokumente, auch aus den eigenen Aussagen des Angeklagten Mulka, dass er der Wirtschaftsdirektor oder, wie sich das damals nannte, der Wirtschaftsleiter gewesen ist. Besprechungen dieser Art mussten deshalb mit ihm geführt werden. Der Zeuge sagt ganz allgemein, er kann sich nicht erinnern. Ich versuche, ihn durch ganz konkrete Beispiele in seinem Gedächtnis zu stützen. Denn diese Dinge sind von ihm mit dem Kommandanten oder mit dem Adjutanten besprochen worden

Vorsitzender Richter:

Wissen Sie, dass sie von ihm abgehalten worden sind, die Besprechungen

Nebenklagevertreter Ormond:

Ja

Vorsitzender Richter:

Von ihm persönlich

Nebenklagevertreter Ormond:

Ja

Vorsitzender Richter:

So. Nun ja

Nebenklagevertreter Ormond:

Die nächste Frage ist die: Herr Zeuge, es sind gegen einige von Ihren Meistern Verfahren eingeleitet worden wegen Häftlingsbegünstigung. Ich erinnere Sie an die Namen Pfeifer und Seliger oder Selinger. Ist es richtig, dass Sie darüber verhandelt haben und dass es Ihnen dann gelungen ist, diese beiden Meister, die verhaftet waren, frei zu bekommen

Verteidiger Stolting II:

Ich widerspreche auch dieser Frage

Vorsitzender Richter:

Verfahren gegen Meister wegen Häftlingsbegünstigung und Einschaltung des Zeugen, Intervention des Zeugen auf Freilassung. Ja

Nebenklagevertreter Ormond:

Jawohl. Herr Zeuge, haben Sie mit der Kommandantur wegen des Sprechverbots, das zu Schwierigkeiten geführt hat, verhandelt

Verteidiger Stolting II:

Ich widerspreche dieser Frage

Vorsitzender Richter:

[Pause] Weiter

Nebenklagevertreter Ormond:

Herr Zeuge, ist die Arbeitszeit von im Sommer wöchentlich 60 Stunden mit der Kommandantur beziehungsweise dem Adjutanten festgelegt worden

Verteidiger Stolting II:

Widerspruch

Vorsitzender Richter:

[Pause] Weiter

Nebenklagevertreter Ormond:

Herr Zeuge, Sie haben an die SS für Facharbeiter vier Mark, für Hilfsarbeiter drei Mark täglich bezahlt. Mussten Sie die Genehmigung der SS, der Kommandantur, erhalten, um diese Häftlinge an andere Firmen weitervermieten zu können

Verteidiger Stolting II:

Ich widerspreche dieser Frage

Verteidiger Laternser:

Was soll denn das [unverständlich]

Vorsitzender Richter:

Ja, und wieso hängt das jetzt wieder zusammen

Nebenklagevertreter Ormond:

Diese Verhandlungen sind geführt worden mit der Kommandantur des Lagers

Verteidiger Stolting II:

Das war bis jetzt im Prozess nur von Herrn Kaul behauptet worden, aber

Vorsitzender Richter [unterbricht]:

Ja, Herr Rechtsanwalt Ormond, da müssten Sie aber doch schon, um den Zusammenhang festzustellen, den Zeugen fragen, ob er diese Verhandlungen mit Mulka oder mit Höcker geführt hätte

Nebenklagevertreter Ormond:

[Pause] Es ist ganz allgemein, dass ich die Frage stelle, Herr Vorsitzender. Und es wird sich dann ergeben aus der Antwort des Zeugen. Und er muss sich ja jetzt endlich einmal daran erinnern, mit wem er diese Verhandlungen geführt hat

Vorsitzender Richter:

Also Sie wollen wissen, ob er wegen der Weitervermietung von Häftlingen an andere Firmen mit der Kommandantur oder dem Adjutanten gesprochen hat

Nebenklagevertreter Ormond:

Da der Adjutant der Wirtschaftsleiter war, so gehörte das in seine Zuständigkeit

Verteidiger Laternser:

Was hat das mit dem [unverständlich]

Nebenklagevertreter Ormond:

Letzte Frage: Herr Zeuge, haben Sie jene Maurerschule in Buna-Monowitz errichtet und sich dazu die Genehmigung von der Kommandantur beziehungsweise dem Adjutanten geben lassen

Verteidiger Stolting II:

Widerspruch. [Pause]

Nebenklagevertreter Ormond:

Ich habe keine weiteren Fragen

Vorsitzender Richter:

Sind von seiten der Verteidigung noch Fragen zu stellen

Sprecher (nicht identifiziert):

Nein

Vorsitzender Richter:

Nein. Die Angeklagten? Mulka, wollten Sie was dazu sagen

Angeklagter Mulka:

Laut Befehl vom 1. Mai 1942 des Wirtschafts-Verwaltungshauptamtes, Amt W IV, wird der Kommandant des Lagers zum Wirtschaftsdirektor und der Adjutant des Lagers zum Sachbearbeiter für die Wirtschaftlichkeit der SS-Betriebe ernannt. Mit den Betrieben der IG, die ja völlig SS-fremd war, haben weder der Direktor noch der Sachbearbeiter irgend etwas zu tun gehabt

Vorsitzender Richter:

Von seiten Höcker

Angeklagter Höcker:

Ich bin nie – wie nennt es sich

Sprecher (nicht identifiziert) [unterbricht]:

Wirtschaftsleiter

Angeklagter Höcker:

Wirtschaftsdirektor oder Wirtschaftsleiter gewesen. Ist mir vollkommen unbekannt, dieser Ausdruck oder diese Dienststelle

Vorsitzender Richter:

Wenn sonst von seiten der Angeklagten keine Fragen mehr zu stellen sind, dann wollen wir beraten über die Zulässigkeit dieser Fragen

Herr Staatsanwalt, in der Zwischenzeit könnten Sie den Zeugen Gerbig auf heute nachmittag um drei Viertel zwei bestellen

Staatsanwalt Wiese:

Ist bereits geschehen. Er kommt

Vorsitzender Richter:

Ist geschehen. Und eine Aussagegenehmigung brauchen wir vermutlich nicht. Wie ist es nun mit dem anderen Zeugen, den wir noch vernommen haben, der noch nicht[6]

Vorsitzender Richter:

Besprechungen mit der SS stattgefunden haben

Zeuge Max Faust:

Jawohl, das stimmt

Vorsitzender Richter:

Haben Sie die Besprechungen geführt

Zeuge Max Faust:

Weiß ich nicht mehr, wer die geführt hat. Ich glaube nicht, dass ich sie geführt habe

Vorsitzender Richter:

Sie glauben nicht, dass Sie sie geführt haben. Wissen Sie, mit wem die geführt worden sind

Zeuge Max Faust:

Wahrscheinlich mit Höß

Vorsitzender Richter:

Mit Höß, meinen Sie

Zeuge Max Faust:

Nehme ich an

Vorsitzender Richter:

Nehmen Sie an. Wissen Sie, ob Besprechungen stattgefunden haben wegen des Transportes der Häftlinge, die bisher marschiert waren und die dann mit Kraftwagen zu

Zeuge Max Faust [unterbricht]:

Ebenfalls, ja

Vorsitzender Richter:

Wissen Sie, ob Sie die Besprechungen geführt haben

Zeuge Max Faust:

Weiß ich auch nicht mehr

Vorsitzender Richter:

Wissen Sie, mit wem die Besprechungen geführt worden sind

Zeuge Max Faust:

Wahrscheinlich auch mit Höß

Vorsitzender Richter:

Wissen Sie, ob Sie wegen einer besonderen Verpflegung, der sogenannten Buna-Suppe, geführt worden sind

Zeuge Max Faust:

Jawohl. Auch das

Vorsitzender Richter:

Haben Sie die geführt

Zeuge Max Faust:

Nein

Vorsitzender Richter:

Und wissen Sie, mit wem die geführt worden sind

Zeuge Max Faust:

Wahrscheinlich auch mit Höß oder mit einem seiner Mitarbeiter. Das weiß ich nicht mehr

Vorsitzender Richter:

Wissen Sie, ob außerdem Besprechungen darüber geführt worden sind, ob ein Häftlingskrankenbau errichtet werden sollte

Zeuge Max Faust:

Zweifellos

Vorsitzender Richter:

Die sind geführt worden

Zeuge Max Faust:

Ja, zweifellos

Vorsitzender Richter:

Und mit wem

Zeuge Max Faust:

Weiß ich auch nicht

Vorsitzender Richter:

Und wer hat sie geführt

Zeuge Max Faust:

Weiß ich auch nicht mehr

Vorsitzender Richter:

Wissen Sie nicht. Wissen Sie, ob diese Besprechungen stattgefunden haben wegen der Misshandlung der Häftlinge durch die SS-Leute, weil dadurch die Arbeitsmoral beeinträchtigt würde

Zeuge Max Faust:

Jawohl. Ich weiß mit Bestimmtheit, dass Herr Dürrfeld mehrfach über diesen Komplex mit Höß verhandelt hat

Vorsitzender Richter:

Mit Höß

Zeuge Max Faust:

Ja

Vorsitzender Richter:

Waren Sie dabei

Zeuge Max Faust:

Ich glaube nicht

Vorsitzender Richter:

Wissen Sie, ob außer Höß noch jemand bei diesen Besprechungen war

Zeuge Max Faust:

Weiß ich nicht

Vorsitzender Richter:

Wissen Sie nicht. Wissen Sie, ob Besprechungen darüber stattgefunden haben, dass ein besonderes Lager gebaut werden sollte für die bei dem Buna-Werk beschäftigten Häftlinge

Zeuge Max Faust:

Im Frühjahr 1942 ist darüber gesprochen worden in einer sogenannten Bausitzung. Die Bausitzungen haben normalerweise jedes Vierteljahr einmal unter Teilnahme von verschiedenen Vorstandsmitgliedern der IG stattgefunden. Das war die erste Bausitzung nach dem Eintritt dieser Fleckfieberepidemie. Da wurde dann in der Bausitzung beraten, wie und wo man ein Lager für die Häftlinge einrichten könne. In dieser Zeit war ein Lager für deutsche Facharbeiter, ein besonders gut ausgestattetes Lager für deutsche Facharbeiter, im Bau und fast fertiggestellt. Und da wurde beschlossen, dass dieses Lager nicht für deutsche Facharbeiter, sondern für die Häftlinge vorgesehen werden soll

Vorsitzender Richter:

Wissen Sie, ob bei dieser Besprechung jemand seitens der SS dabei war

Zeuge Max Faust:

Nein, diese Bausitzungen waren IG-intern

Vorsitzender Richter:

Und wissen Sie, ob dieses Ergebnis dieser Besprechungen nachher auch mit den Vertretern des Lagers Auschwitz besprochen wurde

Zeuge Max Faust:

Zweifellos, ich weiß aber nicht, wer die Besprechungen geführt hat und mit wem

Vorsitzender Richter:

Wissen Sie, ob die Erschießung von Häftlingen besprochen worden ist, die sich außerhalb der Postenkette bewegt haben sollen, deren Zahl auf zwölf beziffert wurde

Zeuge Max Faust:

Es ist zweifellos auch darüber gesprochen worden

Vorsitzender Richter:

Mit wem

Zeuge Max Faust:

Das weiß ich auch nicht, aber sicher mit Höß. Mit wem sollten wir sonst verhandeln

Vorsitzender Richter:

Nun, es wäre ja möglich gewesen

Zeuge Max Faust [unterbricht]:

Normalerweise hat diese Verhandlungen Herr Doktor Dürrfeld geführt

Vorsitzender Richter:

Nur wäre es ja auch möglich gewesen, dass bei diesen Verhandlungen vielleicht der Adjutant angesprochen gewesen wäre

Zeuge Max Faust:

Das kann ich Ihnen nicht sagen

Vorsitzender Richter:

Das wissen Sie nicht. Und ob wegen der Beschaffung von Winterbekleidung gesprochen worden ist

Zeuge Max Faust:

Ist auch darüber gesprochen worden, jawohl

Vorsitzender Richter:

Aber Sie wissen auch nicht, mit wem und von wem

Zeuge Max Faust:

Nein. Ich könnte mir vorstellen, dass beispielsweise solche Fragen wie die Bekleidung und die Verpflegung von der Wirtschaftsabteilung der IG geführt worden sind. Wir hatten ja auch eine sehr umfangreiche Wirtschaftsabteilung, deren Aufgabe die Verpflegung der gesamten Belegschaft war

Vorsitzender Richter:

Sie selbst können sich an diese Besprechung nicht mehr erinnern

Zeuge Max Faust:

Nein

Vorsitzender Richter:

Dann: Ob eine Verhandlung stattgefunden hat, weil Meister von der IG wegen Häftlingsbegünstigung angezeigt worden sein sollen, Pfeifer und Selinger

Zeuge Max Faust:

Jawohl, das waren zwei Meister von mir. Ein Schreinermeister und ein Zimmermeister war es, glaube ich. Und diese Verhandlungen habe ich meiner Erinnerung nach telefonisch geführt. Mit wem weiß ich allerdings auch nicht, wahrscheinlich mit Höß auch. Ich weiß es nicht mehr

Vorsitzender Richter:

Wegen des

Zeuge Max Faust [unterbricht]:

Hat übrigens lange gedauert, bis ich die wieder frei hatte

Vorsitzender Richter:

Aber Sie wissen nicht mehr, mit wem Sie telefoniert haben

Zeuge Max Faust:

Das kann ich nicht mehr sagen

Vorsitzender Richter:

Ob Sie wegen Sprechverbots mit der Kommandantur verhandelt hätten

Zeuge Max Faust:

Möglicherweise ja. Und zwar in Zusammenhang mit einer Vorschrift des KZs, nach der jeder auf der Baustelle Beschäftigte eine Erklärung unterschreiben musste, in der er sich verpflichtet hat, mit den Häftlingen in keine Berührung zu treten

Vorsitzender Richter:

Aber mit wem Sie gesprochen haben, wissen Sie auch in diesem Fall nicht

Zeuge Max Faust:

Nein, das weiß ich nicht mehr

Vorsitzender Richter:

Ob die Arbeitszeit von wöchentlich 60 Stunden festgelegt worden ist durch eine Besprechung mit der Kommandantur oder mit dem Adjutanten

Zeuge Max Faust:

Das glaube ich eigentlich nicht, weil die Arbeitszeit von der IG selbst bestimmt worden ist

Vorsitzender Richter:

Ist irgend etwas verhandelt worden darüber, dass Sie Häftlinge an andere Firmen weitervermieten durften

Zeuge Max Faust:

Ja. Ich sagte ja eingangs schon, dass die Bauaufträge alle an Firmen vergeben wurden. Die IG selbst hat kaum Arbeiter beschäftigt. Und infolgedessen mussten natürlich die Firmen auch zum Teil Häftlinge mit in ihre Belegschaft aufnehmen

Vorsitzender Richter:

Wissen Sie, ob eine Maurerschule in Monowitz errichtet worden ist

Zeuge Max Faust:

Ja

Vorsitzender Richter:

Mit wem haben Sie darüber verhandelt

Zeuge Max Faust:

Das kann ich Ihnen nicht mehr sagen

Vorsitzender Richter:

Wissen Sie nicht mehr

Zeuge Max Faust:

Unmöglich

Vorsitzender Richter:

Ja. Nun, sagen Sie, Sie haben uns eingangs gesagt, dass vielleicht in zwei oder drei Fällen von Ihnen verhandelt worden sei mit der Kommandantur. Würden Sie jetzt nicht sagen, dass diese Fälle doch häufiger gewesen sein können

Zeuge Max Faust:

Na ja, Gott, das kann auch drei- oder viermal gewesen sein. Aber es war nicht oft

Vorsitzender Richter:

Ja, diese ganzen verschiedenen Verhandlungen, die müssen

Zeuge Max Faust [unterbricht]:

Ich glaube zum Beispiel, dass ich nach 42 überhaupt nicht mehr mit der SS verhandelt habe, weil dann Dürrfeld und die anderen beiden Direktoren ständig da waren und wahrscheinlich auch die Verhandlungen geführt haben. Aber wie gesagt, darüber kann ich keine Auskunft mehr geben

Vorsitzender Richter:

Sonst sind keine Fragen mehr zu stellen. Oder sind da noch Erklärungen abzugeben von seiten der Angeklagten? Nein. Herr Zeuge, können Sie das, was Sie gesagt haben, mit gutem Gewissen beschwören

Zeuge Max Faust:

Ohne weiteres

  1. StPO.
  2. Vgl. »Wochenbericht 90/91 für die Zeit vom 8.2.-21.2.1943«, Dokument 11 des Beweisantrags von Nebenklagevertreter Kaul vom 08.05.1964, Anlage 1 zum Protokoll der Hauptverhandlung vom 11.05.1964, 4 Ks 2/63, Hauptakten, Bd. 98.
  3. Vgl. »Wochenbericht 90/91 für die Zeit vom 8.2.-21.2.1943«, Dokument 11 des Beweisantrags von Nebenklagevertreter Kaul vom 08.05.1964, Anlage 1 zum Protokoll der Hauptverhandlung vom 11.05.1964, 4 Ks 2/63, Hauptakten, Bd. 98.
  4. Prozess vor dem amerikanischen Militärgerichtshof 1947/1948 gegen IG Farben, Fall 6. Vgl. Bernd Boll: Fall 6: Der IG-Farben-Prozess, in: Nationalsozialismus vor Gericht, S. 133–143.
  5. Am 04.12.1952 wurde der Zeuge Faust im sogenannten Wollheim-Prozess (LG Frankfurt am Main, 2/3 O 406/51) vernommen. Rechtsanwalt Ormond vertrat den Kläger Norbert Wollheim (1913-1998) in seiner Schadensersatzklage gegen IG Farbenindustrie AG in Abwicklung.
  6. Die von den Verteidigern Stolting II und Laternser beanstandeten Fragen des Nebenklagevertreters Ormond wurden von dem Gericht zugelassen. Vgl. Protokoll der Hauptverhandlung vom 11.03.1965, 4 Ks 2/63, Hauptakten, Bd. 109, Bl. 1.244.
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