Zeuge Jan Farber

96. Verhandlungstag 02.10.1964

1. Frankfurter Auschwitz-Prozess

»Strafsache gegen Mulka u.a.«, 4 Ks 2/63

Landgericht Frankfurt am Main

96. Verhandlungstag, 2.10.1964 und 97. Verhandlungstag, 5.10.1964

Vernehmung des Zeugen Jan Farber

Vorsitzender Richter:

Sie heißen mit Vornamen?

Zeuge Jan Farber:

Jan Josef Farber.

Vorsitzender Richter:

Jan Josef Farber. Wie alt sind Sie?

Zeuge Jan Farber:

55 Jahre.

Vorsitzender Richter:

Sie sind von Beruf?

Zeuge Jan Farber:

Dentist, jetzt Invalidenrentner. [...]

Vorsitzender Richter:

Ja. Und sind Sie verheiratet?

Zeuge Jan Farber:

Geschieden.

Vorsitzender Richter:

Und Sie wohnen in?

Zeuge Jan Farber:

In Prag.

Vorsitzender Richter:

Und mit den Angeklagten sind Sie nicht verwandt und nicht verschwägert?

Zeuge Jan Farber:

Nein, nein.

Vorsitzender Richter:

Herr Farber, Sie heißen doch Farber und nicht Färber?

Zeuge Jan Farber:

Ja, Farber.

Vorsitzender Richter:

Mit A.

Zeuge Jan Farber:

Mit A.

Vorsitzender Richter:

Herr Farber, Sie sind ebenfalls in Auschwitz gewesen.

Zeuge Jan Farber:

Jawohl.

Vorsitzender Richter:

Sie haben zunächst bei dem Spanischen Bürgerkrieg mitgekämpft auf der Seite der Internationalen Brigade.

Zeuge Jan Farber:

Jawohl.

Vorsitzender Richter:

Sie sind dann nach Frankreich gegangen, kamen dort in ein Konzentrationslager und wurden im Jahr 1940 in die tschechoslowakische Armee im Ausland aufgenommen. Als 1941 Frankreich restlos besetzt war, hatten Sie von dieser Internationalen Brigade einen Auftrag bekommen.

Zeuge Jan Farber:

Nicht von der Brigade, das war von den tschechischen Konsularbehörden. [...]

Vorsitzender Richter:

Konsularbehörden. Also vom tschechischen Konsulat, und zwar welche Aufgabe?

Zeuge Jan Farber:

Nach Hause zu fahren und dort Widerstand zu organisieren, in der Heimat.

Vorsitzender Richter:

Ja. In der Heimat Widerstand zu organisieren, und zwar wohin?

Zeuge Jan Farber:

In die Slowakei.

Vorsitzender Richter:

Da sind Sie dann auch hingefahren, wurden aber im Dezember 41 bereits verhaftet.

Zeuge Jan Farber:

Verhaftet worden, ja.

Vorsitzender Richter:

Aus politischen Gründen?

Zeuge Jan Farber:

Ja.

Vorsitzender Richter:

Wegen dieses Widerstandes?

Zeuge Jan Farber:

Wegen des Widerstandes.

Vorsitzender Richter:

Ja. Nun, Sie sind dann wie lange in der Slowakei in Haft gewesen?

Zeuge Jan Farber:

Einige Monate bis April 42.

Vorsitzender Richter:

Und kamen in diesem Monat wohin?

Zeuge Jan Farber:

Nach Auschwitz.

Vorsitzender Richter:

Nach Auschwitz. Ihre Häftlingsnummer war wie hoch?

Zeuge Jan Farber:

30.674.

Vorsitzender Richter:

Ja. Nun sagen Sie bitte, Herr Zeuge, wie groß war der Transport ungefähr, mit dem Sie dorthin kamen?

Zeuge Jan Farber:

Einige hundert, etwas über 600, 700 Mann.

Vorsitzender Richter:

Und wie sind Sie dorthin transportiert worden, mit dem Eisenbahnzug?

Zeuge Jan Farber [unterbricht]:

Mit dem Eisenbahnzug.

Vorsitzender Richter:

Mit dem Eisenbahnzug. Und als Sie nun dort ankamen, wo sind Sie da ausgeladen worden?

Zeuge Jan Farber:

Da waren wir auf irgendeiner Rampe ausgeladen worden. Der ganze Transport kam ins Stammlager Auschwitz. Dort wurden wir in der Effektenkammer entkleidet, das Haar geschnitten, rasiert und gebadet.

Vorsitzender Richter:

Ja. Nachdem Sie aufgenommen waren, sind Sie aber nicht in Auschwitz geblieben, sondern?

Zeuge Jan Farber:

Am selben Tage nach Birkenau überführt worden.

Vorsitzender Richter:

Überführt worden. Und haben was arbeiten müssen?

Zeuge Jan Farber:

Anfangs arbeitete ich in einem Kommando, an dessen Namen ich mich nicht erinnere. Wir bauten einen Kanal.

Vorsitzender Richter:

Ja. Vielleicht Königsgraben?

Zeuge Jan Farber:

Ich glaube, vielleicht.

Vorsitzender Richter:

Vielleicht.

Zeuge Jan Farber:

Das war ein großer Graben gewesen, den wir rund um das Lager [unverständlich]

Vorsitzender Richter [unterbricht]:

Herumführen mußten. Und dieses Kommando war sehr schwer?

Zeuge Jan Farber:

Das war sehr schwer gewesen, und es wurde auch viel geschlagen in diesem Kommando.

Vorsitzender Richter:

Viel geschlagen. Aber Sie können sich wohl nicht mehr im einzelnen erinnern, wer da geschlagen hat?

Zeuge Jan Farber:

Überhaupt, ich kannte keinen von den SS-[+ Männern].

Vorsitzender Richter [unterbricht]:

Sie kannten keinen.

Zeuge Jan Farber:

Nein.

Vorsitzender Richter:

Nun, nachdem Sie also in diesem Kommando schwer arbeiten mußten, sind Sie wann aus diesem Kommando herausgekommen?

Zeuge Jan Farber:

Es wurden Häftlinge aufgefordert, welche sich freiwillig für den Krankenbau als Pfleger meldeten. Ich war auch unter ihnen gewesen, meldete mich auch. Und da kamen wir nach Auschwitz ins Stammlager, wurden in einem Block 18 untergebracht. Es waren 120 Häftlinge, die auf diese Weise nach Auschwitz kamen.

Vorsitzender Richter:

Wissen Sie ungefähr, wann das war?

Zeuge Jan Farber:

Das war entweder im Mai oder im Juni, kann ich mich nicht genau

Vorsitzender Richter [unterbricht]:

Neunzehnhundert?

Zeuge Jan Farber:

1942.

Vorsitzender Richter:

1942 kamen Sie dann zunächst ins Stammlager Auschwitz. Und wo mußten Sie da arbeiten?

Zeuge Jan Farber:

Diese Häftlinge, die für den Krankenbau bestimmt waren, wurden nicht auf einmal in den Krankenbau aufgenommen, sondern immer so zu zwei, zu vier, fünf Mann. So dauerte es einige Wochen, vielleicht einige Monate, bis ich auch an die Reihe kam. Und bis dahin arbeiteten wir auf verschiedenen Außenkommandos Auschwitz. Namentlich war ich in einer sogenannten Kiesgrube, wo ich gearbeitet hatte. Das war auch ein ziemlich schweres Kommando gewesen, im Bauhof, dann verrichteten wir verschiedene Arbeiten im Lager.

Vorsitzender Richter:

Ja. Nun, Herr Zeuge, würde mich mal folgendes interessieren: Wieso kam es denn, daß da laufend neues Häftlingspersonal für die Krankenanstalten angefordert wurde? Also 120 Mann, sagten Sie, die waren ausgewählt. Und sie wurden aber nicht sofort eingesetzt, sondern sukzessive abgerufen, mal zwei, mal drei und so weiter.

Zeuge Jan Farber:

Ja. Ja, so war es gewesen.

Vorsitzender Richter:

Wieso entstand denn der Bedarf? Waren die anderen Pfleger inzwischen ausgefallen oder gestorben? Oder waren die...

Zeuge Jan Farber:

Nein. Nein. Aber die Kapazität des Häftlingskrankenbaus war sehr klein gewesen gegenüber diesen großen Transporten, die dann später ankamen, so daß es notwendig war, mehr Häftlingspersonal anzufordern.

Vorsitzender Richter:

Auf diese Weise kamen Sie wann auch in den Krankenbau?

Zeuge Jan Farber:

Ich glaube, es war Ende Sommer, da kam ich in den Krankenbau als Pfleger auf den Block 21. [...]

Vorsitzender Richter:

Sie sagten mal, es wäre im September gewesen, daß

Zeuge Jan Farber [unterbricht]:

Ich kann mich nicht mehr erinnern.

Vorsitzender Richter [unterbricht]:

Oder im Oktober vielmehr.[1]

Zeuge Jan Farber:

Ja.

Vorsitzender Richter:

Das kann gestimmt haben.

Zeuge Jan Farber:

Das war Ende Sommer oder vielleicht Anfang Herbst.

Vorsitzender Richter:

Ja. Nun sagen Sie bitte, Sie kamen auf Block 21?

Zeuge Jan Farber:

Jawohl.

Vorsitzender Richter:

Haben Sie dort auch gewohnt, also geschlafen?

Zeuge Jan Farber:

Jawohl, ich habe dort gewohnt im ersten Stockwerk. Auf der vorderen Seite war eine Pflegestube. Der hintere Teil war ein Krankenbau für Kranke.

Vorsitzender Richter:

Und wissen Sie, was das für ein Krankenblock war, das heißt, was für eine Art von Kranken dort untergebracht war?

Zeuge Jan Farber:

Jawohl. Das waren hauptsächlich Verwundete, Chirurgie gab es im Parterre.

Vorsitzender Richter:

Chirurgische Fälle.

Zeuge Jan Farber:

Das waren meistens chirurgische Fälle gewesen.

Vorsitzender Richter:

Ja. Und wissen Sie, wer der Lagerarzt in diesem Krankenbau war?

Zeuge Jan Farber:

Ja, damals war Doktor Entress Lagerarzt gewesen. Und ich kannte auch drei SSler, die als SDGs dort tätig waren.

Vorsitzender Richter:

Ja, jetzt wollen wir zunächst einmal bei den Ärzten bleiben. Kannten Sie außer Doktor Entress noch einen anderen?

Zeuge Jan Farber:

Ja, Doktor Fischer kannte ich.

Vorsitzender Richter:

Doktor Fischer.

Zeuge Jan Farber:

Auch den Doktor Mengele habe ich dort kennengelernt.

Vorsitzender Richter:

Doktor Mengele.

Zeuge Jan Farber:

Und den Entress.

Vorsitzender Richter:

Und den Entress. Haben Sie auch mal den Doktor Lucas dort kennengelernt?

Zeuge Jan Farber:

Ihn kannte ich nicht namentlich. Weiß ich nicht, ob er auch dort war.

Vorsitzender Richter:

Wissen Sie nicht. Nun, Herr Zeuge, Sie wollten uns grade eben sagen, Sie haben auch drei SDGs kennengelernt.

Zeuge Jan Farber:

Jawohl.

Vorsitzender Richter:

Wer war denn das?

Zeuge Jan Farber:

Das war Klehr, der als Ober-SDG, als Unterscharführer tätig war. Dann kannte ich Hantl und Scherpe.

Vorsitzender Richter:

Ja. Sie sind, wie Sie vorhin sagten, im Herbst 1942 hingekommen?

Zeuge Jan Farber:

Jawohl.

Vorsitzender Richter:

Wie lange sind Sie denn geblieben?

Zeuge Jan Farber:

Ich war dort dort sehr lange gewesen, Herr Direktor. Bis Frühjahr 44.

Vorsitzender Richter:

Und was geschah dann?

Zeuge Jan Farber:

Ich kam in den Häftlingskrankenbau, und dort hörte ich von den polnischen Häftlingen, daß Klehr und auch der Hantl, wenn der Block sehr vollgestopft war mit Häftlingen, auf diese Weise diese Frage lösen, daß sie die Schwerkranken durch Phenolinjektionen töten, daß Selektionen gemacht werden und daß, wenn große Transporte und große Meldungen vor dem Krankenbau waren, Selektionen fürs Gas durchgeführt wurden.

Anfangs habe ich nichts davon gesehen, erst später. Die Leichenträger, das war ein Kommando, wo bloß drei Häftlinge arbeiteten, darunter war einer Vorarbeiter gewesen. Und wenn dann die Krankenbauten sehr voll waren respektive im Winter, bei diesen meteorologischen Verhältnissen, noch mehrere Kranke sich meldeten, dann war natürlich diese Zahl des Leichenkommandos sehr gering gewesen. Und dann mußten wir, einige Häftlinge, dem Leichenkommando, den Leichenträgern, aushelfen.

Vorsitzender Richter:

Können Sie uns die Namen dieser drei Leichenträger sagen?

Zeuge Jan Farber:

Ich kannte nur den Vornamen des Vorarbeiters. Das war ein gewisser Theo gewesen.

Vorsitzender Richter:

Leo?

Zeuge Jan Farber:

Teofil.

Vorsitzender Richter:

Teofil.

Zeuge Jan Farber:

Die anderen kannte ich nicht beim Namen.

Vorsitzender Richter:

Die Nachnamen kannten Sie gar nicht?

Zeuge Jan Farber:

Die Nachnamen überhaupt nicht.

Vorsitzender Richter:

Wissen Sie, ob bei diesen Leichenträgern auch Ärzte waren?

Zeuge Jan Farber:

Nein, das weiß ich bestimmt, daß keine Ärzte dabei waren.

Vorsitzender Richter:

Sie wissen bestimmt, daß keine Ärzte dabei waren.

Zeuge Jan Farber:

Ja, keine Ärzte dabei waren.

Vorsitzender Richter:

Und wann haben Sie denn dieses Leichenträgerkommando näher kennengelernt?

Zeuge Jan Farber:

Ich ging nur ab und zu immer helfen. Das heißt, wir mußten vom Leichenkeller des Blockes 28 die Leichen hinaustragen auf die linke Seite des Blockes. Dort war ein Wagen vorbereitet, und die zwei Häftlinge vom Leichenkommando haben dann diese Toten auf den Wagen geworfen. Aber ich war noch immer Häftling im Block 21. Diese Arbeit übte ich immer nach dem Abendappell aus, nach sechs Uhr oder so etwas. Aber bis dahin arbeitete ich noch immer im Krankenbau als Pfleger während des Tages.

Vorsitzender Richter:

In Block 21.

Zeuge Jan Farber:

In Block 21. Und in Block 21 hörte ich anfangs bloß von diesen Selektionen. Aber Ende Oktober oder Anfang September habe ich selbst so eine Selektion gesehen [unverständlich]

Vorsitzender Richter [unterbricht]:

In welchem Jahr?

Zeuge Jan Farber:

Das war 42.

Vorsitzender Richter:

Sie sind doch erst im Herbst 42 hingekommen.

Zeuge Jan Farber:

Jawohl.

Vorsitzender Richter:

Sie meinten, im Oktober.

Zeuge Jan Farber:

Im Oktober oder einem späteren Monat

Vorsitzender Richter [unterbricht]:

Oder später.

Zeuge Jan Farber:

Oder später habe ich selbst so eine Selektion mit angesehen, welche Klehr ganz allein durchgeführt hat. In der Mitte des Saales stand ein Tisch, dort saß Klehr.

Vorsitzender Richter:

Ja. Wollen wir mal langsam vorgehen. Also Sie sagen eben, in der Mitte des Saales. Wo befanden Sie sich denn, als diese Selektion durchgeführt wurde?

Zeuge Jan Farber:

Viele Häftlinge mußten den Kranken helfen, aus dem Bett herunterzukommen.

Vorsitzender Richter:

Ja. Und dazu gehörten Sie auch?

Zeuge Jan Farber:

Dazu gehörte ich auch, ja.

Vorsitzender Richter:

Ja. Und das war so ein Krankensaal gewesen?

Zeuge Jan Farber:

Das war ein Krankensaal gewesen.

Vorsitzender Richter:

Und wie viele Leute lagen denn da ungefähr drin?

Zeuge Jan Farber:

Ich kann mich nicht erinnern. Es waren dreistöckige, zweistöckige Betten, drei Häftlinge lagen da, und es konnten dort 200 Häftlinge sein, manchmal auch mehr. Denn manchmal lagen in einem Bett auch zwei Häftlinge, wenn es viele

Vorsitzender Richter [unterbricht]:

Lagen denn in einem Bett nicht immer mehrere zusammen?

Zeuge Jan Farber:

Wenn es nicht so schlimm war, dann waren die Häftlinge nur einzeln. Aber sie lagen dorten zu zweit, manchmal auch drei Häftlinge in einem Bett.

Vorsitzender Richter:

Ja. Nun möchte ich Sie nur folgendes fragen: Wenn Sie 200 Häftlinge in einem Saal in je einem Bett liegen lassen, wobei die Betten übereinander waren, zwei Betten übereinander, dann hätten da 100 Bettstellen stehen müssen.

Zeuge Jan Farber:

Das war ein großer Saal gewesen, Herr Direktor. Und dieser Saal

Vorsitzender Richter [unterbricht]:

100 Bettstellen, das ist ja schon einige...

Zeuge Jan Farber:

Natürlich. Nein, nein, nicht 100 Bettstellen. Es waren zu drei die Betten gewesen [unverständlich]

Vorsitzender Richter [unterbricht]:

Zu drei? Ich dachte, zu zwei.

Zeuge Jan Farber:

Nein, zu drei.

Richter Perseke:

Dreistöckig.

Vorsitzender Richter:

Dreistöckig?

Zeuge Jan Farber:

Dreistöckig.

Vorsitzender Richter:

So, dreistöckig. Nun ja. Das wären also dann 70 Betten, schon eher ging das.

Zeuge Jan Farber:

Ja.

Vorsitzender Richter:

Also Sie schätzen so ungefähr auf 200 Menschen.

Zeuge Jan Farber:

Auf 200 Menschen.

Vorsitzender Richter:

In der Mitte des Saales stand ein Tisch.

Zeuge Jan Farber:

Ein Tisch.

Vorsitzender Richter:

Und an diesem Tisch saß Klehr?

Zeuge Jan Farber:

Saß Klehr. Ein

Vorsitzender Richter [unterbricht]:

Und was geschah nun mit den Kranken?

Zeuge Jan Farber:

Ein Häftling von der Schreibstube reichte ihm immer die Karteikarte hin, und wir haben den Häftlingen geholfen, vom Bett herunterzukommen, und die mußten sich dann vor Klehr in eine Reihe stellen. Klehr saß auf diesem Tisch.

Vorsitzender Richter:

Er saß auf dem Tisch?

Zeuge Jan Farber:

Auf dem Tisch saß er.

Vorsitzender Richter:

Nicht vor dem Tisch, sondern auf

Zeuge Jan Farber [unterbricht]:

Nicht vor dem Tisch, auf dem Tisch saß er. Die Häftlinge mußten reihenweise vor ihn vortreten. Der Schreibstubenhäftling gab ihm immer die Karteikarte hin, und er legte einmal nach rechts, einmal nach links die Karten. Und das war die eigentliche Selektion gewesen.

Vorsitzender Richter:

Und mußte der Schreibstubenhäftling dann aufschreiben die Karte

Zeuge Jan Farber [unterbricht]:

Der Schreibstubenhäftling hat die Nummer aufgeschrieben.

Vorsitzender Richter:

Ja.

Zeuge Jan Farber:

Eine oder zwei Stunden später zeigten mir die Polen diese Häftlinge, die ausselektiert wurden. Die standen dann zwischen dem Block 21 und 22 und gingen nackt in Block 21 hinein.

Vorsitzender Richter:

Ja, Sie waren doch in Block 21.

Zeuge Jan Farber:

Nein, in Block 20 gingen sie hinein.

Vorsitzender Richter:

In Block 20 gingen sie hinein. Und sie standen vorher zwischen Block 21 und 20.

Zeuge Jan Farber:

Und 20. Sie kamen von Block 21 und gingen auf Block 20 zu.

Vorsitzender Richter:

[Pause] Und dabei war kein Arzt?

Zeuge Jan Farber:

Nein, dabei war niemand, nur Klehr gewesen.

Vorsitzender Richter:

Und wissen Sie ungefähr, wie viele er da ausgewählt hat?

Zeuge Jan Farber:

Ich glaube, damals konnten es so 60 Häftlinge gewesen sein.

Vorsitzender Richter:

Und zu Ihnen hat er natürlich nichts Näheres gesagt, was und wo

Zeuge Jan Farber [unterbricht]:

Nein, nein, nein. Wir waren ja nicht ganz in der Nähe. Wir mußten die Kranken von den Betten weiter herunterholen.

Vorsitzender Richter:

Na, ganz abgesehen davon würde er Ihnen wohl auch keine Erklärung abgegeben haben. Nun, Herr Zeuge, wissen Sie, welches Schicksal diese Häftlinge erwartete, die da ausgewählt wurden und die da nackt auf Block 20 gingen?

Zeuge Jan Farber:

Diese Gruppe, die ich gesehen habe, wie sie selektiert wurde, von denen habe ich natürlich nur gehört, daß sie dort durch Phenolspritzen getötet wurden. Aber später, wo ich dann im Leichenkommando Aushilfe machte...

Vorsitzender Richter:

Wie, was, in dem Sie?

Zeuge Jan Farber:

Beim Leichenträgerkommando gearbeitet habe.

Vorsitzender Richter:

Aushilfe gemacht haben, ja.

Zeuge Jan Farber:

Ja, dann mußte ich einige Mal solche mit Phenol »abgespritzten« Häftlinge vom Block 20 zum Block 28 in den Leichenkeller tragen. Das haben wir einige Male gemacht.

Vorsitzender Richter:

Ja. Herr Wachtmeister, geben Sie dem Zeugen doch bitte mal einen Bleistift. Hier können Sie einen haben, wenn Sie einen brauchen. Und nun, Herr Zeuge, möchte ich Sie um folgendes bitten: Sie haben da ein Stück Papier liegen. Zeichnen Sie doch da bitte einmal auf – oder ich will Sie erst noch vorher fragen: Waren Sie auch einmal dabei, wie Klehr die Leute getötet hat?

Zeuge Jan Farber:

Wir haben die Leichen von diesem Baderaum, wo sie hingelegt worden waren nach der »Abspritzung«, weggeholt schon als Tote und in den Block 28 gebracht.

Vorsitzender Richter:

Ja. Moment. Noch etwas. Hatte dieser Waschraum einen besonderen Ausgang nach der Straße?

Zeuge Jan Farber:

Nein, wir mußten auf den Flur.

Vorsitzender Richter:

Sie mußten durch den Flur gehen.

Zeuge Jan Farber:

Durch den Flur gehen.

Vorsitzender Richter:

Und jetzt, bitte, zeichnen Sie uns doch einmal auf diesem Papier den Flur und das Zimmer, wo Klehr die Leute getötet hat und wo der Waschraum war und wo die Treppe oder die Tür war, wo Sie da herausgegangen sind.

Zeuge Jan Farber:

Jawohl. [Pause]

Vorsitzender Richter:

So, würden Sie uns [unverständlich] Bleiben Sie mal einen Moment hier. Würden Sie uns diese Zeichnung erklären?[2]

Zeuge Jan Farber:

Das war Block 20. Hier nebenan stand Block 21. Herr Direktor, das war der Ausgang. Das war der Flur gewesen, und hier war der Ausgang. Hier war dieser Waschraum gewesen, von wo wir die Leichen herausgeholt haben. Aber wir machten das sehr oft auch dann, wenn zugleich »gespritzt« wurde, so daß

Vorsitzender Richter [unterbricht]:

Ja, nun erst einmal zu der Sache selbst.

Zeuge Jan Farber:

Ja. Und hier war ein Raum, wo Klehr die

Vorsitzender Richter [unterbricht]:

Wo der das getan hat.

Zeuge Jan Farber:

Das getan hat.

Vorsitzender Richter:

Und war hier eine Tür?

Zeuge Jan Farber:

Ich glaube, hier war eine Tür gewesen. Genauso wie eine Tür zum Waschraum. Aber hier waren keine Türen gewesen. Wir mußten in den Flur und so hinaustragen.

Vorsitzender Richter:

Und wissen Sie etwas davon, ob da ein Vorhang irgendwo gewesen ist?

Zeuge Jan Farber:

Ja, hier war ein Vorhang gewesen.

Vorsitzender Richter:

Könnten Sie den mal einzeichnen.

Zeuge Jan Farber:

Aber ich weiß nicht mehr, wo. Es war eher irgendwo drinnen gewesen im Raum als am Flur, glaube ich.[...]

Vorsitzender Richter:

Was sollte denn der Vorhang für einen Sinn haben?

Zeuge Jan Farber:

Ich weiß nicht. Vielleicht, daß man nicht hineinsehen kann.

Vorsitzender Richter:

Ja, da war doch eine Tür, denke ich.

Zeuge Jan Farber:

Da war eine Tür gewesen, aber wenn viele »abgespritzt« wurden, dann mußten wir schon die Leichen heraustragen, wo man von hier auch schon uns Leichen zugebracht hat zum Waschraum.

Vorsitzender Richter:

Ja, Herr Zeuge, ich meine nur: Wenn viele Leute da getötet wurden, wo hielten sich denn die auf, die noch nicht getötet

Zeuge Jan Farber [unterbricht]:

Die kamen hier vom Block 21 durch eine Tür herein und standen hier. Hier kamen sie

Vorsitzender Richter [unterbricht]:

In den Flur.

Zeuge Jan Farber:

In den Flur.

Vorsitzender Richter:

Haben denn die dann gesehen, wenn Sie hier die Leichen da rüberschafften?

Zeuge Jan Farber:

Nein. Hier kamen sie einzeln herein, Herr Direktor, vom Hof, so daß sie, glaube ich, nicht gesehen haben, daß wir dort Leichen getragen haben.

Vorsitzender Richter:

Einzeln vom Hof.

Zeuge Jan Farber:

Einzeln vom Hof.

Vorsitzender Richter:

Als Sie in dem Flur standen nicht etwa

Zeuge Jan Farber [unterbricht]:

Nein, in dem Flur nicht. Dort habe ich sie nicht gesehen. Sie kamen einzeln vom Hof herein. Ich habe dort zweimal geholfen, Herr Direktor

Sprecher (nicht identifiziert) [unterbricht]:

[leise:] Das ist richtig, ja.

Sprecher (nicht identifiziert):

[leise:] Das ist richtig.

Sprecher (nicht identifiziert):

[leise:] Ja.

Sprecher (nicht identifiziert):

[leise:] Auch der Waschraum [unverständlich]?

Sprecher (nicht identifiziert):

Da habe ich nämlich Bedenken

Vorsitzender Richter [unterbricht]:

Ja. Dann nehmen Sie bitte wieder Platz.

Sprecher (nicht identifiziert):

Das mag sein. Das weiß er nicht mehr.

Vorsitzender Richter:

[unverständlich] Nun, Herr Zeuge, jetzt würde uns dieser Vorgang einmal sehr interessieren. Zunächst würde uns die Zeit interessieren. Wann ist denn das gewesen?

Zeuge Jan Farber:

[Pause] Das geschah, wie ich es gesehen habe, meistens am Vormittag.

Vorsitzender Richter:

Ja, ich meine jetzt, war das 43, 44?

Zeuge Jan Farber:

Nein, das war 42 gewesen.[...]

Vorsitzender Richter:

Nun, Sie sind im Oktober hingekommen.

Zeuge Jan Farber:

Ja.

Vorsitzender Richter:

War das dann zwischen Oktober und Dezember?

Zeuge Jan Farber:

Das war, Herr Direktor, eher Ende Herbst gewesen.[...]

Vorsitzender Richter:

Und Sie sagten, Sie sind zwei oder dreimal auf diese Weise

Zeuge Jan Farber [unterbricht]:

Zwei- oder dreimal auf diese Weise habe ich dort Leichen herausgetragen.

Vorsitzender Richter:

Wenn Sie nun die Leichen aus diesem Raum herausschafften, wo Klehr das getan hat, war da bei Klehr noch eine andere Person?

Zeuge Jan Farber:

Nein, ich habe nur den Klehr gesehen. Und dabei waren zwei Häftlinge gewesen, die die Toten, die »Abgespritzten«, dann in diesen Waschraum getragen haben.

Vorsitzender Richter:

Ja. Und Sie mußten sie aus dem Waschraum rausholen und nach dem Block 28 bringen.

Zeuge Jan Farber [unterbricht]:

Und nach dem Block, jawohl.

Vorsitzender Richter:

Hatten Sie dazu einen Wagen oder eine Trage oder so was?

Zeuge Jan Farber:

Eine Trage hatten wir dazu.

Vorsitzender Richter:

Eine Trage hatten Sie.

Zeuge Jan Farber:

Eine einfache Trage. Wir mußten die Leiche mit einer Decke bedecken.

Vorsitzender Richter:

Ja. Und haben sie einzeln weggetragen.

Zeuge Jan Farber:

Und einzeln weggetragen.

Vorsitzender Richter:

Welchen Eingang sind Sie denn da jedesmal gegangen, um die Leichen fortzutragen?

Zeuge Jan Farber:

So, wie ich es angedeutet habe.

Vorsitzender Richter:

Da, wo diese Treppe ist.

Zeuge Jan Farber:

Wo diese Treppe ist.

Vorsitzender Richter:

Also von der Stirnwand dieses Blocks.

Zeuge Jan Farber:

Dieses Blocks, ja.

Vorsitzender Richter:

Ja. [Pause] Waren da in dem Waschraum schon mehrere Leichen drin, wenn Sie hingekommen sind, oder sind

Zeuge Jan Farber [unterbricht]:

Ja, es waren schon mehrere Leichen da.

Vorsitzender Richter:

Mehrere drin. Und Sie hatten jeweils eine Leiche auf die Trage gelegt und weggetragen.

Zeuge Jan Farber:

Jawohl.

Vorsitzender Richter:

Ist es auch vorgekommen, daß dann der Waschraum leer war und trotzdem Klehr noch sich da betätigte auf diese Art und Weise?

Zeuge Jan Farber:

Nein, ich kam hin während der Arbeit, während dieser Phenolspritzungen, wenn es viele waren. Wenn nicht viele Häftlinge so ausgesondert waren, dann kamen wir erst, wenn sie schon alle im Waschraum lagen.

Vorsitzender Richter:

Ja. Nun, wenn er noch da in Tätigkeit war, haben Sie auch einmal die Gelegenheit gehabt, in das Zimmer hineinzusehen, wo er sich betätigte?

Zeuge Jan Farber [unterbricht]:

Ja, ich habe zweimal die Gelegenheit gehabt hineinzusehen.

Vorsitzender Richter:

Ja. Stand da die Tür auf?

Zeuge Jan Farber:

Das war währenddessen, wo die Häftlinge hineingingen, um einen weiteren rauszuholen. Und der saß in einem Sessel, der Häftling, der designierte, und Klehr stand in so einer roten oder rosa Gummischürze, mit Gummihandschuhen und der Spritze in der Hand.

Vorsitzender Richter:

Können Sie uns ungefähr diese Spritze einmal so zeichnen, wie groß sie war?

Zeuge Jan Farber:

Ich weiß bloß, daß sie eine große Spritze war. Das waren doch so drei, vier Meter Entfernung. Aber eine große Spritze, eine lange Nadel hatte die Spritze.

Vorsitzender Richter:

Ist Ihnen eine Rekordspritze ein Begriff?

Zeuge Jan Farber:

Natürlich.

Vorsitzender Richter:

Ja. War das eine Rekordspritze?

Zeuge Jan Farber:

Das war möglicherweise eine Rekordspritze, aber mit einer langen Nadel.

Vorsitzender Richter:

Mit einer langen Nadel, ja. Haben Sie auch einmal gesehen, wenn Klehr das persönlich gemacht hat?

Zeuge Jan Farber:

Jawohl.

Vorsitzender Richter:

Und was haben Sie denn da für ein Bild vor Augen?

Zeuge Jan Farber:

Ich hatte ein Bild, daß dort ein Häftling im Sessel saß, und Klehr stand vor ihm mit dieser Spritze. Er hat sie gefüllt – oder hat er die Nadel angesetzt? Das weiß ich nicht.

Vorsitzender Richter:

Und der Häftling, wurde der von den anderen gehalten, oder wie?

Zeuge Jan Farber:

Nein, der Häftling saß dort. Damals, wenn ich es gesehen habe, saß der Häftling dort ohne Widerstand.

Vorsitzender Richter:

Und was haben die beiden Häftlinge gemacht, die bei Klehr waren?

Zeuge Jan Farber:

Und die beiden Häftlinge, Herr Direktor, die gingen immer hinein, denn das ging ziemlich rasch, diese »Abspritzungen«.

Zeuge Jan Farber:

Ja, Sie konnten sich ja auch nicht lang hinstellen und da Beobachtungen machen, nehme ich an.

Zeuge Jan Farber:

Nein, nein. Die kamen hinein, holten den schon »Abgespritzten« wieder in den Waschraum hinein und gingen gleich wieder zurück. Ohne daß sie wußten, ob er schon »abgespritzt« ist oder nicht. Das ging sehr rasch

Vorsitzender Richter [unterbricht]:

Hatte der Häftling den Oberkörper entblößt, der da auf dem Sessel saß?

Zeuge Jan Farber:

Damals, als ich es gesehen habe, war überhaupt kein Wort gesagt worden von seiten des Häftlings.

Vorsitzender Richter:

Nein, ob er seinen Oberkörper frei gemacht hatte oder ob er ein Hemd oder irgendwas

Zeuge Jan Farber [unterbricht]:

Ja, die waren ja meistens nackt gewesen.

Vorsitzender Richter:

Nackt, ganz nackt?

Zeuge Jan Farber:

Ganz nackt.

Vorsitzender Richter:

Ganz nackt. Aber ob Klehr nun diese Spritze selbst eingeführt hat oder ob das einer dieser beiden Häftlinge war

Zeuge Jan Farber [unterbricht]:

Nein, das war Klehr gewesen. Das habe ich gesehen, wie er allein dort stand. Der Klehr stand allein dort.

Vorsitzender Richter:

Aber Sie haben nicht gesehen, wie er einmal einem ins Herz gestochen hat?

Zeuge Jan Farber:

Ich habe so ein Bild gesehen, Herr Direktor, daß die zwei Häftlinge eine Leiche in den Waschraum niederlegten. Dann kehrten sie zurück, und wir haben sehen wollen, wie das dort aussieht. Und wenn sie hineingingen und irgend so eine Decke oder was dort war, geöffnet hatten, dann habe ich dieses Bild gesehen, wie ein Häftling auf diesem Stuhl sitzt und Klehr vor ihm mit der Spritze stand und in Bereitschaft war, ihm die Spritze zu geben.

Vorsitzender Richter:

In Bereitschaft war, ihm die Spritze zu geben. Nun, sagen Sie, wie viele Leichen mußten Sie da jeweils heraustragen, ungefähr, aus dieser Kammer?

Zeuge Jan Farber:

Aus dieser Kammer waren es so 60 bis 80 Leichen, denn uns hat man dazu gelassen bloß in so einem Falle, wo es viele waren. Wenn es weniger waren, dann gingen wir nur die Leichen herausholen, wenn es schon nach den »Abspritzungen« war.

Vorsitzender Richter:

Wissen Sie noch, wie der Gefangene hieß, der mit Ihnen zusammen diese Leichen weggetragen hat?

Zeuge Jan Farber:

Ja, es war ein Arzt gewesen. Das war Doktor Karl Sperber.[...]

Vorsitzender Richter:

Sperber. Haben Sie einmal den Professor Doktor Vladimír Hanák gekannt?

Zeuge Jan Farber [unterbricht]:

Jawohl, ich habe auch ihn gekannt. Der war aber nicht bei dieser Gelegenheit mit mir. Der hat mit mir Leichen vom Leichenkeller des Blocks 28 hinaufgebracht und auf den Wagen geladen. Das habe ich oft mit Vladimír Hanák gemacht.

Vorsitzender Richter:

Ja. Und [Pause] Sie hatten nun bei Ihrer Aussage vor dem Distriktsgericht in Prag gesagt, als Sie dort vernommen worden sind: »Ich beteiligte mich am Wegtragen der getöteten Häftlinge und sah selbst mit eigenen Augen, wie Klehr an dem genannten Tisch die Häftlinge mit Phenolinjektionen tötete, zumal wir sie ihm oft direkt aus der Hand nahmen.«[3]

Zeuge Jan Farber:

Ja, das war so, wie ich geschildert habe, Herr Direktor. Wir nahmen sie aus der Hand von diesen zwei Häftlingen, die sie von diesem Sessel, wo sie »abgespritzt« wurden, übernommen haben. Diese Häftlinge, die die Leichen herausgebracht, herausgeführt haben – manche gingen auch noch, Herr Direktor, manche machten auch noch einige Schritte –, die übernahmen wir sofort von diesen zwei Leichenträgern, von diesen Führenden, die die Leichen

Vorsitzender Richter [unterbricht]:

Den Gehilfen von Klehr.

Zeuge Jan Farber:

Ja.

Vorsitzender Richter:

[Pause] Nun, ist das immer so reibungslos vor sich gegangen? Oder gab es auch Fälle, wo zum Beispiel, wie Sie eben sagten, die Häftlinge nicht gleich tot waren, sondern vielleicht diese Prozedur überlebten?

Zeuge Jan Farber:

Ja, Herr Direktor, ein Fall war, wo Klehr einen Arzt ausselektiert hat. Das war ein Slowake namens Doktor Fodor. Der war eigentlich Pfleger gewesen. Der war ganz gesund, und der wurde, ich weiß nicht aus was für Gründen, ausselektiert. Und der hat dorten geschrien.

Vorsitzender Richter:

Was hat er, geschrien?

Zeuge Jan Farber:

Der hat sich gewehrt. Wir haben es nicht mit eigenen Augen gesehen, aber es wurde irgendein Widerstand von ihm geleistet, denn er schreit, er ist gesund, er soll ihn lassen. Nun, dann bekamen wir auch seine Leiche in die Hände. Als ich dann im Leichenkeller arbeitete, waren es zwei Fälle, wo so »abgespritzte« Häftlinge noch am Leben waren, aber bewußtlos waren. Wo wir sie vom Keller hinausgebracht hatten, dann lebte das erste Mal einer, und wir legten ihn dorthin. Wir haben die Häftlinge, die Toten vom Leichenkeller, hinaufgebracht, wenn der Leichenwagen sofort dort war. Dann haben zwei andere Häftlinge sie auf den Wagen geschmissen. Aber wenn der Leichenwagen noch nicht dort war, haben wir diese Leichen vor dem Block aufgehäuft. Und dort sahen wir einen Häftling, der noch lebend war, aber bewußtlos. Wenn wir alle Toten vom Leichenkeller hinaufgebracht hatten, dann gingen wir, die Helfer, weg von dort. Aber den nächsten Tag sagte mir ein polnischer Leichenträger, daß sie es dem Klehr gemeldet hatten, daß der eine noch am Leben ist und daß er ihn dann auf diesem Haufen erschossen hat, durch einen Genickschuß mit der Pistole. Und das zweite Mal sah ich es, das war so im Winter 42/43, da haben wir wieder einmal so einen Lebenden entdeckt. Und ein Pole von den Leichenträgern ging es dem Klehr melden. Klehr kam auch dorthin zu diesem Haufen. Sie haben auf den Kopf dieses Häftlings, der noch lebte, gewiesen, und Klehr sagte nur: »Der wird schon bis zum Krematorium aushalten«, und hat ihn nicht erschossen. Daraufhin haben ihn die polnischen Leichenträger auf den Wagen geschmissen, auf diesen ganzen Haufen von vielleicht 40, 50 Häftlingen, und wir haben dabei geholfen, den Wagen ins Krematorium zu fahren.

Vorsitzender Richter:

Obwohl die Leute noch gar nicht tot waren?

Zeuge Jan Farber:

Der lebte noch. Die Polen haben ihn auf den Wagen geworfen. Ich konnte dann nicht mehr wissen, wo dieser Häftling liegt. Auf ihn kamen dann auch einige andere Leichen.

Vorsitzender Richter:

Ja. Jetzt wollen wir noch mal auf den Doktor Fodor zurückkommen. [Pause] Wissen Sie, wieso dieser Doktor Fodor ausgesucht worden ist und wer ihn ausgesucht hat?

Zeuge Jan Farber:

Ja. Fodor war ein Arzt, Herr Direktor, der sozusagen, ich weiß nicht, wegen seines eigenartigen Benehmens bei Klehr nicht beliebt war.

Vorsitzender Richter:

Ja. Also Klehr machte sich nichts aus ihm, hatte eine Antipathie gegen ihn.

Zeuge Jan Farber:

Er hatte irgendeinen Anlaß gegeben vielleicht durch sein Benehmen. Er konnte auch nicht so perfekt deutsch und war so schwerfällig gewesen, der Fodor. Wenn ihm Klehr irgendeinen Befehl gab, hat er ihn nicht sofort verstanden und natürlich auch nicht genau ausgeführt und war sehr unbeliebt bei Klehr gewesen.

Vorsitzender Richter:

Ja. Nun weiter. Wie kam es nun zu seiner Selektion, und wie kam es zu seinem Tod?

Zeuge Jan Farber:

Nun, wir gingen zu den Leichenträgern, wohin man uns gerufen hat, um behilflich zu sein, und da hörte ich von einem polnischen Leichenträger, daß angeblich der Doktor Fodor selektiert wurde. Ich hörte ihn schreien in diesem Raum, wo die Injektionsspritzen gegeben wurden. Und dann habe ich seine Leiche vom Waschraum in den Leichenkeller des Blockes 28 getragen. [...]

Vorsitzender Richter:

Ja, wie er getötet worden ist, haben Sie nicht gesehen?

Zeuge Jan Farber:

Den Fodor habe ich nicht gesehen, den habe ich bloß schreien gehört.

Vorsitzender Richter:

Und wieso wissen Sie, wie dann der Vorgang sich im einzelnen abgespielt hat?[...]

Zeuge Jan Farber:

Die Selektion, Herr Direktor oder

Vorsitzender Richter [unterbricht]:

Die Selektion und vor allen Dingen die Tötung.

Zeuge Jan Farber:

Nun, von der Selektion haben mir die Polen erzählt. Und dann hörte ich es auch nachher in meinem Block 21, daß sie ihn ausselektiert hatten.

Vorsitzender Richter:

Und wie kam es nun zu der Tötung? Wie spielte sich die ab? War der Doktor Fodor damit einverstanden und ergab sich seinem Schicksal, oder hat er sich gewehrt, oder hat er irgend Widerstand geleistet, oder was war da?

Zeuge Jan Farber:

Herr Direktor, während seines Abtransportes von Block 21 bis zu Block 20 war ich natürlich tätig mit Wegtragen der Leichen vom Waschraum im 28er Block. Und wo wir zurückkamen, hörten wir ein Geschrei, er hat geschrien, Fodor hat sich gewehrt. Und kurz darauf bekamen wir von diesen zweien, die die Leichen herausgetragen haben, die Leiche des Fodors, und wir haben bloß dann die Leiche des Fodors in Block 28 in den Leichenkeller getragen. Und später erfuhr ich in Block 21 auch noch, daß unter den ausselektierten Kranken auch der Fodor war. Und die Polen, die polnischen Kameraden, sagten, daß er ihn selektiert hat, weil er unbeliebt bei ihm war.

Vorsitzender Richter:

Sie haben mal ausgesagt: »Ich war konkret Zeuge, als er so den slowakischen Arzt Doktor Fodor ausgesucht hatte, der als Arzt in Block 28 war. Er rief ihn in den genannten Raum und verlangte, daß er sich auf den Ambulanztisch legte. Da dieser wußte, was folgen würde, begann er sich zu wehren. Da zog Klehr die Pistole, zwang ihn, sich hinzulegen und sich die Injektionsspritze einspritzen zu lassen.«[4]

Zeuge Jan Farber:

Jawohl, Herr Direktor.

Vorsitzender Richter:

Wieso wissen Sie das?

Zeuge Jan Farber:

Diese Pistolengeschichte erzählten mir bloß die zwei Polen, die die Leichen von diesem Raum in den Waschraum brachten. Die habe ich selber nicht gesehen. Nur gehört, Herr Direktor.

Vorsitzender Richter:

Nun, wissen Sie, wer den Anstoß zu diesen Selektionen gegeben hat? Ob das Ärzte waren, ob das die Kommandantur war? Oder wie es sonst dazu gekommen ist, daß Klehr diese Selektionen durchführte.

Zeuge Jan Farber:

Herr Direktor, wer den Anstoß dazu gegeben hat, weiß ich natürlich nicht. Ich konnte nur entnehmen, daß die Selektionen in solchen Fällen durchgeführt wurden, wo der Krankenbau vollgestopft war und sich neue kranke Häftlinge in den Krankenbau meldeten. Das war nach dem Abendappell, wenn eine große Reihe, große Schlangen vor dem Krankenbau standen, um im Krankenbau aufgenommen zu werden, und der Krankenbau vollgestopft war. Bei solchen Gelegenheiten geschah das. Und wer den Anstoß dazu gab, das weiß ich nicht. [Pause] Wenn dann – Herr Direktor, wenn Sie gestatten – die Lage noch schlimmer war, das war besonders im Winter, wo es viele Kranke und viele, viele Verwundete gab. Und wenn diese Selektionen für Phenol nicht genügten, dann kam es üblicherweise zu großen Selektionen für die Gaskammern. Das waren größere Selektionen

Vorsitzender Richter [unterbricht]:

Haben Sie das auch mal erlebt?

Zeuge Jan Farber:

Das habe ich auch erlebt, aber das hat nicht Klehr gemacht, ich sah nicht ihn, sondern Ärzte machten das. Und dabei muß ich auch sagen, daß über Hantl ja auch gesagt wurde, daß er Phenolspritzungen macht. Ich aber persönlich habe es nie gesehen. Hantl hat sich sehr anständig mir gegenüber benommen, und auch gegen das übrige Personal im Lager war er anständig gewesen. Dagegen Klehr war sehr scharf. Er war so ein Schrecken des Krankenbaus, man nannte ihn »Phenolkommando«. Einmal mußte ich mit den anderen Häftlingen sogenannten Sport im Hof zwischen Block 20 und 21 machen, auf diese Weise, daß wir so ein Stockerl, das nannte man Taburett dorten, so einen kleinen Tisch bei den Füßen halten mußten und hüpfen rund um den Hof. Dort ist auch ein älterer polnischer Häftling zusammengebrochen einmal und wurde sehr lange krank dadurch. Er war sehr streng gewesen, sehr scharf gegenüber dem Personal gewesen. Demgegenüber Hantl, der sehr anständig gegenüber den Häftlingen war.

Vorsitzender Richter:

Haben Sie auch erlebt, daß er einmal Leute durch Pistolenschüsse ins Genick tötete, mit Ausnahme derjenigen, von denen Sie vorhin berichtet haben, die da nicht gleich

Zeuge Jan Farber [unterbricht]:

Klehr? Nein, nein.

Vorsitzender Richter:

Das haben Sie nicht erlebt.

Zeuge Jan Farber:

Nicht gesehen.

Vorsitzender Richter:

[Pause] Sagen Sie bitte, wie lang waren Sie denn mit Klehr in diesem Krankenbau tätig?

Zeuge Jan Farber:

Ja, jawohl, Herr Direktor. Dann brach 42 die große Fleckfieberepidemie aus

Vorsitzender Richter [unterbricht]:

Haben Sie sich nicht versprochen? War das 43 oder 42?

Zeuge Jan Farber:

Das war 42.

Vorsitzender Richter:

42. Sie kamen doch erst im Oktober 42 hin.

Zeuge Jan Farber:

Jawohl.

Vorsitzender Richter:

Und in diesem Jahr noch brach das Fleckfieber aus, oder war es schon ausgebrochen?

Zeuge Jan Farber:

Es war schon ausgebrochen, glaube ich, 42. Aber ich weiß nur, Herr Direktor, daß im Winter des Jahres 42/43 beschlossen wurde, ein sogenanntes Entlausungskommando zu gründen. Zu diesem Kommando wurde ich auch zugeteilt. Das heißt, daß ich als Häftling weiter in Block 21 wohnte, aber zu diesem Kommando zugeteilt wurde. Und wir machten dann Desinfektionen, Entlausung im Lager, so daß ich dann mit Klehr weniger in Block 21 zusammenkam. Ich habe dann dort nichts mit ihm gemein gehabt, aber er war Chef dieses Entlausungskommandos. Er gab uns Befehle, was wir zu entlausen haben

Vorsitzender Richter [unterbricht]:

Moment, Herr Zeuge, das habe ich eben nicht ganz mitbekommen. Also, Sie blieben weiter in Block 21 wohnen?

Zeuge Jan Farber:

Jawohl.

Vorsitzender Richter:

Und der Klehr?

Zeuge Jan Farber:

Der Klehr auch.

Vorsitzender Richter:

Auch.

Zeuge Jan Farber:

Auch, ja, ja. Er war noch immer SDG in Block 21, Herr Direktor.

Vorsitzender Richter:

War immer noch SDG in Block 21.

Zeuge Jan Farber [unterbricht]:

Jawohl, auch noch Anfang 43 war er noch SDG im

Vorsitzender Richter [unterbricht]:

Auch noch Anfang 43.

Zeuge Jan Farber:

Jawohl, ja.

Vorsitzender Richter:

Wissen Sie ungefähr, wann er dort abgelöst wurde?

Zeuge Jan Farber:

Ich würde es nicht sehr genau wissen, Herr Direktor, da ich schon nicht mehr dort arbeitete. Aber ich habe ihn dort noch als SDG so irgendwie Anfang Frühjahr gesehen.[...]

Vorsitzender Richter:

43. Aber daß Sie ihn, wie Sie im Oktober 42 dorthin kamen, tatsächlich noch dort erlebt haben, daran besteht kein Zweifel?

Zeuge Jan Farber:

Nein, kein Zweifel, Herr Direktor.

Vorsitzender Richter:

Und daß er den Winter 42/43 auch noch dort war

Zeuge Jan Farber [unterbricht]:

Ja, kein Zweifel, Herr Direktor.

Vorsitzender Richter:

Da gibt es keinen Zweifel?

Zeuge Jan Farber:

Nein.

Vorsitzender Richter:

Denn Klehr behauptet hier wiederholt, er sei bereits im Sommer 42 abgelöst worden.

Zeuge Jan Farber:

Nein, das ist nicht wahr, Herr Direktor. Das kann ich mit Bestimmtheit behaupten, daß er noch im Winter 42/43 bis Anfang 43 als SDG im Krankenbau war.

Vorsitzender Richter:

[Pause] Können Sie sich noch an das Weihnachtsfest 42 erinnern?

Zeuge Jan Farber:

Ja, einigermaßen ja, Herr Direktor.

Vorsitzender Richter:

Ja. Hat sich da irgend etwas abgespielt, was besonders traurig war?

Zeuge Jan Farber:

Ich habe das nur gehört, ich habe es selbst nicht gesehen. Es wurde gesagt, daß zu Weihnachten große Selektionen durchgeführt wurden im Krankenbau. Ich kann es aber nicht bestätigen, wer diese Selektionen gemacht hat.[...]

Vorsitzender Richter:

Sie waren an diesen Weihnachtstagen nicht mehr als Pfleger in dem Krankenbau?

Zeuge Jan Farber:

Nein, zu Weihnachten, Herr Direktor, war ich schon in diesem Entlausungskommando.

Vorsitzender Richter:

In dem Entlausungskommando. Und diesem Entlausungskommando stand Klehr vor?

Zeuge Jan Farber:

Jawohl.

Vorsitzender Richter:

Und er hat Ihnen die Befehle gegeben, was Sie machen sollten?

Zeuge Jan Farber:

Ja.

Vorsitzender Richter:

Wie groß war dieses Kommando ungefähr?

Zeuge Jan Farber:

Das Kommando war anfangs, Herr Direktor, klein gewesen. So einen Vorarbeiter hatten wir, der sich Schatten nannte. Und dann war zugeteilt außer mir ein gewisser Doktor Jurek Czarkowski, der mit uns die Desinfektionen machte. Und der Doktor Karl Sperber. Und später wurde das noch durch zwei oder drei Häftlinge erweitert.

Vorsitzender Richter:

Und was hatten Sie da nun für eine Aufgabe, und wo mußten Sie da tätig werden?

Zeuge Jan Farber:

Unsere Aufgabe, Herr Direktor, war, Entlausungen durchzuführen bei Häftlingen im Stammlager. Das war besonders während der Fleckfieberepidemie, da es sich zeigte, daß die Entfernung dieser Epidemien durch diese Massenselektionen für Vergasungen nicht genügten – und wie ich hörte, erkrankten auch einige SSler an dieser furchtbaren Epidemie –, da wurde beschlossen, das Lager zu desinfizieren und zu entlausen. Dazu dienten wir auch, das Entlausungskommando.

Wenn ein Block, also im Stammlager, auf diese Weise designiert wurde zur Entlausung, wurden die Häftlinge von dort herausgeholt in den Baderaum. Ihre Kleidung wurde desinfiziert. Wir haben sie entlaust auf diese Weise, daß sie nackt in der »Sauna« standen. Wir haben sie mit einem großen Fetzen, welchen wir in einen Eimer mit Petroleum eintauchten, beschmiert, und dann haben sie gebadet. Und währenddessen war der Block desinfiziert. Außerdem: unsere Aufgabe war auch, Zugänge im Stammlager auf diese Weise zu entlausen.

Vorsitzender Richter:

Ja. Nun, wir wollen jetzt erst mal bei der Entlausung des Blocks stehenbleiben. Also Sie sagten, die Häftlinge wurden mit Petroleum eingerieben, und die Kleider wurden desinfiziert. Wie wurden denn die Kleider desinfiziert?

Zeuge Jan Farber:

Es war eine Desinfektion direkt im Stammlager dann aufgebaut worden, und in

Vorsitzender Richter [unterbricht]:

Woraus bestand die?

Zeuge Jan Farber:

Das waren zwei große Kessel, unter denen geheizt wurde, und unter heißem Dampf wurden sie desinfiziert.

Vorsitzender Richter:

Ja. Und die Blocks?

Zeuge Jan Farber:

Und die Blocks auf diese Weise, Herr Direktor, daß die Fenster mit Papier beklebt wurden, damit die Stuben hermetisch geschlossen sind. Und dann wurde dort Gas eingeführt in jede Stube und auch im Korridor und zuletzt die Türe auch verklebt. In diesem Zustand waren das leere Blöcke gewesen. Und nach 24 Stunden wurde dieser Block geöffnet, dann 24 Stunden ventiliert, und dann konnten die Häftlinge wieder einziehen.

Vorsitzender Richter:

In welcher Form wurde denn das Gas eingeführt?

Zeuge Jan Farber:

Das war in Blechbüchsen gewesen, ungefähr 20, 25 Zentimeter hohe, Umfang 12, 15 Zentimeter, Diameter. Und Zyklon B war da aufgeschrieben gewesen.

Vorsitzender Richter:

Und sonst noch etwas?

Zeuge Jan Farber:

Zyklon B. Nein, nur Zyklon B.

Vorsitzender Richter:

War noch ein Totenkopf draufgemalt?

Zeuge Jan Farber:

Es gab auch anderes Zyklon B, wo noch irgend etwas draufstand, ich weiß nicht, daß irgendeine Gefahr drohte oder so etwas. Auf diesen Büchsen war das nicht gewesen.

Vorsitzender Richter:

Nicht. Hatten Sie denn da irgendwelche Gasmasken dazu?

Zeuge Jan Farber:

Ja, wir, das Entlausungskommando, hatten Gasmasken, haben auch eine große Schachtel von Filtern gehabt [...] für die Gasmasken, die wir dann, wenn es notwendig war, auswechseln konnten. Und wir gingen mit den Gasmasken in die Baracken, haben die Büchsen geöffnet. Wir hatten so einen Öffner, der meistens nicht funktioniert hat, und da mußten wir mit Zangen die Büchsen öffnen und auf dem Boden ausschütten die Büchsen und hinausgehen.

Richter Perseke:

Klehr [unverständlich] Gasmaske [unverständlich]

Vorsitzender Richter:

Hat Klehr da auch einmal mitgeholfen?

Zeuge Jan Farber:

Nein, Klehr

Vorsitzender Richter [unterbricht]:

Oder es Ihnen gezeigt?

Zeuge Jan Farber:

Klehr, das haben wir ganz alleine gemacht, Herr Direktor. Anfangs hat er dabei assistiert, kontrolliert. Aber wenn er sah, daß wir es einwandfrei machen, dann war er meistens nicht mehr dabei gewesen.

Vorsitzender Richter:

Hat er dann auch eine Gasmaske gehabt, wie er dann

Zeuge Jan Farber [unterbricht]:

Nee, nee, Klehr kam nicht hinein in die Baracke. Das haben wir selbst besorgt. Er war nur draußen.

Vorsitzender Richter:

Auch anfänglich, wie er es Ihnen gezeigt hat?

Zeuge Jan Farber:

Nein, anfänglich hat er es wohl selbst gezeigt.

Vorsitzender Richter:

Hatte er da auch eine Gasmaske?

Zeuge Jan Farber:

Hat er dieselbe Gasmaske gehabt, wie wir sie besaßen.

Vorsitzender Richter:

Sie wissen nicht, ob das Heeresgasmasken gewesen sind oder

Zeuge Jan Farber [unterbricht]:

Das war so eine Art primitiver Militärmasken gewesen, Herr Direktor, eine Maske, ein Schlauch und unten der Filter.

Vorsitzender Richter:

Damit waren also die Blöcke desinfiziert, die Kleider desinfiziert, und die Menschen wurden vermutlich nachher wieder abgewaschen oder konnten sich

Zeuge Jan Farber [unterbricht]:

Abgewaschen, das geschah direkt im Baderaum unter der »Sauna«. Nach diesem Einschmieren von Petroleum mußten sie eine Weile warten, bis das Petroleum wirkt, und dann badeten sie.

Vorsitzender Richter:

Und sie waren der Überzeugung, daß damit die Läuseplage...

Zeuge Jan Farber:

Gelöst wird.

Vorsitzender Richter:

Gelöst, geändert

Zeuge Jan Farber [unterbricht]:

Nein, sie waren dieser Überzeugung gewesen, das geschah aber nicht, Herr Direktor.

Vorsitzender Richter:

Das kann man sich auch vorstellen, nicht?

Zeuge Jan Farber:

Es geschah überhaupt nicht.

Vorsitzender Richter:

Ja, also wir hatten hier mal einen Zeugen, der hatte sogar eine Patentlösung uns vorgetragen für die Beseitigung der Läuse. Er hat gesagt, wenn er 5.000 Zigaretten bekäme, dann wollte er das Lager läusefrei machen. Dann hätte man sie ihm auch gegeben, und dann hätte er gesagt: »Für jede Laus eine Zigarette«, und dann wäre das Lager am nächsten Tag innerhalb von 24 Stunden läusefrei gewesen. So war es wohl nicht.

Zeuge Jan Farber:

Nein.

Vorsitzender Richter:

Nein. Nun ja. [Pause] Herr Zeuge, ich komme dann zu einem andern Kapitel, und zwar möchte ich Sie fragen, ob Sie auch einmal in dem Block 10 waren.

Zeuge Jan Farber:

Jawohl.

Vorsitzender Richter:

Wie kam das, daß Sie dorthin kommen konnten?

Zeuge Jan Farber:

Der Block 10, Herr Direktor, wurde, ich glaube, im Frühjahr als Frauenblock, als Versuchsblock umgewandelt. Die Frauen, die ins Stammlager kamen, die haben wir ja auch entlaust, das Männer-Desinfektionskommando, auch auf diese Weise, daß sie dort nackt standen und wir sie mit Petroleum eingeschmiert haben. Ich persönlich und auch der Doktor Sperber haben selbst einen SDG ersucht, daß er auch ein Frauen-Entlausungskommando gründen sollte. Denn das ist ja sehr unangenehm, daß Männer Frauen, nackte Frauen, dort mit Petroleum einschmieren sollen. Und das geschah auch. Ein Kommando von zwei Pflegerinnen, die auf dem Block 10 arbeiteten, die haben das einmal durchgeführt. Aber das nächste Mal rief man wieder uns zur Entlausung dieser Frauen, und es wurde uns gesagt, daß die Frauen es sehr schlecht machten. Und da haben wir wieder diese Entlausungen durchführen müssen.

Vorsitzender Richter:

Auf Block 10 auch?

Zeuge Jan Farber:

Nein, das haben wir in der »Sauna« gemacht.

Vorsitzender Richter:

In der »Sauna« gemacht.

Zeuge Jan Farber:

In der »Sauna«. Die gingen dann auf Block 10 rüber.

Vorsitzender Richter:

Ja, und sind Sie denn auf Block 10 gekommen?

Zeuge Jan Farber:

Und auf Block 10 bin ich sehr oft gekommen, Herr Direktor, denn auch dort natürlich zeigten sich Läuse, waren vorhanden. Und wir gingen sehr oft auf Block 10, eine ähnliche Desinfektion zu machen. Aber das wurde nicht mit Gas gemacht, sondern wir bekamen eine Lösung von Lysol, wenige Prozent Lysol. Das war meistens Wasser gewesen. So eine Art von Desinfektion haben wir auch gegen Wanzen durchgeführt, und das war natürlich ganz unschädlich für die Wanzen, auch für die Läuse gewesen. Und deshalb kamen wir oft auf diesen Block, denn wir konnten die Läuse und die Wanzen auf diese Art nicht entfernen. Und ich war sehr oft auf diesem Block mit dieser Tätigkeit beschäftigt.

Vorsitzender Richter:

Und konnten Sie von Block 10 auch nach Block 11 sehen?

Zeuge Jan Farber:

Jawohl, Herr Direktor, es waren

Vorsitzender Richter [unterbricht]:

Waren denn da die Fenster nicht zugenagelt?

Zeuge Jan Farber:

Ja, Herr Direktor, die Fenster, die im Hof gegenüber dem Block 11 standen, waren mit Brettern beschlagen. Die standen so schief, die Bretter, damit auch ein bißchen Licht noch in die Stuben hineinkommt. Aber es waren große Ritzen zwischen diesen Brettern gewesen, und durch viele solcher Ritzen konnte man in den Hof, nicht in Block 11, sondern in den Hof zwischen Block 10 und Block 11 sehen.

Vorsitzender Richter:

Durften Sie das denn?

Zeuge Jan Farber:

Das war sehr streng verboten gewesen, Herr Direktor. Auch die Frauenhäftlinge, die sich dort befanden, die haben sich nie getraut, zum Fenster zu gehen. Und wenn es Massenhinrichtungen gab, dann natürlich waren sehr scharfe Maßnahmen getroffen geworden. Es kam auch ein SSler in den Block, um darauf aufmerksam zu machen, daß niemand zu diesen Fenstern sich traut. Die wagten es auch nicht, und wir wagten es, wenn nicht solche großen Hinrichtungen waren. Wenn einzelne Hinrichtungen waren, kleine Gruppen oder einzelne, dann war diese Maßnahme nicht so scharf gewesen. Es kam auch niemand auf Block 10, um zu warnen, zu drohen. Und bei dieser Gelegenheit habe ich einige Mal solche Fälle gesehen.

Vorsitzender Richter:

Ja. Nun waren doch in Block 10 wohl auch Pflegerinnen oder Wärterinnen oder wie Sie das genannt haben, ja? Und das waren doch auch SS-Frauen vermutlich.

Zeuge Jan Farber:

Ja, diese Wärterin befand sich meistens unten, Herr Direktor. Diese Wärterin bewachte hauptsächlich den Eingang unten in Block 10. Aber sehr selten kam sie hinauf, wo die Säle der Frauenhäftlinge waren. Die zu Versuchen ausgewählten Häftlinge wohnten oben. Unten waren verschiedene Operationssäle und Röntgen und so weiter.

Vorsitzender Richter:

Nun, würden Sie uns mal erzählen, was Sie da von dem Hof zwischen Block 10 und Block 11 gesehen haben?

Zeuge Jan Farber:

Jawohl, Herr Direktor. Natürlich, wenn jemand von unserem Kommando zu so einem Fenster hinging, wurde immer einer vom Kommando als Wache hingestellt, beim

Vorsitzender Richter [unterbricht]:

Herannahen von irgend jemand mußte er Sie warnen.

Zeuge Jan Farber:

Jemand mußte wachen, damit niemand hinkommt, und so konnten wir zwei immer hinausgucken in den Hof. Und wenn Gefahr war, natürlich hat er uns gewarnt. Dann gingen wir weg.

Vorsitzender Richter:

Ja. Nun haben Sie also durch die Bretter gesehen. Was konnten Sie denn sehen, wenn Sie da rausgeguckt haben?

Zeuge Jan Farber:

In einem Falle, das war entweder Ende Sommer oder Herbst 43 bei so einer Gelegenheit, und zwar das war ganz früh, wo wir angefangen hatten – wir fingen immer sehr früh an, schon vor acht Uhr kamen wir hin –, haben wir bemerkt, daß im Hof des Blockes 10 und 11 an der Wand des Blockes 11, aber nicht bei dieser berüchtigten Schwarzen Wand, sondern beim Ausgang von Block 11, neben dem Ausgang an der Wand ein kleines Mädchen stand.

Vorsitzender Richter:

Ja, Moment. Damit wir uns da nicht mißverstehen: Welchen Ausgang meinen Sie?

Zeuge Jan Farber:

Das war der Ausgang, Herr Direktor, der nicht zur Straße ging, sondern

Vorsitzender Richter [unterbricht]:

Der nicht an die Straße ging.

Zeuge Jan Farber:

Es war auch ein Ausgang zum Hof von Block 11.

Vorsitzender Richter:

Vom Block auf der Breitseite.

Zeuge Jan Farber:

Auf diesen Hof

Vorsitzender Richter [unterbricht]:

Oder auf der Längsseite, will ich sagen.

Zeuge Jan Farber:

In der Mitte, genau in der Mitte war es.

Vorsitzender Richter:

Und neben dieser Tür stand ein kleines Mädchen.

Zeuge Jan Farber:

Neben dieser Tür, links oder rechts – ich weiß es schon nicht mehr genau – stand ein kleines Mädchen in so einem Bordeauxkleid, einfaches Wollkleid, glaube ich, war es gekleidet, ohne Kopfbedeckung, hatte so einen kleinen Zopf gehabt. Sie stand bei der Wand, sehr diszipliniert, die Hände hat sie wie so ein Soldat gehalten. Dann später besichtigte sie ihre Schuhe. Sie sah, daß die Schuhe irgendwie beschmutzt sind, bückte sich und putzte sich mit den Ärmeln die Schuhe. Dann stand sie wieder ganz aufrecht. Wir gingen natürlich einige Mal vom Fenster wieder weg, kamen wieder zurück. Und dann sahen wir den Boger in den Hof hereinkommen, er nahm das Kind bei der Hand. Das Kind ging sehr diszipliniert, ohne irgendwelchen Widerstand. Er sagte scheinbar etwas dem Kind, das wir nicht hörten, wir haben es nur gesehen. Er nahm sie zur Schwarzen Wand, und so wie sie bekleidet war, richtete er sie so mit den Händen zur Schwarzen Wand, ging dann nach hierher – dabei hat sich das Kind umgedreht, hatte wieder den Kopf gerade zur Wand gemacht –, nahm das Gewehr und erschoß das Kind. Das war ein Fall gewesen.

Vorsitzender Richter:

Moment, da wollen wir einen Augenblick stehenbleiben.

Zeuge Jan Farber:

Jawohl.

Vorsitzender Richter:

Wo hatte er das Gewehr plötzlich her?

Zeuge Jan Farber:

Das Gewehr hat er an der Schulter hängen gehabt.[...]

Vorsitzender Richter:

Wie er das Kind da vor geführt hatte?

Zeuge Jan Farber:

Wie er das Kind vor geführt hatte, war es noch immer an der Schulter. Er nahm es von der Schulter erst, als das Kind schon vor der Wand stand.

Vorsitzender Richter:

Und wo Boger herausgekommen ist, wissen Sie nicht?

Zeuge Jan Farber:

Boger ist gleich nach dieser Tat wieder in diesen Eingang zurückgegangen in Block 11. Mehr haben wir von ihm dann nicht gesehen.

Vorsitzender Richter:

Ja. Und ich meine, als er herauskam, um das Kind dorthin zu führen, wo kam er da her?

Zeuge Jan Farber:

Er kam von dieser Tür, die in den Hof führte, Herr Direktor

Vorsitzender Richter:

Kam er heraus.

Zeuge Jan Farber:

Heraus. Und das war gerade gegenüber uns gewesen.

Vorsitzender Richter:

Ja. Wieso kannten Sie Boger damals?

Zeuge Jan Farber:

Boger kannte ich. Genauso, Herr Direktor, wie Klehr im Krankenbau »Schrecken des Krankenbaus« genannt wurde – man nannte ihn nicht anders als »Phenolkommando«. Den Boger haben wir sehr oft auf dem Rad mit diesem Gewehr gesehen, wie er auf Block 11 ging. Es wurde gesagt, daß er dort Exekutionen durchführt, so daß ich ihn schon vom Lager kannte. Deshalb habe ich ihn

Vorsitzender Richter [unterbricht]:

Also, Sie haben ihn wiederholt auf dem Rad mit dem Gewehr

Zeuge Jan Farber:

Wiederholt gesehen.

Vorsitzender Richter:

In der Hand gesehen. [unverständlich]

Zeuge Jan Farber [unterbricht]:

Ja, wiederholt gesehen. Ich kannte ihn. Deshalb konnte ich ihn auch im Hof des Blockes 11 erkennen.

Vorsitzender Richter:

Wie alt war denn das Kind, das er da getötet hat?

Zeuge Jan Farber:

Das Kind blieb dann dort liegen, Herr Direktor.

Vorsitzender Richter [unterbricht]:

Wie alt, wie alt war es?

Zeuge Jan Farber:

Das war ungefähr sechs oder vielleicht sieben Jahre alt. Ein kleines Mädchen

Vorsitzender Richter [unterbricht]:

Und wissen Sie, was das Kind für ein Schicksal hatte, wieso es dahin kam?

Zeuge Jan Farber:

Ja, ich weiß. Die Leichenträger, Herr Direktor, haben uns dann gesagt, wo wir dann am selben Abend wieder ihnen geholfen hatten. Denn auch noch in dieser Funktion als Desinfektor mußte ich oft den Leichenträgern helfen. Sie sagten, daß das ein polnisches Kind war, dessen Eltern ein oder zwei Tage vor dieser Tat auch dort erschossen wurden. [Pause] Ich möchte Sie um eines bitten, Herr Direktor. Da ich glaube, hier einen SSler erkannt gehabt zu haben, will ich noch eine ähnliche Sache vom Block 11 schildern. Wenn Sie gestatten, Herr Direktor.

Vorsitzender Richter:

Bitte schön.

Zeuge Jan Farber:

Eine Erweiterung meiner Aussage machen. Ungefähr im Herbst 43 habe ich auch so eine individuelle Exekution vom Block 10 durch diese Ritzen des Fensters im Hof gesehen. Und zwar, wo wir hinkamen, sagte uns schon eine Frau, daß dort eine Familie im Hofe steht. Das war ungefähr ein 34-, 35jähriger Mann, eine jüngere Frau bei ihm, sie trug ein Kind auf dem Arm, vielleicht ein Jahr alt, und der Mann hielt auch einen Jungen an der Hand. Das Kind stand neben dem Vater. Und das dauerte ziemlich lange, diese Szene. Sie standen immer dort, sie sprachen etwas untereinander, das wir nicht vernehmen konnten.

Und nach einer halben Stunde kam einer von den SSlern, den ich hier sehe, in den Hof von derselben Türe des Block 11 auf diese Familie zu, ohne Gewehr, schoß sofort, als er sich der Familie näherte, in den Kopf dieses kleinen Kindes, das die Mutter auf dem Arm trug. Die Mutter brach zusammen, fiel auf den Boden samt diesem erschossenen Kind. Der SSler erschoß die liegende Mutter, und bei dieser Szene kniete der Mann nieder. Und nach diesen Gestikulationen wies er so auf diesen Jungen noch. Aber dieser SSler erschoß auch diesen Mann und erst zuletzt diesen Jungen.

Das war die zweite Szene, die ich im Hofe des Blockes 11 gesehen habe und die sich mir in mein Gedächtnis sehr eingeprägt hat, Herr Direktor. Und hier sehe ich den SS-Mann.

Vorsitzender Richter:

Würden Sie mal

Zeuge Jan Farber [unterbricht]:

Ich kannte ihn

Vorsitzender Richter [unterbricht]:

Auf ihn zugehen?

Zeuge Jan Farber:

Ja. Er möchte so gut sein, oder wollen Sie, Herr Direktor, sich am Ende erst?

Vorsitzender Richter:

Nein, nein, sagen Sie nur.

Zeuge Jan Farber:

Das war dieser SSler gewesen, Klaus.

Vorsitzender Richter:

Klaus.

Zeuge Jan Farber [unterbricht]:

Der Name ist Klaus. Ich kannte ihn unter dem Namen Klaus.

Vorsitzender Richter:

Und wieso kannten Sie ihn überhaupt?

Zeuge Jan Farber:

Ich kannte ihn, weil er auch bei solchen Massenexekutionen dorthin kam, zu diesem Block 11. Wenn große Exekutionen durchgeführt wurden, kamen immer mehrere SSler hin. Es waren auch einige, die Wache schoben um den Block 11, ob nicht jemand zusieht und so weiter. Und da habe ich auch diesen SSler oft dort gesehen. Und ihn kannte ich genauso wie Boger, kannten wir namentlich. Ihn kannte ich unter dem Namen Klaus.

Vorsitzender Richter:

Und wo hatten Sie diesen Namen her erfahren?

Zeuge Jan Farber:

Im Lager von den Häftlingen habe ich das so gehört, Herr Direktor.

Vorsitzender Richter:

Ja. Also Boger scheint ja in dem Lager eine sehr bekannte Figur gewesen

Zeuge Jan Farber [unterbricht]:

Eine bekannte

Vorsitzender Richter [unterbricht]:

Zu sein

Zeuge Jan Farber [unterbricht]:

Ja, ja, ja.

Vorsitzender Richter:

Aber von diesem Angeklagten habe ich das bisher nicht gehört. Haben Sie sich auch von den andern die Namen sagen lassen, die dahin kamen zu den großen

Zeuge Jan Farber [unterbricht]:

Ja, ich kannte natürlich auch andere Namen, Herr Direktor. Ich sehe niemanden hier von diesen SS-Männern. Besonders bekannt war dort der Rapportführer Palitzsch, dann später Stiwitz, die kannte ich auch, namentlich, persönlich. Ich habe sie gesehen. Aber diese Angeklagten sehe ich hier nicht. Und genauso bekannt bei Block 11 wie Stiwitz und Palitzsch war auch Boger. Und oft habe ich noch einige, auch Lachmann, dort gesehen. Den kannte ich auch. Und diesen SSler kannte ich unter dem Namen Klaus. Die Polen sagten: »Klaus geht auf Block 11.« Er kam auch manchmal selbst auf Block 11. Wenn nicht Massenexekutionen durchgeführt wurden, habe ich ihn auch oft auf Block 11 sehen können. Und bei dieser Gelegenheit sagten die Polen: »Klaus, Klaus geht auf Block 11. Da wird was los sein.«

Vorsitzender Richter:

Nun sagen Sie, Sie haben doch gesagt, er hatte kein Gewehr dabei.

Zeuge Jan Farber:

Nein, das war mit Pistole durchgeführt worden, Herr Direktor.

Vorsitzender Richter:

Hatte er die Pistole schon in der Hand gehabt, wie er da raus kaum?

Zeuge Jan Farber:

Nein, er kam auf diese Familie zu. Natürlich habe ich nicht beobachtet, ob er in der Hand eine Pistole hat oder nicht. Wir schauten bloß auf ihn. Aber wo er bei der Familie war, hat er schon die Pistole gezogen. Ob er sie schon vordem in der Hand hatte oder nicht, kann ich mich nicht genau, Herr Direktor, leider erinnern. Es hat sich mir eingeprägt bloß er, wie ich ihn hier sehe. Und als er sich der Familie näherte, haben wir natürlich am wenigsten erwartet, daß gleich geschossen wird. Denn es war üblich, sie zur Wand zu führen, und die wurden nicht vor der Wand erschossen. Und am Abend wurden dann von den andern Leichenträgern diese vier Menschen in so einen Sarg gelegt, das war so eine große Kiste. Alle viere wurden in diesen einen Sarg hineingelegt, und sie brachten sie in diesem Sarg vor Block 28. Und abends, wo wir dann Leichen ins Krematorium führten, haben wir da auch diesen Sarg weggeführt.

Vorsitzender Richter:

[Pause] Tja, meine Herren, ich glaube, daß wir mit der Vernehmung dieses Zeugen heute nicht mehr zu Ende kommen, denn Sie waren ja wohl nachher auch noch in Gleiwitz.

Zeuge Jan Farber:

Jawohl.

Vorsitzender Richter:

Also

Zeuge Jan Farber [unterbricht]:

Darüber kann ich aber sehr kurz berichten, Herr Direktor.

Vorsitzender Richter:

Ja. Da sind doch noch verschiedene Einzelheiten, [Pause] die wir doch noch besprechen müßten. Ich glaube, Herr Zeuge, Sie müssen am Montag noch mal kommen. Meine Herren, ich würde folgendes vorschlagen: Also wir haben ja heute leider von den für heute geladenen Zeugen noch nicht mal zwei Zeugen hören können.

97. Verhandlungstag, 5.10.1964

Fortsetzung der Vernehmung des Zeugen Jan Farber

Vorsitzender Richter:

Sie hatten uns am Freitag gesagt, daß Sie von dem Häftlingskrankenbau aus beauftragt worden seien mit Desinfektionsarbeiten.

Zeuge Jan Farber:

Jawohl.

Vorsitzender Richter:

Und daß Sie in dieser Tätigkeit sowohl Häftlinge als auch die Kleider als auch die Unterkünfte der Häftlinge entlaust hätten. Wer war der Führer dieses Desinfektionskommandos, also der Vorgesetzte?

Zeuge Jan Farber:

Klehr.[...]

Vorsitzender Richter:

Wer hat Sie denn eingewiesen in diese Tätigkeit?

Zeuge Jan Farber:

Klehr hat uns belehrt, wie wir das machen sollen. Und wenn wir es einwandfrei konnten, dann haben wir selbständig die Arbeit gemacht.

Vorsitzender Richter:

Und diese Tätigkeit haben Sie wohl seit 1943 ausgeübt?

Zeuge Jan Farber:

Nein, schon seit Winter 42/43.[...]

Vorsitzender Richter:

Nun, sagen Sie bitte, in dieser Zeit, war da Klehr nur noch mit Desinfektionen beschäftigt, oder war er auch noch im Krankenbau tätig?

Zeuge Jan Farber:

Er war auch noch im Krankenbau beschäftigt gewesen

Vorsitzender Richter [unterbricht]:

Und können Sie uns

Zeuge Jan Farber [unterbricht]:

Aber nur noch kurz, Herr Direktor. Ich glaube, so bis Herbst 43, später bestimmt nicht mehr.

Vorsitzender Richter:

Später bestimmt nicht mehr. Sie sagen also, im Jahr 43 war er bestimmt noch dort tätig.

Zeuge Jan Farber:

Ja, ja, bestimmt.

Vorsitzender Richter:

Sie wissen nur nicht mehr genau wie lange. Vielleicht bis zum Herbst.

Zeuge Jan Farber:

Bis zum Herbst.

Vorsitzender Richter:

Höchstens.

Zeuge Jan Farber:

Höchstens.

Vorsitzender Richter:

Ja. Und wo sind Sie denn dann hingekommen, nachdem Sie in Auschwitz weggekommen sind?

Zeuge Jan Farber:

Ganz am Anfang vom Herbst 1944 wurde Klehr nach Gleiwitz I – das war ein Zweiglager – abkommandiert, und zwar als SDG und Desinfektor. In Gleiwitz befanden sich mehrere Zweiglager. Er sollte dort Haupt-SDG für alle Lager sein und auch Chef der Desinfektion für alle Lager. Doch seine Haupttätigkeit war Gleiwitz I, wo er SDG war. Und zwar hat er den Auftrag gehabt, in Gleiwitz I das SS-Revier aufzubauen und das Häftlingsrevier aufzubauen. Zu dieser Funktion Klehrs wurde ich als Häftling, Desinfektor, Pfleger und Schreiber zu ihm eingeteilt, und ich fuhr zugleich mit Klehr nach Gleiwitz I.

Dort hatte Klehr den Auftrag gehabt, das SS-Revier aufzubauen und das Häftlingsrevier aufzubauen. Die Tatsache sah so aus, daß dort eigentlich nichts vorhanden war, bloß eine Baracke für das SS-Revier und eine Baracke für das Häftlingsrevier. Und da war Klehr sehr beschäftigt gewesen. Er mußte Betten besorgen, die waren nicht vorhanden gewesen. Und bei dieser Arbeit half ich dem Klehr auch sehr viel. Er besorgte Betten, ich mußte sie anstreichen, und wir zusammen schafften es in sehr kurzer Zeit, das SS-Revier und auch das Häftlingsrevier bereit zu machen.

Im SS-Revier gab es, ich glaube, sechs oder acht Betten, ich kann mich nicht mehr erinnern. Das war bloß ein großes Zimmer gewesen, dort war auch in einer Ecke so eine Art Ambulanz, und gegenüber war eine kleine Stube, wo Klehr wohnte. Dort hat sich der Häftlingskrankenbau anfangs ziemlich rasch gefüllt. Es war noch so eine bestimmte Frühjahrskälte gewesen. Und die Häftlinge arbeiteten dorten in sogenannten Waggonreparaturwerken[5]. Dort waren auch Zivilisten, Deutsche, beschäftigt als Meister. Und die Bedingungen bei dieser Arbeit waren natürlich viel besser wie in den Auschwitz- Kommandos gewesen. Zumal vor den Zivilarbeitern trauten sich ja die SSler nicht, die Häftlinge zu schlagen.

Aber trotzdem waren kranke Häftlinge dagewesen. Und ich arbeitete tagsüber im SS-Revier, und abends machte ich den Schreiber im Häftlingsrevier. Meine Arbeit bestand darin, die Neuankömmlinge im Häftlingskrankenbau in die Karteikarten einzutragen. Bei dieser Gelegenheit geschah es einmal, daß Klehr eine Selektion selbst durchgeführt hat, und zwar ich weiß nicht genau, zwei oder drei Häftlinge hat er auf diese Weise ausgesucht.

Die Karteikarten hat der Arzt beiseite gelegt. Klehr schrieb sich die Häftlingsnummern dieser Häftlinge auf. Und als Klehr wegging vom Revier, sagte mir der Häftlingsarzt, daß diese zwei ausselektiert wurden.

Später, ich glaube, es dauerte drei oder vier Tage, sagte ich dem Klehr, daß er, wenn er einmal nach Auschwitz fährt, mich mitnehmen soll. Wir mußten etwas Wäsche besorgen, und er wollte auch Medikamente von dort mitbringen. Und nach dieser Selektion von diesen zwei Häftlingen kam tatsächlich ein Ambulanzwagen am SS-Revier vorgefahren. Da bin ich eingestiegen, und dort waren diese zwei selektierten Häftlinge drinnen gewesen. Das war ein geschlossener Wagen. Ich saß mit diesen zwei Häftlingen im Wagen. Es war bloß ein kleines Fenster in diesem Ambulanzwagen, das war zum Chauffeur, das natürlich meistens unterwegs durch die Rücken des Chauffeurs und Klehrs verdeckt war. Wir konnten ab und zu hinaussehen.

Und nachdem wir uns dem Lager genähert haben – ich merkte nur, daß wir einige Mal stehen blieben –, wurde der Wagen geöffnet, und Klehr rief die zwei Häftlinge heraus. Na, ich wollte auch hinausgehen, mich ein wenig ausstrecken nach dieser Fahrt, und sah, wir standen vor einem Tor, im Hintergrund waren Bäume gewesen und ein Krematorium. Vor dem Tor stand eine SS-Wache, und als ich hinauskam aus dem Wagen, sagte mir Klehr: »Was, willst du auch mit?« Sage ich nur »Nein«. Als ich das Krematorium gesehen habe, sagte ich »Nein«. »Na, dann hau ab zurück in den Wagen.« Und das habe ich auch getan.

Klehr hat die zwei Häftlinge dort dieser SS- Wache übergeben, der hat ihm etwas unterschrieben, und kam in den Wagen zurück. Nachher fuhren wir ins Lager Auschwitz und besorgten dort die notwendigen Sachen.

No, wenn ich so den ganzen Komplex Klehr geschildert habe, natürlich, damit ich ihn ganz schildere, muß ich auch das sagen: Klehr hat sich in Gleiwitz wesentlich geändert. Es war unglaublich gewesen, schon von Anfang an. Außer diesen Selektionen habe ich von Klehr keine Brutalität gegenüber den Häftlingen gesehen. Er war sehr anständig, nicht nur mir gegenüber, sondern allgemein, in diesem Lager, wo die Häftlinge mit Zivilarbeitern beschäftigt waren, wo an den Arbeitsstätten nicht geschlagen werden konnte, aus diesen Gründen natürlich.

Doch als Lagerführer herrschte da damals der Hauptscharführer Moll, und das war doch ein gefürchteter SS-Mann von Auschwitz gewesen. Das war der einzige, der dort dieses Auschwitz-Regime in Gleiwitz auch durchsetzen wollte. Und ich muß da auch das sagen, daß sich Klehr gegenüber diesen Methoden gewehrt hatte. Er wollte nicht, daß der Krankenbau durch Opfer von Schlägereien gefüllt sein sollte. Und ich war auch Zeuge, wie Klehr SS-Leute, die im Lager die Häftlinge schlugen, sehr streng angeschrien hat.

Im Sommer desselben Jahres 44 besuchte Klehr seine Gemahlin mit den zwei Kindern. Ich hatte sie auch kennengelernt. Ich war sehr erstaunt, denn es handelte sich um eine sehr anständige und sehr liebe Frau. Und ich hörte am ersten Tag ein Gespräch zwischen Klehr und seiner Frau Gemahlin, wo sie ihm sagte: »Du, ich hörte doch, daß ihr furchtbare Sachen in diesen Lagern treibt, daß ihr Leute vergast, Frauen und Kinder. Ja, hoffentlich hast du nicht die Finger auch drinnen.« Klehr sagte darauf: Nein, er ist SDGler, er heilt die Häftlinge. Mir sagte er am nächsten Tag, da er wahrscheinlich bemerkt hatte, daß ich etwas gehört habe von diesem Gespräch, wenn ich gefragt werde von seiner Frau, ich soll nicht wagen, etwas von seiner Tätigkeit in Auschwitz auszuquatschen.

Seine Frau hielt sich dort einige Tage mit den Kindern auf. Sie war mir gegenüber sehr liebenswürdig gewesen, hat mich nie gefragt danach, was Klehr in Auschwitz machte. Sie hat mich immer mit so einem bestimmten Leiden angesprochen. Die Kinder waren, das wunderte mich – nicht seitens der Frau Klehr, aber seitens Klehr –, sehr anständig gewesen. Sie waren gut erzogen gewesen, liebe Kinder. Es ging mir überhaupt nicht in den Kopf, wie es möglich ist, daß von so einer Familie so ein Klehr nach Auschwitz gekommen ist. Und überhaupt, nach diesem Besuch der Frau Klehr in Auschwitz hat sich dann Klehr noch mehr zugunsten der Häftlinge geändert. Seine Änderung ging so weit, daß er auch Streit mit dem Hauptscharführer Moll hatte. Ich kann mich erinnern, als Lagerarzt kam da oft der Doktor Fischer nach Gleiwitz. Klehr hat sich bei ihm beschwert, und der Fischer selbst hat damals schon das Schlagen verboten gehabt, verboten in den Lagern. Und Klehr hat sich bei Fischer über den Hauptscharführer Moll beschwert.

Dann, nach diesem Besuch der Frau Klehr, kam es aber wieder zu so einer Selektion wie das erste Mal in Gleiwitz. Klehr sonderte wieder zwei Häftlinge aus. Und nachdem er den Häftlingskrankenbau verlassen hat, sagte mir der Arzt: »Komm dir ansehen die zwei Häftlinge, das ist nicht so schlimm.« Der eine hatte zwar hohes Fieber, aber bloß eine Angina soll er gehabt haben. Und der andere hat eine Phlegmone gehabt. Er sagte mir, daß die Häftlinge nicht lange im Krankenbau liegen werden, wenn man sie hier behandeln würde. Der mit der Angina könnte in einer Woche den Krankenbau verlassen. Und ich, nachdem sich Klehr so sehr geändert hat, wagte es, am nächsten Tag dem Klehr zu sagen, daß er zwei Häftlinge ausgesondert hat, die nach dem Meister gute Arbeiter sind. Das sagten mir Häftlinge, die Mitarbeiter waren dieser zwei Häftlinge.

Zeuge Jan Farber:

Der Häftlingsarzt sagte mir, die Häftlinge könnten eigentlich in kurzer Zeit, das heißt in 14 Tagen, wieder arbeiten. Klehr war ohne Arg gegenüber diesen Vorwürfen, die ich ihm machte. Er sagte: »Ja, wer weiß, wie lange die mir dort liegen werden.« Ich sagte ihm, der Arzt sagte, bloß 14 Tage. »Na ja, wer garantiert mir das?« Sage ich: »Ich und der Arzt können das garantieren.« Und er nahm einen Block aus der Tasche hinaus, strich die zwei Häftlingsnummern. Mir sagte er – aber ich glaube, das war nicht so gemeint von ihm: »Paß mal auf, wenn die nicht in 14 Tagen herab sind, dann gehst du an ihrer Stelle.« Ich sagte ihm: »Jawohl.« Also, das wollte ich noch hinzufügen, damit ich den Komplex Klehr objektiv vor Gericht darstelle. Er hat sich in Gleiwitz so geändert, daß ich es eigentlich bis heute noch nicht verstanden habe, was der Grund war, daß sich Klehr so änderte.

Am Ende – nach der Abfahrt seiner Frau und seiner Familie aus Gleiwitz –, weiß ich, daß sich Klehr freiwillig an die Front gemeldet hatte. Ich wußte es von ihm, er sagte mir nämlich: »Bekommst einen neuen Chef.« Ich fragte ihn: »Wieso denn?« »No, ich gehe an die Front.« Ich sagte ihm noch darauf: »Ja, Sie wird man bestimmt nicht von hier weglassen. Sie sind ja unentbehrlich.« Und er hat mir da etwas gesagt, daß ich nicht weiß, wie es da an den Fronten zugeht, und er kommt weg. Und das dauerte dann einige Wochen, glaube ich, zwei oder drei Wochen. Dann geschah das nach neun Uhr abends; ich durfte ja im SS-Revier bloß bis zum Abendappell draußen sein. Nachher mußte ich dann ins Häftlingsrevier, ich konnte da schon nicht mehr hinaus, denn die Große Postenkette war dann zurückgezogen.

Und eines Tages rief man mich zum Tor schon nach neun Uhr aus dem Bett. Ich ging zum Tor, und da sah ich Klehr. Die Wache sagte mir: »Raus, hau ab!« Klehr hat mich beim Arm genommen, nahm mich in seine Stube hinein. Er war ein wenig betrunken gewesen, hatte eine Flasche Schnaps auf dem Tisch gehabt, mir gab er auch zu trinken, und sagte: »Trink!« Ich sagte: »Was feiern Sie, Oberscharführer?« »Ich bleibe hier.« Das heißt, seine freiwillige Meldung an die Front wurde abgelehnt. Ich habe auch mit ihm getrunken, sozusagen mit ihm diese Tatsache gefeiert.

Und, wie ich sagte, Klehr blieb im Lager, bis zum Ende in Gleiwitz. Und diese Besserung, die er ganz am Anfang gemacht hat, die ging dann noch so weit, daß Klehr einen ganz großen Streit mit dem Hauptscharführer Moll hatte. Und er hat es auch durch Doktor Fischer oder – ich weiß nicht auf welche Art – durchgesetzt, daß der Hauptscharführer Moll von diesem Lager versetzt wurde. Ich muß auch zu diesen Umständen, die dort so ganz anders waren wie in Auschwitz, noch eine andere Tatsache hier schildern.

Nämlich zu diesen SS-Wachen, die in Gleiwitz waren, kamen gleich am Anfang einige SSler, die eigentlich keine SSler waren, sondern von der Wehrmacht zur SS kamen. Ich glaube, das war bestimmt nicht freiwillig gewesen. Es handelte sich um zwei ältere Herren. Es waren mehrere, ich kannte aber bloß zwei, denn die waren oft krank; im SS-Revier lagen sie. Besonders einer, ich glaube, er war aus Wien oder von wo, der hat, als er hinkam nach Gleiwitz I, nicht einmal die Wache machen wollen. Er war sozusagen ein Stammgast bei uns im SS-Revier gewesen, und zwar auf diese Weise: Er hat sich irgendeine Wunde an den Zähnen – vielleicht selbst – zugezogen. Und er verstand es, diese Wunde immer aufrechtzuerhalten, so daß er eigentlich immer bei uns lag. Wenn er auch entlassen wurde von Klehr, kam er dann in zwei, drei Tagen wieder zurück und lag dann wieder wochenlang da. Natürlich habe ich mit diesen Wehrmachtsangehörigen – ich war ja bei ihnen gewesen – den ganzen Tag gesprochen.

Später kam noch ein anderer Herr dorthin, der war sogar Polizeidirektor oder etwas ähnliches von Deutschland. Der war bei der Wehrmacht gewesen. Und der war dann auch sehr lange im Revier gewesen. Das waren doch wirklich Menschen gewesen, die auch diesen Aspekt dieses Lagers Gleiwitz I [+ ausmachten], und es waren ja mehrere solche Wehrmachtsangehörige hier. Und dieser Polizeidirektor, der zeigte mir einmal einen Brief. Das war eine Antwort seiner Frau auf seinen Brief, wo sie ihm schrieb: »Ja, ich habe eine große Freude, daß Du nicht mehr an der Front bist. Aber es gefällt mir nicht, daß Du die SS-Uniform trägst.« Also, diese Art Gespräche haben wir mit diesen Wehrmachtsangehörigen gehabt, und das war auch ein Grund, warum sich dieses Lager so von Auschwitz unterschied.

Und als dann der Hauptscharführer Moll von dort wegkam, hat sich das Lager tatsächlich in so eine Art Arbeitslager umgewandelt. Es kam anstelle von Hauptscharführer Moll ein Angehöriger der Wehrmacht, auch in SS-Uniform, und der hat dann dieses Lager noch kolossal gebessert.[6]2 Ich weiß, er war in den Waggonwerken gewesen, um Milch zu verlangen für kranke Häftlinge. Und er hat auch manches durchgesetzt, so daß diese Besserung in Gleiwitz I natürlich dem Klehr zuzuschreiben ist. Teilweise war es seine Initiative gewesen, und dann kamen auch verschiedene Anordnungen, die Fischer von Wirths gebracht hat, damit die Verhältnisse gemildert werden im Lager.

Also, so möchte ich den ganzen Komplex Klehr darstellen. Ich will seine beiden Seiten hier sehr offen schildern. Und ich muß noch am Ende zugeben, daß ich es bis heute noch nicht verstanden habe, was ihn dazu bewogen hat, daß er sich so in Gleiwitz geändert hat. Er hat mich nämlich einige Male sogar bei seinem Radio erwischt, wo ich Auslandssendungen gehört habe, und er hat mir zwar gesagt: »Du hörst hier Radio?« Sagte ich: »Nein, ich habe hier Staub gewischt, deshalb hat sich das Räderl hier ein wenig gerührt.« Er hat mich aber nicht dabei ertappt, er hat mir nie ein Wort gesagt.

Als seine Familie im Lager zu Besuch war – er hat Karnickel gezüchtet in Gleiwitz –, gingen wir Gras klauben mit seinen zwei Söhnen. Die waren sehr liebenswürdig. Und er machte vor diesen Söhnen den Eindruck, daß er mich nicht [befehligte], sondern verhielt sich ganz freundschaftlich. Und er hat es außerdem auch nachher so gemacht. Ich kam ja mit Klehr natürlich auch in andere Zweiglager, nach Gleiwitz II, III, hin, auch in ein Frauenlager, vielleicht war das Lager IV gewesen. Und dort sprach ich mit den Häftlingen, und sie haben sich über Klehr nicht beschwert, sogar in Gleiwitz II. Ja, und dann muß ich noch sagen, dort in Gleiwitz I hat es auch keine Phenolspritze gegeben. Und ich glaube, das war in den anderen Zweiglagern auch nicht dagewesen, denn sonst hätten mir die Häftlinge darüber etwas gesagt. Und damit würde, wertes Gericht und Herr Direktor, meine Aussage enden.

Vorsitzender Richter:

Ja. Herr Zeuge, ich habe nun noch einige Fragen an Sie. Bei Ihrer Aussage seinerzeit, die Sie gemacht haben vor dem Distriktsgericht in Prag, haben Sie gesagt: »Von Moll kamen die meisten Verletzten. Trotzdem nahm Klehr, um vom Gesichtspunkt der Lagerleitung seine Funktion gut auszuüben und weil er offenbar keine andere ärztliche Funktion kannte als die Durchführung einer Selektierung, wie er dies bei den Ärzten in Auschwitz sah, selbst auch in diesem Lager Selektierungen vor, wobei ich mehrere Male Augenzeuge war.«[7]

Zeuge Jan Farber:

Ja, das waren diese zwei Fälle, Herr Direktor. Der erste Fall war, als er sie tatsächlich auch weggebracht hat und

Vorsitzender Richter [unterbricht]:

War das im ersten Fall nicht ein Arzt, der diese Auswahl vornahm?

Zeuge Jan Farber:

Nein, nein.

Vorsitzender Richter:

Hatten Sie nicht vorhin gesagt, der Arzt legte dann die Karte zur Seite, und Klehr schrieb sie sich auf?

Zeuge Jan Farber:

Ja, das war der Häftlingsarzt, Herr Direktor.

Vorsitzender Richter:

Warum legte denn der die Karten zur Seite?

Zeuge Jan Farber:

Der Häftlingsarzt, weil er mit dem Klehr die Visite machte, die machten sie zusammen. Dann holte der Arzt nur diese Karteikarten, welche Klehr verlangt hatte. Also, diese zwei Karten haben sie aus dieser Kiste geholt.

Vorsitzender Richter:

Also es war damals kein SS-Arzt dabei, nur ein Häftlingsarzt.

Zeuge Jan Farber:

Nur ein Häftlingsarzt.

Vorsitzender Richter:

Und Sie sagten: »Wobei ich mehrere Male Augenzeuge war.« Und Sie sagen, das waren nur die beiden Male.

Zeuge Jan Farber:

Nur die beiden Male, ja.

Vorsitzender Richter:

Dann haben Sie weiterhin gesagt: »Daß es nicht notwendig war, hier diese Selektierung vorzunehmen, bezeugt jener Umstand, daß, wie ich bereits ausführte, die Kapazität des Krankenhauses ausreichend war und auch die Zahl der von Klehr ausgesuchten Häftlinge bei den Selektierungen relativ gering war. Es handelte sich immer um etwa drei Häftlinge.«[8]4

Zeuge Jan Farber:

Ja, das stimmt, Herr Direktor, der Krankenbau war ja nicht so vollgepfropft gewesen in Gleiwitz. Und wenn es auch der Fall gewesen wäre, hätten natürlich zwei Ausselektierungen oder die Entfernung von zwei, drei Häftlingen daran nicht viel geändert.

Vorsitzender Richter:

Eben. Ja, ich meine nur, damals standen Sie doch anscheinend auf dem Standpunkt, daß Klehr hier etwas gemacht hat, was an sich – selbst unter dem Gesichtspunkt der Überfüllung eines Krankenhauses – in diesem Fall nicht erklärlich gewesen ist.

Zeuge Jan Farber:

Nicht erklärlich gewesen war, ganz überflüssig war, Herr Direktor.

Vorsitzender Richter:

Ganz überflüssig war. Und dann haben Sie gesagt, er sei derjenige gewesen, der Herr über Leben und Tod gewesen sei. Denn die beiden Häftlinge, von denen der französische Arzt seinerzeit gesagt hat, die seien noch nicht so sehr krank, die hätte er von sich aus wieder gestrichen, woraus hervorgehe, daß bei ihm die Entscheidung gestanden hätte, ob oder ob nicht.

Zeuge Jan Farber:

Bei ihm, bei ihm, ja.

Vorsitzender Richter:

Ja. Ich habe keine Frage mehr an den Zeugen. Hat das Gericht noch Fragen? Bitte schön.

Ergänzungsrichter Hummerich:

Eine Frage. Sie sagten vorhin, Sie gingen mit Klehr im Frühjahr 1944 nach Gleiwitz.

Zeuge Jan Farber:

Jawohl.

Ergänzungsrichter Hummerich:

Und Sie sagten vorher, spätestens bis Herbst 1943 sei Klehr neben seiner Desinfektortätigkeit auch noch im Krankenbau des Stammlagers Auschwitz I tätig gewesen.

Zeuge Jan Farber:

Bis Frühjahr 43. Dann war er nur

Vorsitzender Richter [unterbricht]:

Ja, also vorhin haben Sie gesagt

Ergänzungsrichter Hummerich [unterbricht]:

Vorhin sagten Sie bis...

Zeuge Jan Farber:

Nein, das war dann

Vorsitzender Richter [unterbricht]:

Bis höchstens Herbst.

Zeuge Jan Farber:

Da habe ich mich bestimmt geirrt, und ich bitte um Entschuldigung. Bis Herbst 43 weiß ich sicher, daß er noch als SDG in Auschwitz tätig war.

Ergänzungsrichter Hummerich:

Also doch bis Herbst 43.

Zeuge Jan Farber:

Bis Herbst 43.

Ergänzungsrichter Hummerich:

Ja, ja. Und im Frühjahr 44

Zeuge Jan Farber [unterbricht]:

Nicht Herbst, Frühling, entschuldigen Sie, Herr Richter, bis Frühling 43.

Ergänzungsrichter Hummerich:

Bis Frühling 43.

Zeuge Jan Farber:

Jawohl.

Ergänzungsrichter Hummerich:

Und ein Jahr später kamen Sie mit ihm

Zeuge Jan Farber [unterbricht]:

Und ein Jahr später kam ich mit ihm nach Gleiwitz.

Ergänzungsrichter Hummerich:

Ja, und in der Zwischenzeit?

Zeuge Jan Farber:

War er Chef der Desinfektoren gewesen. Wir hatten mit ihm viel zu tun. Wir haben auch die große Desinfektion in Birkenau durchgeführt mit Klehr.

Ergänzungsrichter Hummerich:

War er damals auch Chef der Kommandos, die in den Krematorien die Vergasungen durchführten?

Zeuge Jan Farber:

Nein, nein, nein. Er war Chef dieser Art von Desinfektion gewesen.

Ergänzungsrichter Hummerich:

Nur der Desinfektion.

Zeuge Jan Farber:

Aus dieser Funktion kannte ich ihn bloß.

Ergänzungsrichter Hummerich:

Also daß er bei einem Krematorium tätig war, das wissen Sie nicht.

Zeuge Jan Farber:

Nein, weiß ich nicht.

Ergänzungsrichter Hummerich:

Sie arbeiteten ja mit dem gleichen Zyklon B, was in den Krematorien verwendet wurde.

Zeuge Jan Farber:

Ich weiß nicht, ob es dasselbe war, Herr Richter. Ich kann mich

Ergänzungsrichter Hummerich [unterbricht]:

Der Herr Vorsitzende hat Sie schon mal am Freitag dazu gefragt.

Zeuge Jan Farber:

Draufgeschrieben war auf diese Büchsen »Zyklon B«.

Ergänzungsrichter Hummerich:

Stand drauf.

Zeuge Jan Farber:

Aber es stand nicht mehr drauf. Und von Häftlingen wußte ich damals, daß das andere auch irgendein Zyklon B war. Aber ob noch irgendeine Aufschrift da war, Giftgas oder so etwas, auf diesen Büchsen war das nicht gewesen. Aber das war ein Zyklon B gewesen.

Ergänzungsrichter Hummerich:

Was anderes: Hatten Sie vor dem Krieg gedient gehabt? Ja. Sie sind Soldat gewesen.

Zeuge Jan Farber:

Natürlich, ja, ja.

Ergänzungsrichter Hummerich:

Sie waren ja auch in Spanien gewesen.

Zeuge Jan Farber:

Ja.

Ergänzungsrichter Hummerich:

Und nun verstanden Sie sich ja etwas auf Gasmasken.

Zeuge Jan Farber:

Natürlich.

Ergänzungsrichter Hummerich:

Können Sie mir die Gasmaske beschreiben, die Sie

Zeuge Jan Farber [unterbricht]:

Ja, ganz genau. Das war eine sehr gewöhnliche Gasmaske gewesen.

Ergänzungsrichter Hummerich:

War sie wie die französische Gasmaske, mit einem Schlauch, oder wie die deutsche Gasmaske, wo das Filterstück dran war?

Zeuge Jan Farber:

Nein, das war

Ergänzungsrichter Hummerich [unterbricht]:

Sie sagten nämlich am Freitag, es sei ein Schlauch dran gewesen.

Zeuge Jan Farber:

Ohne Schlauch. Das war eine deutsche Maske gewesen.

Ergänzungsrichter Hummerich:

Es war ohne Schlauch?

Zeuge Jan Farber:

So ein kurzer Schlauch. Es war bloß eine...

Ergänzungsrichter Hummerich:

So ein Schraubstück, wo man

Zeuge Jan Farber [unterbricht]:

So ein Schraubstück, wo man den Filter aufschrauben konnte.

Ergänzungsrichter Hummerich:

Es war eine reguläre deutsche Maske.

Zeuge Jan Farber:

Das sind reguläre deutsche Kriegsmasken, Militärmasken gewesen, ja.

Ergänzungsrichter Hummerich:

Und hatten Sie für diese Masken eine Blechbüchse, oder hatten Sie die in irgend sonstigen Behälter?

Zeuge Jan Farber:

Ja, wir hatten ganz reguläre Büchsen gehabt und hatten dann eine Schachtel immer mit Reservefiltern, die er uns reichlich gab, so oft wir es verlangt haben.

Ergänzungsrichter Hummerich:

Ja. Danke schön.

Zeuge Jan Farber:

Bitte.

Vorsitzender Richter:

Herr Staatsanwalt.

Staatsanwalt Wiese:

Herr Farber, wenn ich mich recht entsinne, nannten Sie am letzten Freitag auch den Namen Scherpe.

Zeuge Jan Farber:

Jawohl.

Staatsanwalt Wiese:

Haben Sie den Angeklagten Scherpe kennengelernt? Und wenn ja, berichten Sie darüber.

Zeuge Jan Farber:

Ich habe sowohl den Scherpe wie auch den Hantl kennengelernt.

Staatsanwalt Wiese:

Über Hantl hatten Sie bereits erzählt.

Zeuge Jan Farber:

Ja. Scherpe habe ich weniger gekannt. Ich habe ihn oft gesehen, auch in Auschwitz, in Block 21. Aber besonders habe ich ihn in Gleiwitz gesehen. Ich vermute, Scherpe war auch irgendwo SDG eines dieser vier Lager in Gleiwitz, die ich genannt hatte. Und er kam oft nach Gleiwitz I. Ich vermute, Klehr war der Haupt-SDG gewesen für alle vier Lager, denn er kontrollierte sie. Und diese anderen SDGs, die Unterscharführer waren, [die unterstanden dem Klehr].

Ich kann gegen Scherpe nichts Schlimmes sagen. Es wurde über ihn in Auschwitz gesprochen, daß er auch Phenolspritzungen machte, ich kann es aber nicht bestätigen aus eigener Erfahrung. Gegenüber den Häftlingen hat er sich anständig benommen, mir gegenüber auch. Wie ich es kannte, habe ich nichts gegen Scherpe einzuwenden.

Staatsanwalt Wiese:

Gut. Dann schilderten Sie den Vorfall, den Sie von Block 10 aus gesehen hatten, wo der Angeklagte Boger ein kleines Mädchen erschossen hat. Haben Sie noch eine Vorstellung, wann das war, welcher Zeitpunkt?

Zeuge Jan Farber:

Ja, Herr Anwalt, das war entweder Ende Sommer oder Anfang Herbst 43 gewesen. Das war schon so eine Zeit, wo es früh so ein wenig kühl war, denn das Mädchen stand dort ein wenig da, als würde es so früh frieren. Natürlich, ich kann genau einen Monat nicht

Staatsanwalt Wiese [unterbricht]:

Ja, das genügt mir. Danke schön.

Zeuge Jan Farber:

Bitte sehr.

Staatsanwalt Großmann:

Herr Zeuge, Sie haben erst geschildert, wie Klehr die Ablehnung seiner freiwilligen Meldung an die Front mit Ihnen gefeiert hat bei einer Flasche Schnaps. Sie haben sich also mit ihm über diese Dinge ja sicher unterhalten. Hat er Ihnen gesagt, auf welchem Wege er sich an die Front gemeldet hat, insbesondere aber, weshalb er sich an die Front gemeldet hat?

Zeuge Jan Farber:

Nein, das sagte er mir nicht. Er sagte mir bloß: »Du bekommst einen neuen Chef.« Und als ich ihn fragte, warum, sagte er: »Ja, ich gehe an die Front, ich bleibe nicht hier.«

Staatsanwalt Großmann:

Haben Sie ihn dann gefragt? Es hätte ja nahegelegen, ihn zu fragen, warum er an die Front gehen wolle?

Zeuge Jan Farber:

Ich habe ihn bloß gefragt, ob man ihn schon abkommandiert hat. Sagt er: »Nein, ich habe mich gemeldet, und ich warte, daß ich«...

Staatsanwalt Großmann:

Und wann ist das zeitlich gewesen?

Zeuge Jan Farber:

Ja, das war nach der Abfahrt seiner Frau gewesen. Das heißt, im Sommer muß das gewesen sein. Das war, kurz nachdem die Frau Klehr Gleiwitz verlassen hat. Und die Antwort darauf bekam er so in zwei, drei Wochen ungefähr.

Staatsanwalt Großmann:

Im Sommer?

Zeuge Jan Farber:

Im Sommer, ja.

Staatsanwalt Großmann:

Im Sommer. Danke.

Zeuge Jan Farber:

Sommer oder Anfang Herbst war es, Herr Anwalt, gewesen.

Vorsitzender Richter:

Herr Rechtsanwalt Ormond.

Nebenklagevertreter Ormond:

[unverständlich]

Vorsitzender Richter:

Herr Rechtsanwalt Raabe.

Nebenklagevertreter Raabe:

Herr Zeuge, habe ich Sie am Freitag richtig verstanden, daß der Klehr nur ganz am Anfang bei den Desinfektionen mit Ihnen gegangen ist und später die Häftlinge alleine die Desinfektionen durchgeführt haben in den Blocks?

Zeuge Jan Farber:

Jawohl. Ja, einmal oder zwei Mal hat er das mit uns durchgeführt. Er hat uns sehr deutlich unterrichtet, wie wir die Masken [handhaben] sollen. Er hat uns unterrichtet, wenn wir Baracken desinfiziert haben, wie wir sie hermetisch schließen sollen. Dann hat er sich noch vielleicht zwei-, dreimal so eine von uns selbst durchgeführte Desinfektion der Baracken angesehen. Und nachdem er sah, daß wir es einwandfrei machen, dann war er zwar dagewesen, immer am Anfang, wo er uns Befehl gab, diese und diese Baracke zu desinfizieren, kam immer im Rhythmus von einer halben Stunde, bloß um uns zu kontrollieren. Manchmal kam er überhaupt nicht zur Kontrolle. Er wußte, daß wir es gut machen.

Nebenklagevertreter Raabe:

Ja, danke. Dann eine andere Frage: Haben Sie einmal erlebt, daß ein SS-Mann sich weigerte, Rampendienst zu tun?

Zeuge Jan Farber:

Jawohl.

Nebenklagevertreter Raabe:

Und was geschah diesem SS-Mann?

Zeuge Jan Farber:

Das war nicht Rampendienst. Leider kenne ich den Namen nicht. Ich habe ihn aber nie gekannt. Das war ein SS-Schütze, den ich in einem Kommando kennengelernt hatte. Und dieser SS-Schütze hatte sich sehr oft bei mir gemeldet, wenn er mich irgendwo getroffen hat. Und das kam ziemlich oft vor. Wenn ich bei der Desinfektion arbeitete, kam ich ja oft aus dem Lager hinaus. Und immer, wenn er mich gesehen hatte, hat er mich angesprochen und mich gefragt danach, wie es mir geht. Er war sehr anständig gewesen. Und eines Tages, das war 1943, im Sommer, sagte er mir, daß es schlimm mit ihm ist, daß man ihn in das sogenannte Vergasungskommando kommandieren wolle und daß er es wahrscheinlich ablehnen wird. Er wird es nicht machen können.

Und dann habe ich ihn eine lange Zeit nicht mehr gesehen. Vielleicht nach drei, vier Monaten traf er mich entweder in Auschwitz oder in der Nähe des Lagers irgendwo in einem Kommando. Sehr blaß sah er aus. Ich fragte ihn, ob er krank war, und er sagte mir: »Nein, ich habe dir doch gesagt, ich sollte damals zur ›Vergasung‹ kommen, und ich habe es abgelehnt und war jetzt eingesperrt gewesen.« Deshalb war er so blaß. Ich sagte ihm noch: »Na ja, jetzt haben Sie aber wenigstens Ruhe.« »Ja, das hat damit nicht geendet, strafweise muß ich noch an die Front gehen.«

Nebenklagevertreter Raabe:

Danke. Dann nochmals zu den Exekutionen an der Schwarzen Wand, die Sie geschildert haben am Freitag. Wie viele solcher Exekutionen haben Sie insgesamt gesehen, Herr Zeuge?

Zeuge Jan Farber:

Von Block 10 war das überhaupt sehr schwer möglich gewesen, das zu sehen. Denn wenn große Exekutionen durchgeführt wurden, dann war doch sehr streng so eine Art Abschirmung durchgeführt worden. Das heißt, daß ein SSler von der Politischen Abteilung immer auf die...

Nebenklagevertreter Raabe:

Herr Zeuge, das haben Sie schon geschildert. Ich möchte nur wissen: Wie oft ist es Ihnen insgesamt gelungen, an das Fenster zu kommen und dabei eine Exekution zu sehen.

Zeuge Jan Farber:

Das habe ich bloß einmal versucht, und zwar das war – ich weiß es nicht genau – im Sommer oder Herbst 43, wo es zu so einer Massenexekution kam. Und da ich wußte, daß ein guter Freund von mir, ein gewisser Doktor Schabinski, auch mitgenommen worden war, wollte ich den sehen, den Schabinski. Und deshalb habe ich so eine Exekution angesehen. Die hat dann der Boger gemacht.

Nebenklagevertreter Raabe:

Ja, das wollte ich Sie jetzt im Anschluß fragen. Sie schilderten uns am Freitag den Fall mit dem kleinen Mädchen.

Zeuge Jan Farber:

Jawohl.

Nebenklagevertreter Raabe:

Haben Sie also noch einen weiteren Fall einer Massenhinrichtung gesehen?

Zeuge Jan Farber:

Nein, das war die einzige Massenhinrichtung, die ich gesehen habe. Ich wußte über mehr Massenhinrichtungen. Die Auschwitz-Häftlinge haben das ja alle gewußt, daß solche Massenexekutionen durchgeführt wurden. Aber ich habe bloß diese eine gesehen. Aber ich habe mehrere Mal individuelle solche

Nebenklagevertreter Raabe [unterbricht]:

Nein, bitte Herr Zeuge, wir wollen jetzt bei diesem einen Fall bleiben, den Sie eben von Boger erwähnten.

Zeuge Jan Farber:

Ja.

Nebenklagevertreter Raabe:

Wie viele Häftlinge wurden an diesem Tag erschossen, und wie viele hat Boger davon erschossen?

Zeuge Jan Farber:

Ich weiß jetzt nicht, ob 150 oder 300. Das kann ich nicht sicher sagen. Es hat sich mir in mein Gedächtnis bloß diese Tatsache eingeprägt. Nicht einmal so die Zahlen, noch weniger das Datum. Und wie viele er davon hingerichtet hat, weiß ich auch nicht. Denn ich wollte den Schabinski sehen damals. Und ich habe einige Exekutionen angeschaut. Dann wurde es sehr gefährlich, und ich mußte das aufgeben, so daß ich auch den Doktor Schabinski nicht sah, wie er erschossen wurde.

Nebenklagevertreter Raabe:

Wie viele Häftlinge haben Sie etwa gesehen, die von Boger erschossen wurden?

Zeuge Jan Farber:

Ich habe immer gewartet, ob der Schabinski drankommt. Das könnten 10 bis 15 Häftlinge gewesen sein.

Nebenklagevertreter Raabe:

10 bis 15 Häftlinge. Und haben Sie dann mit eigenen Augen gesehen, daß Boger das

Zeuge Jan Farber [unterbricht]:

Boger hab ich gesehen, ja.

Nebenklagevertreter Raabe:

Haben Sie ihn auch das Gewehr anlegen sehen?

Zeuge Jan Farber:

Ja, ja, ja.

Nebenklagevertreter Raabe:

War Ihr Blickwinkel so, daß Sie ihn sehen konnten, wie er abdrückte?

Zeuge Jan Farber:

Ja, ja. Bei diesen Häftlinge, da habe ich mich auch das erste Mal freiwillig zu dem Leichenkommando als Helfer gemeldet, da ich den Schabinski selbst zum Krematorium fahren wollte.

Nebenklagevertreter Raabe:

Und die Gesamtzahl, die Sie jetzt nannten – Sie konnten sich da nicht festlegen, Sie sagten 150 oder 300.

Zeuge Jan Farber:

Es waren 150 oder 300, soviel waren es immer bei den

Nebenklagevertreter Raabe [unterbricht]:

Ja, ja. Sie sagten ja, daß Sie nur etwa 10 oder 15 sehen konnten. Wurde Ihnen diese Gesamtzahl dann später erzählt von anderen Häftlingen?

Zeuge Jan Farber:

Nein. Man wußte ja, wie viele da hineinkamen zu dieser Exekution. Und dann wußte ich die Zahl immer, wenn wir dann die Leichen zum Krematorium gefahren haben. Da wußten wir es dann genau. Aber ich weiß jetzt nicht, ob es damals 150 waren oder 300. Mich hat damals nur dieser Schabinski interessiert.

Nebenklagevertreter Raabe:

Ja. Und dann möchte ich noch mal auf den Fall zurückkommen. Sie zeigten am Freitag auf einen der hier Angeklagten.

Zeuge Jan Farber:

Jawohl.

Nebenklagevertreter Raabe:

Und

Zeuge Jan Farber:

Aber ich kenne ihn vom Sehen. Ich habe ihn hier [+ erkannt], da ich ihn vor mir hatte, wie ich meine Aussage am Freitag machte, und ich habe von mehreren solchen individuellen Exekutionen Kenntnis gehabt und auch einige andere noch gesehen. Aber diese Familie habe ich ja auch in meiner schriftlichen Zeugenaussage nicht angegeben, weil ich nicht wußte, daß hier der Klaus sein wird. Ich habe ihn bloß hier erkannt. Und ich kann mich gut erinnern, er war einer von den jüngsten SSlern in der Politischen Abteilung gewesen. Zumal er sich am wenigsten geändert hat während dieser vielen Jahre, ist mir sein Gesicht sehr bekannt in Zusammenhang mit der Erschießung dieser Familie.

Nebenklagevertreter Raabe:

Und das waren also ein Mann, eine Frau?

Zeuge Jan Farber:

Das war ein Mann, Herr Anwalt, ungefähr 34 Jahre alt, seine Frau etwas jünger. Sie waren ziemlich ärmlich gekleidet gewesen. Und ein kleines Kind hatte die Frau am Arm gehabt, und der Mann hielt einen Jungen am Arm. Ich weiß nicht, wie alt, ein kleiner Junge war das gewesen.

Nebenklagevertreter Raabe:

Und in welcher Reihenfolge wurden die

Vorsitzender Richter [unterbricht]:

Das hat er schon gesagt, Herr Rechtsanwalt Raabe.[...]

Nebenklagevertreter Raabe:

Dann bitte ich um Entschuldigung. Ich dachte vielleicht – es war kurz vor Ende der letzten Sitzung –, daß ich es nicht mehr ganz...

Vorsitzender Richter:

Ja.

Nebenklagevertreter Raabe:

Danke, dann habe ich keine weitere Frage.

Verteidiger Schallock:

Herr Zeuge, in welcher Eigenschaft sind Sie nach Block 10 gekommen? Nur als Mitglied des Desinfektionskommandos oder auch sonst?

Zeuge Jan Farber:

Nein, nur in dieser Funktion.

Verteidiger Schallock:

Sind Sie allein dagewesen oder immer mit anderen?

Zeuge Jan Farber:

Immer mit anderen. Zwei oder drei waren wir immer dagewesen.

Verteidiger Schallock:

Auf wessen Befehl?

Zeuge Jan Farber:

Wir hatten dort gegen Läuse desinfiziert und auch gegen Wanzen.

Verteidiger Schallock:

Nein, ich frage, auf wessen Befehl Sie da hingegangen sind.

Zeuge Jan Farber:

Das war nicht immer auf Befehl Klehrs gewesen. Er hatte dort auch Vertreter gehabt. Und zwar ein gewisser Unterscharführer Theuer gab uns oft Befehl, da hinzukommen. Und da war noch ein SDGler, ein Rumäne von der Desinfektion.

Verteidiger Schallock:

Ich muß eine Frage wiederholen, die schon öfter an Sie gestellt worden ist, die aber nicht klar beantwortet ist: Wie oft haben Sie nun von Block 10 Exekutionen gesehen im ganzen?

Zeuge Jan Farber:

An großen habe ich bloß die eine gesehen.

Verteidiger Schallock:

Eine große.

Zeuge Jan Farber:

Eine große bloß, und nicht ganz, teilweise bloß. Und solche individuellen habe ich mehrere gesehen.

Verteidiger Schallock:

Dazu möchte ich Ihnen vorhalten, daß Sie bei Ihrer Vernehmung vor dem Richter in Prag gesagt haben, Sie wären fünfmal bei großen Exekutionen gewesen.

Zeuge Jan Farber:

Nein, ich habe gemeint, fünf große Exekutionen waren mir bekannt gewesen.

Verteidiger Schallock:

Ja, woher waren Ihnen die denn bekannt, wenn Sie sie nicht gesehen haben?

Zeuge Jan Farber:

Herr Verteidiger, das war sehr einfach für jeden Auschwitzer Häftling. Besonders für solche wie mich vom Desinfektionskommando. Wir waren ja fast immer im Lager anwesend gewesen, und das wußte man im Lager, daß eine Exekution durchgeführt wird.

Verteidiger Schallock:

Sie hatten also davon gehört?

Zeuge Jan Farber:

Und gesehen, wie die zum Block 11 gehen.

Verteidiger Schallock:

Aber diese Exekutionen haben Sie nicht beobachtet, diese fünf.

Zeuge Jan Farber [unterbricht]:

Nein nicht, ich habe bloß oft die Leichen von dort zum Krematorium

Verteidiger Schallock [unterbricht]:

Und wie oft sind Sie im ganzen in Block 10 gewesen?

Zeuge Jan Farber:

Oh, ich war sehr oft in Block 10 gewesen. Ich war auch oft allein in Block 10 gewesen. Wir haben dort sehr oft desinfiziert, und dadurch war auch dort eine Anzahl von Materialien, die wir benutzt hatten, vergessen worden. Und dann ging ich es von dort wieder abholen.

Verteidiger Schallock:

Wann war das?

Zeuge Jan Farber:

Das war im Jahre 43 gewesen.

Verteidiger Schallock:

Ich wiederhole: Sie wollen sagen, daß Sie im Jahr 43 mehrfach allein und mit andern in Block 10 gewesen sind als Desinfektor.

Zeuge Jan Farber:

Mehr mit andern als allein, Herr Verteidiger. Allein war ich wenige Male. Aber mit andern war ich sehr oft dagewesen. Es war ja auch leicht für uns, denn da war eine SS-Aufseherin vor dem Block 10 gewesen, die uns Desinfektoren schon sehr gut kannte. Und es genügte, ihr zu sagen, wir haben dort eine Spritze vergessen oder einen Eimer mit irgendeinem Material.

Verteidiger Schallock:

In welchem Stockwerk des Blockes 10 waren Sie?

Zeuge Jan Farber:

Nur im ersten Stockwerk.

Verteidiger Schallock:

Und in diesem ersten Stockwerk war eine Aufseherin?

Zeuge Jan Farber:

Nein, die war unten beim Eingang gewesen. Und sie kam natürlich auch oft hinein. Ich habe sie aber nie auf dem Stockwerk gesehen.

Verteidiger Schallock:

Und man hat Sie ohne weiteres dort hineingelassen?

Zeuge Jan Farber:

Ja, sie kannte mich, daß ich von der Desinfektion bin. Einige Male kam ich auch mit einem Kapo von der Desinfektion. Das war der Adolf Schilling, der behandelte die Dampfkessel, wo die Kleider desinfiziert wurden. Mit dem kamen wir auch oft hin, und der

Verteidiger Schallock [unterbricht]:

Also, Sie sind da, wie Sie sagen, ein- und ausgegangen auf Block 10.

Vorsitzender Richter:

Das ist hinreichend von dem Zeugen bereits geklärt, Herr Rechtsanwalt.

Verteidiger Schallock:

Sie haben das alles nicht gesagt bei Ihrer Vernehmung in Prag. Und Sie haben es auch gestern nicht so dargestellt, möchte ich Ihnen vorhalten.

Zeuge Jan Farber:

Freitag.

Vorsitzender Richter [unterbricht]:

Gestern war Sonntag

Verteidiger Schallock [unterbricht]:

Am Freitag nicht so dargestellt.

Nebenklagevertreter Raabe:

Ich widerspreche diesem Vorhalt. In allen wesentlichen Punkten war das am Freitag hier so geschildert worden, und nebenbei steht es auch so im Protokoll drin.

Vorsitzender Richter:

Ja. Ich weiß auch nicht...

Verteidiger Schallock:

Ja, ich möchte gleich sagen, worin der Unterschied besteht.

Vorsitzender Richter:

Bitte sehr, bitte sehr.

Verteidiger Schallock:

Sie haben nämlich am Freitag gesagt von Boger, Sie hätten ihn gesehen bei der Einzelexekution.

Zeuge Jan Farber:

Ja.

Verteidiger Schallock:

Aber daß er bei der Massenexekution mitgewirkt hat, das haben Sie am Freitag nicht gesagt.

Zeuge Jan Farber:

Aber ich glaube, ich habe es vor dem Prager Gericht gemacht.

Vorsitzender Richter:

Ja.

Verteidiger Schallock:

Ich darf mal wiederholen, glauben Sie am Freitag gesagt zu haben, daß Boger bei der Massenexekution mitgewirkt hat?

Vorsitzender Richter:

Nein.

Zeuge Jan Farber:

Nein.

Verteidiger Schallock:

Nein, das haben Sie nicht getan. Das sagen Sie heute das erste Mal. Vor dem Prager Gericht haben Sie darüber im einzelnen überhaupt nicht gesagt. Aber deswegen kann ich das nicht im einzelnen vorhalten. Nun zu der Einzelexekution: Sie haben gehört, daß die Eltern des Kindes am Tage vorher exekutiert worden seien. Von wem haben Sie das gehört?

Zeuge Jan Farber:

Das habe ich, Herr Verteidiger, von den ständigen Häftlingen des Leichenkommandos gehört. Als ich Ihnen erzählt habe, am Abend, daß dort also ein Kind exekutiert worden war, sagten sie mir: »Ja, gestern wurden doch seine Eltern genauso getötet.«

Verteidiger Schallock:

Haben Sie mit den Häftlingen, die in Block 11 beschäftigt waren, auch Kontakt gehabt?

Zeuge Jan Farber:

Von Block 11? Nein.

Verteidiger Schallock:

Haben Sie einen Häftling Pilecki gekannt?

Zeuge Jan Farber:

Ja, das war, glaube ich, der Schreiber gewesen von Block 11. Aber ich hatte mit ihm [+ nicht gesprochen]. Wir haben zwar auch in Block 11 die Bunker einige Mal desinfiziert gegen Läuse und anderes Ungeziefer. Aber das war sehr streng da gewesen. Immer war ein SSler mit gewesen. Da konnte man sich mit Häftlingen nicht unterhalten. Den Schreiber kannte ich wohl.

Verteidiger Schallock:

Von welchem Zimmer aus haben Sie die Einzelexekutionen gesehen? Wo befand sich das Zimmer?

Zeuge Jan Farber:

Das Zimmer befand sich im ersten Stock des Blockes 10, wo die Versuche an Weibern gemacht wurden. Da waren zwei große Säle gewesen. Das heißt, das ganze Stockwerk war in zwei Säle geteilt, ein hinterer und ein vorderer. Und wir haben vom Fenster sowohl des vorderen auch des hinteren sehen können. Meistens habe ich es von dem vorderen Saal beobachtet, aber

Verteidiger Schallock [unterbricht]:

Ja, es handelt sich, Herr Zeuge, um einen ganz konkreten Fall, und zwar um einen einmaligen und besonderen Fall der Tötung eines Kindes. Von welchem Fenster aus haben Sie diesen Fall beobachtet?

Zeuge Jan Farber:

Das, glaube ich, das war vom hinteren Saal aus gewesen. Da waren Holländerinnen in diesem Zimmer gewesen.

Verteidiger Schallock:

Vom hinteren Saal. War der Saal gegenüber der Eingangstür von Block 11?

Zeuge Jan Farber:

Beide Säle waren gegenüber, das heißt, Herr Verteidiger, nicht alle Fenster waren gegenüber dem Eingang, aber man konnte das ja auch nicht durch alle Ritzen gut beobachten. In einigen Fenstern waren solche guten Ritzen, daß man zum Beispiel zur Schwarzen Wand gut sehen konnte. Durch andere Ritzen konnte man wieder gut die ganze Wand des Blockes 11 beobachten.

Verteidiger Schallock:

Also Sie meinen, Sie waren an verschiedenen Fenstern während

Zeuge Jan Farber [unterbricht]:

Ja, das war immer an mehreren Fenstern gewesen. Wir haben

Verteidiger Schallock [unterbricht]:

Immer. Ich spreche von dem einzelnen Fall jetzt nur, nicht immer. Waren Sie allein in diesem großen Raum?

Zeuge Jan Farber:

Nein, wir waren drei Desinfektionshäftlinge.

Verteidiger Schallock:

Ja, ich meine, war das Desinfektionskommando allein in diesem Raum?

Zeuge Jan Farber:

Die Weiberhäftlinge waren dagewesen. Aber wenn wir desinfiziert haben, mußten wir die Betten auseinandernehmen.

Verteidiger Schallock:

Ja, also während Sie dort waren, lagen die weiblichen Häftlinge im Bett?

Zeuge Jan Farber:

Die weiblichen Häftlinge – die meisten lagen überhaupt nicht, die gingen herum. Und wenn wir einen Saal desinfiziert haben, dann gingen sie in den anderen hinüber. Aber einige Frauenhäftlinge lagen im Bett, manchmal. Die wurden dann rübergetragen in den anderen Saal, damit wir auch ihre Betten auseinandernehmen konnten, so daß eigentlich bei solchen Desinfektionen das Kommando allein da war.

Verteidiger Schallock:

Also Sie sagen, es waren keine weiblichen Häftlinge dabei, als Sie das sahen. Ja oder nein? Waren weibliche Häftlinge zugegen, oder waren sie nicht zugegen?

Zeuge Jan Farber:

Ja, die weiblichen Häftlinge waren ja nicht vom Saal ausgeschlossen. Die mußten uns helfen, die Betten auseinandernehmen und hinaustragen, so daß dort immer einige weibliche Häftlinge auch anwesend waren. Die trauten sich aber nicht, zum Fenster zu gehen. Manche aus Angst, daß sie jemand erwischen wird, und die meisten wollten es nicht sehen.

Verteidiger Schallock:

Und es war weder ein SS-Mann noch eine Aufseherin dabei, als Sie dort tätig waren?

Zeuge Jan Farber:

Wenn wir drei Häftlinge da anwesend waren, dann mußte natürlich einer immer aufpassen. Oben zwischen den zwei Sälen, dort war die Treppe gewesen und so ein Raum. Dort vor der Treppe stand der Häftling, der aufpaßte. Und natürlich, wenn sich jemand näherte, vor dem wir Angst hatten, dann hat er uns immer Bescheid gegeben, und wir sprangen vom Fenster rasch weg.

Verteidiger Schallock:

Immer nur bezogen auf diesen Fall, sollte damals eine Entlausung durchgeführt werden oder eine Desinfektion?

Zeuge Jan Farber:

Das war immer eine Desinfektion gegen Läuse und gegen Wanzen, Herr Verteidiger.

Verteidiger Schallock:

Also war es die übliche Desinfektion, wo der Raum abgeschlossen wurde, wie wir es hier gehört haben.

Zeuge Jan Farber:

Nicht abgeschlossen. Die Betten wurden auseinandergenommen und wurden auf die andere Seite des Saales gelegt. Es wurden nicht auf einmal alle Betten auseinandergenommen, denn das ging dort nicht. Wir haben ihnen

Verteidiger Schallock [unterbricht]:

Ja, ich möchte Sie unterbrechen. Wie haben Sie denn desinfiziert? Wir wissen, daß so desinfiziert wurde, daß der Saal geräumt wurde oder das ganze Gebäude geräumt wurde und daß dann luftdicht verschlossen wurde und Zyklon gestreut. Wurde das so gemacht?

Zeuge Jan Farber:

Nein, Herr Verteidiger. Im Block 10 haben wir nie so eine Art Desinfektion durchgeführt mit Zyklon B. Da wurde ausdrücklich nur mit Lysol gespritzt, das so eine schwache Wirkung hatte, daß wir dann immer wieder desinfizieren mußten.

Verteidiger Schallock:

Und wann war dieser Fall, der sich Ihnen ja doch als besonders eingeprägt hat?

Vorsitzender Richter:

Hat er schon beantwortet.

Verteidiger Schallock:

Ja, Sie haben gesagt, im

Zeuge Jan Farber [unterbricht]:

Ich kann es wiederholen, Ende Sommer, Anfang Herbst. Ich kann mich erinnern, es war schon kühler gewesen, denn das Kind sah so ein wenig verfroren aus, so zusammengezuckt stand sie da.

Verteidiger Schallock:

Das Kind stand zunächst allein vor der Tür?

Zeuge Jan Farber:

Ja, ganz allein, ganz allein.

Verteidiger Schallock:

Hat das Kind sich gewehrt, oder?

Zeuge Jan Farber:

Nein, überhaupt keinen Widerstand geleistet. Es stand, wie ich schilderte, sehr diszipliniert da, es hat sich die Schuhe geputzt.

Vorsitzender Richter:

Aber Herr Rechtsanwalt, das hat doch der Zeuge alles schon geschildert.

Verteidiger Schallock:

Ja, er hat vom Kinde schon erzählt, aber ob es sich gewehrt hat

Vorsitzender Richter [unterbricht]:

Nein, nein, das hat er auch erzählt

Zeuge Jan Farber [unterbricht]:

Nein, nicht, nicht gewehrt.

Verteidiger Schallock:

So. Danke schön.

Verteidiger Steinacker:

Herr Zeuge, Sie haben am Freitag geschildert, daß Sie verschiedene Angehörige der Politischen Abteilung gekannt haben, und haben unter anderem die Namen Palitzsch, Stiwitz, Boger, Lachmann und Klaus genannt.

Zeuge Jan Farber:

Ja.

Verteidiger Steinacker:

Sind Ihnen die Funktionen dieser von Ihnen genannten Angehörigen der Politischen Abteilung bekannt?

Zeuge Jan Farber:

Ja, bekannt wurde die Funktion Bogers, bekannt mit seiner »Boger-Schaukel«.

Verteidiger Steinacker:

Ja.

Zeuge Jan Farber:

Exekutionen am Block 11 – Palitzsch, Stiwitz waren Exekutoren. Das waren doch Rapportführer gewesen.

Verteidiger Steinacker:

Rapportführer.

Zeuge Jan Farber:

Die waren sehr gut bekannt gewesen. Den Klaus kannten wir. Den Lachmann kannten wir. Das waren SSler, die meistens am Block 11 viel zu tun hatten.

Verteidiger Steinacker:

Ja. Ist Ihnen bekannt, daß es einen Rapportführer – Sie haben eben genannt Palitzsch und Stiwitz – Clausen gab?[...]

Zeuge Jan Farber:

Clausen. [Pause] In welcher Zeit, Herr Verteidiger?

Verteidiger Steinacker:

Ja, in der Zeit, als Sie dort waren und das, was Sie uns am Freitag geschildert haben, erlebt haben.

Zeuge Jan Farber:

Ich habe den Palitzsch gekannt. Dann wurde Palitzsch strafweise an die Front geschickt. Er hat dann irgendein Verhältnis mit einer slowakischen Jüdin gehabt und wollte sie irgendwo da herausbringen durch Fälschung von verschiedenen Dokumenten. Nach ihm kam dann Stiwitz als Rapportführer hin. Clausen?

Verteidiger Steinacker:

Ist Ihnen nicht bekannt.

Zeuge Jan Farber:

Nicht bekannt.

Verteidiger Steinacker:

Nicht bekannt. Sie haben am Freitag weiter gesagt, über den Mann, den man Ihnen als Klaus bezeichnete, hat man gesagt: »Da geht wieder Klaus in Block 11.«

Zeuge Jan Farber:

Ja, das war nicht nur bei Klaus gesagt worden, das war bei allen, auch bei Boger gesagt worden, auch bei Palitzsch und Stiwitz gesagt worden. Immer wenn wir in Block 11 gingen, sagten Häftlinge: »Da geht Boger, da wird was los sein.« »Da geht Klaus, wird was geschehen.« Bei allen

Verteidiger Steinacker [unterbricht]:

Bei allen Häftlingen

Zeuge Jan Farber [unterbricht]:

Wurde das, Herr Verteidiger, gesagt.

Verteidiger Steinacker:

Sie haben am Freitag gesagt, der Mann, der diese Exekution des Ehepaars mit den beiden Kinder vorgenommen hat, der war Ihnen von anderen Häftlingen unter dem Namen Klaus genannt worden. Ist das richtig?

Zeuge Jan Farber:

Nein, den kannte ich schon unter dem Namen Klaus.

Verteidiger Steinacker:

Vorher kannten Sie ihn.

Zeuge Jan Farber:

Vorher wurde mir das von...

Verteidiger Steinacker:

Von den Häftlingen.

Zeuge Jan Farber:

Von den Häftlingen, ja.

Verteidiger Steinacker:

Hatten Sie persönlich zu irgendeinem Zeitpunkt mal eine Begegnung mit diesem Mann namens Klaus?

Zeuge Jan Farber:

Diesem bin ich im Lager begegnet, als er zu Block 11 ging. Auch bei andern Gelegenheiten habe ich ihn gesehen im Lager, da wir Desinfektoren und Häftlinge ja oft im Lager waren.

Verteidiger Steinacker:

Gesehen haben Sie ihn.

Zeuge Jan Farber:

Habe ich ihn gesehen, ja.

Verteidiger Steinacker:

Und Sie erinnern sich, daß dieser Mann Ihnen jeweils bezeichnet wurde als Klaus?

Zeuge Jan Farber [unterbricht]:

Als Klaus, jawohl, Herr Verteidiger.

Verteidiger Steinacker:

Dann sind Ihnen bei Ihrer Vernehmung vor dem Distriktsgericht in Prag Bilder vorgelegt worden von den Angeklagten.

Zeuge Jan Farber:

Nein, vor Gericht wurden mir keine Bilder vorgelegt, Herr Verteidiger. Ich bekam bloß von einer Organisation – das ist eine Organisation, wo auch die Auschwitz-Häftlinge sind – die Namen der Häftlinge, die im Prozeß sich verantworten sollen, und da waren die Namen genannt worden.

Verteidiger Steinacker:

Und das Bild?

Zeuge Jan Farber:

Nein, da waren keine Bilder. Es war ein Bulletin gewesen. Ich habe keine Bilder da drin gesehen.

Verteidiger Steinacker [unterbricht]:

Also haben Sie keine Bilder gesehen.

Zeuge Jan Farber:

Und das ist schade, daß ich nicht Bilder bei uns bekommen habe, sehr schade.

Verteidiger Steinacker:

Dann haben Sie vorhin gesagt: Nach meiner Aussage am Freitag wurde mir gesagt, daß derjenige, den ich als Klaus bezeichnet habe

Zeuge Jan Farber [unterbricht]:

Jawohl, jawohl.

Verteidiger Steinacker:

Wer hat Ihnen das gesagt?

Zeuge Jan Farber:

Das haben mir hier zwei Polen gesagt. Aber ich kenne sie nicht.

Verteidiger Steinacker:

Die haben Ihnen das gesagt.

Zeuge Jan Farber:

Ja, die haben mir gesagt: »Nicht Klaus, das ist Dylewski.«

Verteidiger Steinacker:

»Das ist Dylewski.«

Zeuge Jan Farber:

»Sie irren sich« oder so etwas.

Vorsitzender Richter:

War das nach Ihrer Vernehmung?

Zeuge Jan Farber:

Das war nach meiner Vernehmung, ja.

Verteidiger Steinacker:

Ja, ja. War Ihnen der Name Dylewski im Lager bekannt?

Zeuge Jan Farber:

Ich muß ehrlich sein, ich habe ihn...

Verteidiger Steinacker:

Nicht gehört.

Zeuge Jan Farber:

Nicht gehört.

Verteidiger Steinacker:

Nicht gehört. Gut, dann habe ich keine Fragen mehr.

Verteidiger Laternser:

Diese Besprechung, Herr Zeuge, mit den zwei Polen, hat die hier im Gerichtsgebäude stattgefunden?

Zeuge Jan Farber:

Herr Verteidiger, diese Besprechung, die war nicht mit mir gewesen, die war zwischen ihnen irgendwie gewesen. Ich verstehe noch ein wenig polnisch, Sie sagten: »Der meinte den [Dylewski] und nannte ihn Klaus.« Die haben nicht mit mir gesprochen, ich kenne die polnischen Häftlinge nicht. Das wurde mir draußen gesagt dann, und auch

Verteidiger Laternser [unterbricht]:

Haben Sie denn bei diesen beiden Herren gestanden? Denn sonst hätten Sie es ja doch nur schwer hören können oder hätten nicht mitbekommen, was sie damit meinten?

Zeuge Jan Farber:

Ich habe das Gespräch gehört, und ich sagte ihm, das sei Klaus. Sagt er: »Nein, Sie irren sich, das war Dillinger[9]«

Verteidiger Laternser:

Dillinger?

Zeuge Jan Farber:

Nicht Dillinger, Dylewski.

Verteidiger Laternser:

Also haben Sie doch mit denen gesprochen.

Zeuge Jan Farber:

Nein, Sie haben unter sich gesprochen: »Der meinte den Dylewski und nannte ihn Klaus.« Und ich habe mich ihnen zugesellt und sagte: »Ja, ich habe ihn unter dem Namen Dylewski nicht gekannt.«

Verteidiger Laternser:

Ja. Also haben Sie doch mit ihnen gesprochen.

Zeuge Jan Farber:

Ja, ja, ja, ich habe mit ihnen gesprochen.

Verteidiger Laternser:

Nicht nur ein Gespräch gehört. Nun, Herr Zeuge, ist Ihnen, seitdem Sie hier in Frankfurt sind, ein Lichtbild von Dylewski vorgelegt worden?

Zeuge Jan Farber:

Nein, ich habe noch keine Lichtbilder [+ gesehen], ich habe in den Zeitungen

Verteidiger Laternser [unterbricht]:

Jetzt seien Sie mal vorsichtig, Herr Zeuge, wenn Sie sagen, es seien Ihnen keine Lichtbilder vorgelegt worden. Ich frage Sie: Sind Ihnen Lichtbilder hier im Gebäude von irgend jemandem, von nicht behördlicher Seite vorgelegt worden?

Zeuge Jan Farber:

Ich habe bloß Lichtbilder über Zeugen von einem Herrn vor dem Saale bekommen.

Verteidiger Laternser:

Ja. Vor dem Saal bekommen. Wer war denn dieser Herr?

Zeuge Jan Farber:

Das war ein Fotograf, der auch mich aufgenommen hat. Er hatte mir einige Aufnahmen gezeigt.

Verteidiger Laternser:

Ja. Von wem waren diese Aufnahmen?

Zeuge Jan Farber:

Da war Karl Lill dabeigewesen, den ich erkannt hatte.

Verteidiger Laternser:

Wie viele Bilder wurden Ihnen etwa vorgelegt?

Zeuge Jan Farber:

Sehr wenige, Herr Verteidiger.

Verteidiger Laternser:

Etwa, schätzen Sie doch mal bitte.

Zeuge Jan Farber:

Vielleicht fünf, sechs bloß.

Verteidiger Laternser:

Ja. Und wie hieß dieser

Zeuge Jan Farber [unterbricht]:

Und ich habe ja doch nur einen erkannt.

Verteidiger Laternser:

Wann wurden Ihnen diese Bilder vorgelegt?

Zeuge Jan Farber:

Das war am Freitag.

Verteidiger Laternser:

Vor der Vernehmung?

Zeuge Jan Farber:

Vor der Vernehmung war das gewesen.

Verteidiger Laternser:

Während der Vernehmung?

Zeuge Jan Farber:

Nicht während meiner Vernehmung, Herr Verteidiger, vor meiner Vernehmung war das.

Verteidiger Laternser:

Vor Ihrer Vernehmung?

Zeuge Jan Farber:

Ja.

Verteidiger Laternser:

Ja. Und wie hieß der Herr, der Ihnen die Bilder vorgelegt hat?

Zeuge Jan Farber:

Mich hat der Herr gefragt, ob ich schon fotografiert wurde. Ich sagte, nein. Da hat er mich zum Fotografieren aufgefordert. Und ich fragte, ob er jeden Häftling fotografiert, sagt er ja, er könnte mir einige zeigen. Da habe ich gesehen einige, und ich habe, glaube ich, einen erkannt da, einen Häftling.

Verteidiger Laternser:

Sind Ihnen auch von anderer Seite, und zwar von polnischer Seite, in dem Gerichtsgebäude noch Bilder vorgelegt worden?

Zeuge Jan Farber:

Nein, ich habe...

Verteidiger Laternser:

Sie wollen das also ausschließen, daß das gewesen ist.

Zeuge Jan Farber:

Bilder habe ich...

Verteidiger Laternser:

Überlegen Sie doch mal.

Zeuge Jan Farber:

Nein, ich brauche nicht überlegen, Herr Verteidiger. Es wurden mir dort nicht welche gezeigt, aber dort auf dem Tisch bei den Wartenden waren wohl...

Verteidiger Laternser:

Bei den Wartenden waren wohl Bilder, meinten Sie?

Zeuge Jan Farber:

Nein, bei den Zeugen, die schon da verhört waren, haben sie Bilder gehabt. Aber ich habe weder den Dylewski dort gesehen, niemanden. Es waren auch einige SSler dagewesen, aber mir unbekannte. Ich habe...

Verteidiger Laternser:

Würden Sie mir grade dieses noch etwas näher schildern, Herr Zeuge

Zeuge Jan Farber [unterbricht]:

Insbesonders wurde mir Dylewski nicht gezeigt.

Verteidiger Laternser:

Ja, also das wollen Sie ausschließen.

Zeuge Jan Farber:

Ja.

Verteidiger Laternser:

Nun, Sie sagten also »anderen Personen«. Waren das auch Zeugen?

Zeuge Jan Farber:

Ich vermute, daß es Zeugen waren.

Verteidiger Laternser:

Ja. Saßen die an einem der Tische da draußen?

Zeuge Jan Farber:

Ein Pole war dagewesen, Herr Verteidiger, mit so einem Hörapparat. Nicht mir, den Polen, die schon verhört waren, hat er Bilder gezeigt.

Verteidiger Laternser:

Ja. Ist das ein Großer?

Zeuge Jan Farber:

Nein, ein Kleiner, so ein Schwarzer. Macht den Eindruck eines sehr nervösen Mannes.

Verteidiger Laternser:

Wie viele Bilder waren das etwa, die denen gezeigt wurden? Haben Sie den Vorgang beobachtet?

Zeuge Jan Farber:

Ja, Herr Verteidiger, das war, wo ich wartete auf mein Verhör. Ich habe aber mit dem Mann nicht gesprochen. Ich kannte ihn nicht. Das hat er gezeigt zwei Häftlingen, die schon ihre Aussage hinter sich hatten.

Vorsitzender Richter:

Zwei Häftlinge oder zwei Zeugen?

Zeuge Jan Farber:

Zwei Zeugen.

Vorsitzender Richter:

Ja. Bitte schön.

Zeuge Jan Farber:

Ich glaube, es waren Häftlinge, denn der eine sagte, er wäre schon verhört worden.

Verteidiger Laternser:

Nun habe ich nur noch die Frage, die noch nicht beantwortet worden ist, Herr Zeuge.

Zeuge Jan Farber:

Mir wurde nichts gezeigt, Herr Verteidiger.

Verteidiger Laternser:

Ihnen wurde nichts gezeigt.

Zeuge Jan Farber:

Nein.

Verteidiger Laternser:

Und den anderen? Wie viele Bilder hatten die etwa auf dem Tisch liegen? So sagten Sie doch vorhin, daß

Zeuge Jan Farber [unterbricht]:

Ich glaube, drei Bilder waren dagewesen. Ich habe mit ihnen nicht gesessen. Ich kannte sie nicht. Ich habe mir das Bild bloß angesehen dort.

Verteidiger Laternser:

Und kannte Sie denjenigen, der die Bilder vorzeigte?

Zeuge Jan Farber:

Ich kannte niemand, ich kenne ihn auch jetzt nicht.

Verteidiger Laternser [unterbricht]:

Also das war ein anderer, der die Bilder dort vorzeigte, als derjenige, der Ihnen die Bilder zeigte.

Zeuge Jan Farber:

Der Fotograf, der zeigte mir, Herr Verteidiger, bloß die Bilder der Zeugen.

Verteidiger Laternser:

Also das war ein anderer, der die Bilder

Zeuge Jan Farber [unterbricht]:

Ein Pole hat dort die Bilder gezeigt. Was für eine Art von Bildern...

Verteidiger Laternser:

Ich habe keine weiteren Fragen.

Vorsitzender Richter:

Herr Rechtsanwalt Göllner.

Verteidiger Laternser:

Noch eine Frage, noch eine Frage: Herr Zeuge, derjenige, der diese so bedauerliche Exekution, die Sie geschildert haben, durchgeführt haben soll, würden Sie mal sagen, was für eine Uniform der getragen hat?

Zeuge Jan Farber:

[Pause] Das waren doch, Herr Verteidiger, ich glaube fast...

Verteidiger Laternser:

Nun erinnern Sie sich doch an diesen Vorgang, und Sie sollen nicht allgemein sprechen, sondern sagen, welche Uniform trug derjenige, der damals diese

Zeuge Jan Farber [unterbricht]:

So eine SS-Uniform trug er, Herr Verteidiger. SS-Uniform trug er.

Verteidiger Laternser:

Ja. War die schwarz oder grau?

Zeuge Jan Farber:

[Pause] Ich glaube, [Pause] ich glaube, das war eher eine dunklere Uniform gewesen.

Verteidiger Laternser:

Ja nun, wenn Sie den Vorgang schildern, dann müssen Sie doch das Bild noch vor sich sehen, wenn Sie überhaupt schildern können. War die Uniform schwarz oder grau?

Zeuge Jan Farber:

[Pause] Ich kann mich daran nur schwer erinnern. Ich würde

Verteidiger Laternser [unterbricht]:

Das können Sie nicht mehr sagen. Was für eine

Zeuge Jan Farber [unterbricht]:

Angst haben, hier Bestimmtes zu sagen.

Verteidiger Laternser [unterbricht]:

Ja, war das ein Offizier oder ein Unteroffizier?

Zeuge Jan Farber:

Das war ein Unteroffizier.

Verteidiger Laternser:

Ein Unteroffizier.

Zeuge Jan Farber:

Ich glaube, ja. Ich habe [unverständlich]

Verteidiger Laternser [unterbricht]:

Und was für eine Mütze hat er getragen? Eine Schirmmütze oder nicht eine Schirmmütze, eine andere?

Zeuge Jan Farber:

Nein, Schirmmütze war es gewesen, ja.

Verteidiger Laternser [unterbricht]:

Eine Schirmmütze.

Zeuge Jan Farber:

Ja, Schirmmütze war es gewesen.

Verteidiger Laternser:

Also, Sie wissen die Farbe der Uniform nicht mehr. Aber Sie wissen, daß er eine Schirmmütze getragen hat.

Zeuge Jan Farber:

Ich glaube, es war eine Schirmmütze, Herr Verteidiger, gewesen.

Verteidiger Laternser:

Ich habe keine weiteren Fragen.

Zeuge Jan Farber:

Na, das ist schwer, das ist so was

Staatsanwalt Wiese [unterbricht]:

Gestatten Sie? Herr Zeuge, schildern Sie doch bitte mal diese Schirmmütze.

Zeuge Jan Farber:

Das waren die üblichen SS-Mützen gewesen.

Staatsanwalt Wiese:

War das eine runde mit einem festen Schirm, oder war das eine Art, wie nennt man die

Vorsitzender Richter [unterbricht]:

Skimütze.

Staatsanwalt Wiese:

Skimütze.

Zeuge Jan Farber:

Der Abstand zwischen dem Rand des Schildes und des oberen Randes der Mütze war ja so groß gewesen.

Staatsanwalt Wiese:

Glänzte der Schirm, oder war er stumpf?

Zeuge Jan Farber:

So herabgeschirmt war er gewesen, Herr Verteidiger. Ich weiß

Staatsanwalt Wiese [unterbricht]:

Ja, mir geht es darum, ob das eine Offiziersmütze war oder ob das eine Skimütze war, die in...

Zeuge Jan Farber:

Ich glaube, es war keine Offiziersmütze gewesen. Ich würde Angst haben, die Mütze genau zu beschreiben. Das habe ich Ihnen

Staatsanwalt Wiese [unterbricht]:

Gut, danke schön.

Zeuge Jan Farber:

Bitte.

Vorsitzender Richter:

Herr Rechtsanwalt Göllner.

Verteidiger Göllner:

Herr Zeuge, welche Häftlingsnummer hatten Sie in Auschwitz?

Zeuge Jan Farber:

30.674.

Verteidiger Göllner:

Herr Zeuge, ich frage Sie deshalb, weil Sie auf die Frage des Vorsitzenden am Freitag gesagt hatten, im August 42 seien Sie nach Auschwitz gekommen. Bei dieser Häftlingsnummer müssen Sie im April 1942 nach Auschwitz gekommen sein. So haben Sie es auch früher, bei Ihrer früheren Vernehmung gesagt. Nach Heft 3 der Auschwitz-Hefte kamen am 17. April 42 zwei Transporte

Staatsanwalt Wiese [unterbricht]:

Der Zeuge hat am Freitag gesagt, daß er im April eingetroffen ist.

Verteidiger Göllner:

Nein, er hat gesagt im August

Vorsitzender Richter [unterbricht]:

April 42, Herr Rechtsanwalt.

Verteidiger Göllner:

So, gut.

Vorsitzender Richter [unterbricht]:

Und hat auch die Häftlingsnummer damals schon angegeben.[...]

Verteidiger Göllner:

Hat Klehr eine Brille getragen in Auschwitz?

Zeuge Jan Farber:

Nein, in Auschwitz hat er keine Brille getragen. Ich weiß es ganz bestimmt, denn ich war auch in Gleiwitz sein Kalfaktor gewesen. Ich habe seine Stiefel geputzt, und ich hätte auch die Brille gekannt. Er hatte keine Brille gehabt.

Verteidiger Göllner:

Ich frage das, weil ein Zeuge hier gesagt hat, er kenne Klehr nur deshalb, weil er eine Brille getragen habe.

Zeuge Jan Farber:

Nein, ich muß sagen, er hatte keine Brille, und das kann ich wohl mit Bestimmtheit behaupten.

Verteidiger Göllner:

Herr Zeuge, Weihnachten 42 waren Sie am ersten Weihnachten in Auschwitz?

Zeuge Jan Farber:

Jawohl.

Verteidiger Göllner:

Können Sie sich erinnern, ob Klehr Weihnachten im Lager war oder ob er in Urlaub zu Hause war?

Zeuge Jan Farber:

Herr Verteidiger, ich habe diesbezüglich schon geantwortet. Ich kann mich nicht erinnern. Das kann ich nicht genau sagen.

Verteidiger Göllner:

Sie haben bei der Schilderung von Phenolinjektionen durch Klehr auf die Frage des Vorsitzenden erklärt, zwei Fälle seien Ihnen in Erinnerung, bei denen die Häftlinge noch gelebt hätten. Und die seien dann durch Pistolenschuß erledigt worden, diese beiden Fälle. Haben Sie gesehen, daß Klehr hierbei sich betätigt hat, oder haben Sie das nur vom Hörensagen?

Zeuge Jan Farber:

Ja, Herr Verteidiger, ich habe ja auf diese Ihre Frage schon auf der Treppe nach meinem Verhör geantwortet. Das habe ich bloß gehört, ich habe es nicht gesehen. Ich habe es genau so auch angegeben. Bloß von den Polen wußte ich, daß so ein Häftling noch am Leben war, und wenn ich sie dann den nächsten Tag fragte, dann sagten sie mir, daß Klehr ihn dann noch mit der Pistole getötet hat, damit er nicht mehr lebt. Aber gesehen habe ich es nicht.

Verteidiger Göllner:

Wer hat das Material ausgegeben bei der Desinfektion?

Zeuge Jan Farber:

Herr Verteidiger, wenn es sich um Lysol handelte, das haben wir dann selbst ausgefaßt. Wir bekamen einen Zettel, entweder von Klehr oder von Theuer, der sein Vertreter war.

Verteidiger Göllner:

Und wo befand sich das Material?

Zeuge Jan Farber:

Es befand sich irgendwo außerhalb des Lagers, nicht weit vom Lager. Das war Lysol. Das andere Material wurde uns ins Lager gebracht, das heißt Gasmasken und Filter. Und auch Gas haben wir nicht ausgefaßt.

Verteidiger Göllner:

Wurde das bei jedem einzelnen Fall gesondert gebracht, oder war das immer an einer bestimmten Stelle gelagert?

Zeuge Jan Farber:

Wir hatte so eine Art Depot, so eine Art Magazin in einem Keller gehabt. Dort konnten die Masken sein, die Filter, kein Gas. Das Gas wurde nur zu Einzelfällen immer hingebracht. Das haben wir nicht im Lager gehabt. Überhaupt, wir waren nicht Eigentümer dieser Büchsen gewesen.

Verteidiger Göllner:

Wie lange dauerte ein solcher Desinfektionsvorgang?

Vorsitzender Richter:

Womit, mit Gas oder wie?

Zeuge Jan Farber:

Mit mit Giftgas

Verteidiger Göllner [unterbricht]:

Ja, mit Giftgas, genau

Zeuge Jan Farber [unterbricht]:

Herr Verteidiger, das ging sehr rasch. Die Verklebung der Fenster ging rasch vor sich. Dann haben wir das Gas ausgeschüttet, und die ganze Prozedur dauerte vielleicht zwei Stunden, drei Stunden. Aber dann mußte der Block oder die Baracke in diesem Zustand bis zum nächsten Tag verklebt bleiben. Am nächsten Tag gingen wir dann wieder mit Gasmasken die Fenster öffnen, und dann wurde noch ein Tag gelüftet, bis die Häftlinge wieder zurückkommen konnten, und dann war es schon einwandfrei gewesen.

Verteidiger Göllner:

Herr Zeuge, trifft es zu, daß Klehr Sie ausgesucht hat für Gleiwitz aus Ihrer damaligen Tätigkeit in Auschwitz, zusammen mit einem jüdischen französischen Häftlingsarzt, den Sie vorhin bei Ihrer Vernehmung schon geschildert haben?

Zeuge Jan Farber:

Nein, mit diesem Häftling war ich ja bloß in Auschwitz in der Desinfektion tätig gewesen, da waren wir mehrere da. Aber in Gleiwitz war bloß ich allein als Desinfektorenhäftling.

Verteidiger Göllner:

Nein, ich habe Sie gefragt, ob Klehr Sie ausgesucht hat für seine weitere Tätigkeit in Gleiwitz, und zwar

Zeuge Jan Farber:

Nein, nein.

Verteidiger Göllner:

Das stimmt nicht. Wer hat Sie denn nach Gleiwitz abgeordnet?

Zeuge Jan Farber:

Nein, er hat mich abgeführt. Aber Klehr hat bloß den Wunsch gehabt, er müßte einen Häftling mitbekommen, der schon in der Desinfektion arbeitete, der auch als Pfleger tätig war, und das hatte nicht Klehr ausgesucht. Es genügte Klehr, daß er es sagte im Krankenbau oder dem Kapo, den wir dort hatten, und der designierte dann, wer mit Klehr mitgehen soll. Ich wurde designiert, nicht durch Klehr. Klehr kannte mich eigentlich in Auschwitz persönlich nicht.

Vorsitzender Richter:

Haben Sie sich nicht selbst darum bemüht, dorthin zu kommen nach Gleiwitz, weil Sie glaubten, daß dort eher die Flucht möglich wäre?

Zeuge Jan Farber:

Ja, das war der eine von den Gründen gewesen. Ich wollte ja aus dem Lager wegkommen, damit ich flüchten könne. Und meine Kameraden, die da tätig waren, auch im SS-Revier, haben mir dabei geholfen, daß ich gerade zu dieser Desinfektion zugeteilt wurde.

Verteidiger Göllner:

Anschließend an diese Frage des Herrn Vorsitzenden, Herr Zeuge: Ist es richtig, daß Sie von Gleiwitz kurz vor Kriegsende ausgebrochen sind und daß nach Ihnen gefahndet wurde, weil Sie irgendwo unterwegs aufgegriffen wurden oder sistiert wurden nach Groß-Rosen? Oder wie hat sich dieser Vorfall abgespielt?

Zeuge Jan Farber:

Nein, ich bin weggelaufen vom Lager, das war kurz vor der Evakuierung des Lagers gewesen. Und ich wurde nicht mehr nach Groß-Rosen geführt. Ich wurde zwar dort festgenommen, aber nicht von der SS, sondern von der Polizei. Aber das war schon in diesen Tagen, wo...

Verteidiger Göllner:

Wo der Zusammenbruch bevorstand.

Zeuge Jan Farber [unterbricht]:

Zusammenbruch bevorstand.

Verteidiger Göllner:

Also Klehr behauptet, er habe wegen Ihrer Person Schwierigkeiten gehabt. Das wird er vielleicht selbst nachher noch mal kurz sagen.

Zeuge Jan Farber:

Ich glaube, daß er Schwierigkeiten hatte. Das ist ja

Verteidiger Göllner [unterbricht]:

Weil Sie weggelaufen waren, ja?

Zeuge Jan Farber:

Ja, höchstwahrscheinlich, ja. Das will ich zugeben. Ich muß auch das zugeben: Ich habe einen Häftling, der mit mir in Gleiwitz war, getroffen, der über diesen Vorfall wußte. Er sagte mir, daß Klehr diese Unannehmlichkeiten hatte.[...]

Verteidiger Göllner:

Herr Zeuge, Sie wurden vorhin schon gefragt von dem Herrn Ersten Staatsanwalt Großmann über Ihre Unterhaltung bei dem Schnapstrinken anläßlich der Versagung der Meldung zur Wehrmacht. Hat da Klehr gesagt: Jetzt habe ich mich wieder zur Wehrmacht gemeldet. Hat er Ihnen geschildert, wie oft er diesen Versuch schon unternommen habe, an die Front versetzt zu werden?

Zeuge Jan Farber:

Nein, nein, nein, nie. Das war nur dieses einzige Mal, wo er mir sagte: »Du bekommst einen andern Chef.« Und als ich ihn gefragt habe, warum, da sagte er mir, daß er sich zur Front gemeldet hatte. Das war das einzige Mal. Über andere freiwillige Meldungen habe ich keine Kenntnisse.

Verteidiger Göllner:

Herr Zeuge, Sie haben geschildert, daß bei den Phenolinjektionen in Block 21 die Häftlinge einzeln über den Flur gekommen seien, teils wenig bekleidet, teils unbekleidet. Klehr behauptet, vor den Injektionen hätten die Häftlinge neben dem Ambulanzraum in einem Warteraum sich aufgehalten. Ist das richtig?

Zeuge Jan Farber:

Das ist richtig, ja. Ich sah sie. Ich kam ja, um die Leichen herauszuholen, Herr Verteidiger, nicht vom Hof, der zwischen Block 20 und 21 war. Wir kamen von vorne, von der Straße hinein in den Waschraum, der sich rechts befand. Von dort holten wir die Leichen und gingen gleich wieder hinaus. Und ich sah bloß immer, wie einzelne Häftlinge hineingeführt wurden, dort wo Klehr war, links. Die Häftlinge kamen vom Flur. Ob sie von einem Waschraum kamen oder ob sie vom Hof oder ob sie vom Waschraum des Block 21 so hingeführt wurden, das weiß ich heute nicht genau. Ich habe von vorne gearbeitet, wo ich diese Konzentrierung der Häftlinge nicht gesehen habe.

Verteidiger Göllner:

Herr Zeuge, war in Gleiwitz kein Arzt dauernd beschäftigt?

Zeuge Jan Farber:

Nein, da war überhaupt keiner beschäftigt. Es kam bloß der Doktor Fischer.

Verteidiger Göllner [unterbricht]:

Besuchsweise, sagten Sie vorhin.

Zeuge Jan Farber:

Kam zur Kontrolle hin.

Verteidiger Göllner:

In welchen zeitlichen Abständen?

Zeuge Jan Farber:

Mindestens einmal im Monat war er bestimmt dagewesen und vielleicht noch[...]

Verteidiger Göllner [unterbricht]:

Andere Ärzte von Gleiwitz, Gleiwitz ist ja eine Stadt über 100.000 Einwohner gewesen, wurden die nicht dazu herangezogen?

Zeuge Jan Farber:

Zivilärzte?

Verteidiger Göllner:

Ja. Zivilärzte

Zeuge Jan Farber:

Nein, nein.

Verteidiger Göllner:

Oder uniformierte Ärzte, die da im Wehrmachtstandort waren?

Zeuge Jan Farber:

Nein, nein, niemand, nur Doktor Fischer kam.

Vorsitzender Richter:

Und die Häftlingsärzte, die waren doch auch da.

Zeuge Jan Farber:

Und zwei Häftlingsärzte waren im Häftlingskrankenbau, die dann Klehr auch bei den kranken SS-Angehörigen oft zu Konsultationen gerufen hat.

Verteidiger Göllner:

Haben Sie zufällig mit dem französischen Häftlingsarzt von Gleiwitz noch Verbindung nach dem Kriege gehabt?

Zeuge Jan Farber:

Nein, ich habe nie etwas von ihm erfahren, Herr Verteidiger.[...]

Verteidiger Göllner:

Und wer war der zweite Häftlingsarzt, der dabei war?

Zeuge Jan Farber [unterbricht]:

Das war auch einer aus Frankreich.

Verteidiger Göllner:

Beides Franzosen?

Zeuge Jan Farber:

Beide, Herr Verteidiger, ja.

Verteidiger Göllner:

Danke, ich habe keine Fragen mehr.

Vorsitzender Richter:

Von seiten der Verteidiger keine Frage mehr? Der Angeklagte Klehr.

Angeklagter Klehr:

Herr Direktor, ich habe den Zeugen Farber von 1942 im Sommer bis 1945 gekannt. Ich kannte keinen besseren Häftling persönlich so gut wie den Zeugen Farber. Ich kannte keinen Häftling persönlich so gut wie den Zeugen Farber. Ich habe den Herrn Farber bei Aufstellung des Entwesungskommandos im Block 28 ausgesucht und zu dem Entwesungskommando eingeteilt. Der Herr Farber war mit bei den ersten, wo ich angefangen habe, das Stammlager zu desinfizieren. Herr Farber hat das Birkenauer Lager, Frauenlager, Männerlager [+ desinfiziert], und ich habe sogar noch Herrn Farber Vergünstigungen zuteil werden [lassen], damit er wieder mal in ein Außenlager kam. Da hatten wir fünf fahrbare Desinfektionswagen. Da habe ich Herrn Farber dazu eingeteilt mit einem Desinfektor, daß er auf ein Außenkommando hinkam, und [+ er] hat das mitgemacht.

Vorsitzender Richter:

Das wird wohl stimmen. Das wird der Zeuge gar nicht bestreiten, es wird wohl so gewesen sein.

Zeuge Jan Farber:

Es kann so gewesen sein, ja.

Angeklagter Klehr:

Ich habe auch Herrn Farber bei meiner Vernehmung als Zeugen angegeben. Ich wußte aber nicht mehr den Namen. Ich habe mir ja schon die ganzen vier Jahre den Kopf zerbrochen und kam auf den Namen nicht. Ich habe ihn bloß als Zeugen angegeben, weil er bei mir als Kalfaktor war. Und ich kannte, wie ich schon betont habe, keinen besseren Häftling als den Herr Farber.

Vorsitzender Richter:

Ja, und haben Sie noch eine Frage an diesen Zeugen?

Angeklagter Klehr:

Ja, ich habe noch eine Frage. Als ich ins Nebenlager verlegt wurde, bat mich Herr Farber, ihn mit nach Gleiwitz zu nehmen. Ich kannte den Farber, war mit ihm vollkommen zufrieden, mit der Arbeit. Und daraufhin habe ich beim Standortarzt Herrn Farber und einen französischen Häftlingsarzt angefordert. Und wo ich in Gleiwitz [das Lager] eingerichtet habe, habe ich dann Herrn Farber und den französischen Häftlingsarzt nach Gleiwitz nachgeholt. Das muß der Herr Zeuge ja wissen, daß es so gewesen ist. Sie baten mich drum: »Herr Oberscharführer, nehmen Sie mich nach Gleiwitz.« Sage ich: »Jawohl, ich werde mein Möglichstes tun.« Und daraufhin habe ich ihn angefordert beim Standortarzt, und Sie sind mit nach Gleiwitz gekommen.

Vorsitzender Richter:

Also der Zeuge hat uns ja gesagt, daß er selbst ein Interesse daran gehabt habe, nach Gleiwitz zu kommen, aus ganz bestimmten Gründen.

Angeklagter Klehr:

Der erste Häftlingsarzt hat mich dann auch drum gebeten und Herr Farber auch: Da war ein Kollege von dem jüdischen französischen Häftlingsarzt, das war ein Chirurg. Ich sollte den auch noch nach Gleiwitz nachholen. Das habe ich auch noch getan. Da habe ich den zweiten Häftlingsarzt auch noch nach Gleiwitz geholt.

[Pause] Herr Farber sagte, er war in Block 28. Herr Farber, ich muß Sie doch noch einmal bitten, sich zu erinnern. Ich kenne Sie nur von Block 28. Sie sind im April 42 nach Auschwitz gekommen und waren nur ein paar Monate, vielleicht ein, zwei Monate da – es können vielleicht auch drei gewesen sein, da will ich mich nicht streiten –, dann habe ich Sie schon ausgesucht zum Entwesungskommando. Das stimmt doch?

Zeuge Jan Farber:

Das letzte habe ich nicht verstanden, wenn Sie

Angeklagter Klehr [unterbricht]:

Ich meine, Sie sind im April 42 in das Stammlager eingeliefert worden.

Vorsitzender Richter:

Ja.

Angeklagter Klehr:

Und dann waren Sie höchstens zwei Monate bei dem Leichenträgerkommando. Und im Sommer 42 habe ich mit der Desinfektion...

Vorsitzender Richter:

Also der Angeklagte Klehr behauptet, Sie seien bereits im Sommer 42 zum Desinfektionskommando ausgesucht worden. Sie haben gemeint, es sei erst im Jahr 43 gewesen.

Zeuge Jan Farber:

Nein, ich war in 42

Vorsitzender Richter [unterbricht]:

Winter, Winter 42 auf 43.

Zeuge Jan Farber [unterbricht]:

Winter 42/43, ja.

Angeklagter Klehr:

Nein, Herr Zeuge, Sie täuschen sich. Das war ein Sommer, es war sehr warm. Es kann Juni oder es kann Juli, es kann auch August gewesen sein. Den Monat kann ich nicht festlegen. Aber es war im Sommer 42. Dann habe ich mit dem Stammlager begonnen, mit der Desinfektion. Erinnern Sie sich vielleicht, daß Frauen im Stammlager gelegen haben? Ein Frauenlager im Stammlager?

Zeuge Jan Farber:

Ja, natürlich.

Angeklagter Klehr:

Ja. Sehen Sie, da haben wir angefangen, das müssen Sie doch zugeben. Am 16. August sind die Frauen nach Birkenau verlegt worden. Und am nächsten Tag, am 17. August, haben wir blockweise das Stammlager desinfiziert.

Zeuge Jan Farber:

Nein, ich habe leider, Herr Klehr, damals noch nicht bei der Desinfektion gearbeitet. Ich war Pfleger auf Block 21 gewesen. Ich weiß nicht, vielleicht kannten Sie mich. Er war doch mein SDG, der Klehr.

Angeklagter Klehr [unterbricht]:

Ich kannte Sie von Anfang an, Herr Farber.

Zeuge Jan Farber:

Ja, Entschuldigung.

Angeklagter Klehr:

Ich wußte, daß Sie in Block 28 waren. Ich habe Sie ja auch in Block 28 ausgesucht für die Aufstellung der Desinfektion.

Zeuge Jan Farber:

Nein, ich war nie in Block 28. Ich war bloß, wenn ich zur Hilfe zeitweise zum Leichenträgerkommando kommandiert wurde. Das war immer Abend gewesen oder manchmal Nachmittag, aber ich war nicht beschäftigt, Herr Klehr, in Block 28. Sie werden sich bestimmt irren. Das war in Block 21.

Angeklagter Klehr [unterbricht]:

Na, Herr Zeuge, ich will hier Ihnen nicht was bestreiten. Aber ich weiß es, daß ich ihn von 28 ausgesucht habe zur Desinfektion.

Zeuge Jan Farber:

Nein.

Angeklagter Klehr:

Und dann haben Sie ja erwähnt, Herr Zeuge, daß Sie den Hantl kennen und den Scherpe. Habe ich mit den beiden SDG zusammen Dienst gemacht im HKB?

Zeuge Jan Farber:

Jetzt habe ich die Frage nicht gehört.

Vorsitzender Richter:

Ob Sie zusammen mit Hantl und Scherpe den Klehr Dienst haben machen sehen?

Zeuge Jan Farber:

Ob sie zusammen den Dienst machten, weiß ich nicht. Manchmal habe ich sie zugleich gesehen im Lager, im Krankenbau. Oder ob sie zugleich beide dienten, weiß ich nicht. Erstens einmal, ich war als Pfleger in Block 21 nur kurz tätig. Während dieser Zeit half ich oft den Leichenträgern aus. Und dann, schon im Winter 42/43, kam ich zur Desinfektion, so daß ich mich dann schon weniger auf dem Block 21 aufhielt. Aber auf keinen Fall arbeitete ich auf Block 28 als Pfleger. Das muß bestimmt ein Irrtum gewesen sein.

Vorsitzender Richter:

Ja. Ist noch eine Frage?

Angeklagter Klehr:

Doch, ich habe noch mehrere Fragen. Herr Zeuge, ist es richtig, daß ich mehrere Desinfektionskommandos gehabt habe?

Zeuge Jan Farber:

Wir waren ein Desinfektionskommando gewesen, und ich glaube, Klehr hatte mehrere Kommandos gehabt, denn er war doch ziemlich beschäftigt gewesen. Ich glaube, er hatte mehrere Desinfektionskommandos.

Angeklagter Klehr:

Und ist es richtig, daß bei jedem Desinfektionskommando, zum Beispiel wenn Sie in, sagen wir mal, Block 10 desinfiziert haben, da war doch immer ein SS-Desinfektor dabei?

Zeuge Jan Farber:

Nein, da kam niemand zu uns. Sie haben womöglich jemanden bestimmt, aber der war nicht dagewesen.

Angeklagter Klehr:

Na, da müßte ich mich da täuschen, daß die dann nicht dagewesen waren. Es war doch Theuer, es war Koch, ich hatte acht bis zehn SS-Desinfektoren, weil ich ja mehrere Kommandos hatte.

Zeuge Jan Farber:

Ja.

Angeklagter Klehr:

Und können Sie sich erinnern, Herr Zeuge, daß [+ ich] die Entwesung mit dem Zyklon B erst in Birkenau angefangen habe?

Zeuge Jan Farber:

Ja, ja, ja.

Angeklagter Klehr:

Und zwar ein Bottichverfahren, wo ein eiserner Bottich war. Dort waren die Kleider in dem Zyklon B eingeweicht. Und dafür haben Sie die Gasmasken gebraucht.

Zeuge Jan Farber:

Ja.

Angeklagter Klehr:

Aber, Herr Zeuge, ich muß Ihnen einen Vorhalt machen: Daß Sie selbständig einen Block vergast haben, das ist unwahr. Das muß ich Ihnen offen und ehrlich sagen.

Vorsitzender Richter:

Also Klehr sagt, wenn ein Block vergast wurde, dann wäre ein SS-Mann dabeigewesen.

Zeuge Jan Farber:

Ja. Dieser Befehl kam von Klehr raus. Er hatte natürlich Helfer gehabt als SDGler. Das war, wie ich schon sagte, der...

Vorsitzender Richter:

Theuer.

Zeuge Jan Farber:

Theuer, dann war es Koch, und es waren noch andere, deren Namen ich nicht kannte. Ob sie von Klehr Befehl hatten, bei uns zu sein, das ist sehr leicht möglich. Aber sehr selten war einer von ihnen dagewesen.

Angeklagter Klehr:

Herr Zeuge, Sie haben vorhin schon bekundet, daß ich mit dem Lagerführer Moll öfters Differenzen gehabt habe.

Zeuge Jan Farber:

Jawohl.

Angeklagter Klehr:

Und ist Ihnen noch bekannt, daß mich der Lagerführer Moll in Auschwitz bei der Lagerleitung denunziert hatte?

Zeuge Jan Farber:

Jetzt habe ich wieder nichts gehört. Entschuldigen Sie, Herr Klehr.

Vorsitzender Richter:

Ob Sie wissen, daß Moll Klehr bei der Lagerleitung in Auschwitz angezeigt hätte, denunziert hätte.

Zeuge Jan Farber:

Ich weiß bloß, daß große Konflikte zwischen Klehr und Moll [bestanden]. Und die gingen von Klehr aus, die Konflikte. Nämlich Klehr hat sich gegen Molls Auschwitz-Methoden gewehrt.

Vorsitzender Richter:

Brutalität, ja.

Zeuge Jan Farber:

Aber das Nachspiel kannte ich nicht. Ich wußte nur, daß sie sich sehr scharf gegenüberstanden und daß sich Klehr sehr gegen diese Methoden, gegen die Einführung dieser Methoden von Moll in Gleiwitz, hat [unverständlich] lassen. Das habe ich, auch ohne befragt zu werden, geschildert. Ob er

Vorsitzender Richter [unterbricht]:

Weitere Fragen

Zeuge Jan Farber [unterbricht]:

Es ist auch leicht möglich, daß auch das wahr ist, was Klehr sagt. Aber ich hatte keine Kenntnis davon.

Vorsitzender Richter:

Sie hatten keine Kenntnis davon.

Angeklagter Klehr:

Herr Zeuge, ist es richtig, Sie haben vorhin schon bekundet von meinem Besuch meiner Frau in Gleiwitz.

Vorsitzender Richter:

Ja, was soll

Angeklagter Klehr [unterbricht]:

Daß Sie mit meiner Frau allein in dem Zimmer waren in meiner Unterkunft und mit meiner Frau gesprochen hatten. Und daraufhin hatten Sie meine Frau gebeten, Sie möchte mir gut zureden, daß ich mich von Gleiwitz nicht wegmelde. Und danach fragte meine Frau, weshalb. Da hatten Sie gesagt: »Wenn der Oberscharführer Klehr von Gleiwitz weggeht, kommen wir nicht mehr lebend aus dem Lager.« War das nicht so?

Zeuge Jan Farber:

Ich habe das nicht geschildert, Klehr.

Angeklagter Klehr:

Nein, ich meine, war das nicht so gewesen? Wo meine Frau zu Besuch in Gleiwitz war, daß Sie mit meiner Frau in meiner Unterkunft zusammen waren und gesprochen haben. Und daraufhin hatten Sie meine Frau gebeten, sie solle mir gut zureden, daß ich mich nicht wegmelden soll von Gleiwitz, sonst kämen Sie und verschiedene andere nicht mehr lebend aus dem Lager.

Zeuge Jan Farber:

Nein, diese Art Gespräch hatte ich mit Frau Klehr nicht geführt. Ich sagte, sie war sehr liebenswürdig zu mir gewesen, und sie hat auch nicht danach gefragt, was Klehr in Auschwitz gemacht hatte. Ich sagte ihr, daß Klehr mich da in Gleiwitz schützt, daß ich ihm sehr dankbar bin, daß er gutwillig zu uns Häftlingen ist. Daß sie ihm nicht erlauben soll wegzugehen, da habe ich keine...

Angeklagter Klehr:

Herr Zeuge, ich habe das ja bloß von meiner Frau erfahren, daß Sie meine Frau gebeten haben, ich soll mich nicht wegmelden. [...] So hat sie es mir erzählt.

Zeuge Jan Farber:

Ich will es nicht bestreiten, weshalb, Klehr, denn ihre Frau war ja so anständig gewesen, und ich kann es nicht vermuten, daß sie gelogen hat und ich

Vorsitzender Richter [unterbricht]:

Also er hält es für möglich, daß dies so gewesen ist.

Zeuge Jan Farber:

Ist möglich, ja. Ich kann nicht glauben, daß die Frau Klehr etwas...

Vorsitzender Richter:

Unrechtes gesagt hat.

Zeuge Jan Farber:

Unrechtes gesagt hätte.

Angeklagter Klehr:

Herr Farber, jetzt möchte ich Sie noch mal bitten, ehrlich zu sein: daß ich in Gleiwitz keine Selektionen durchgeführt habe. Ich war eher das Gegenteil. Die Häftlinge, die sich gemeldet haben, ich habe sie sogar noch im Lager aufmerksam gemacht, weil Sie mir ja etliche Nachrichten vom Lager immer mitgeteilt haben, daß das und das passiert ist. Darauf bin ich ja erst immer rangekommen an die Sachen. Ich habe ja vieles von selbst nicht gewußt. Durch Ihre Mitteilungen von den Häftlingsärzten bin ich ja erst hinter verschiedene Sachen gekommen. Und dann habe ich doch eingehakt in der Sache. Und die Häftlinge, die sich krank gemeldet haben, ob das ein jüdischer war oder andere, das war mir gleich, welche Person das war. Wenn mir der Häftlingsarzt gemeldet hatte: »20 oder 30 Häftlinge haben sich krank gemeldet, die sind in den HKB aufzunehmen«, dann habe ich beim Lagerführer durchgesetzt, daß die Häftlinge nach dem Krankenbau verlegt wurden und so lange im Krankenbau blieben, bis sie wiederhergestellt waren. Ich habe, wie Sie schon erzählt haben, mit dem Doktor Fischer und Doktor König öfters Auseinandersetzungen gehabt, weil es sonst

Vorsitzender Richter [unterbricht]:

Ja, also Herr Klehr, das hat der Zeuge ja alles geschildert. Der Zeuge hat zwei Fälle der Selektion geschildert: den einen Fall, wo zwei Leute wieder gestrichen worden sind, und den andern Fall, wo Sie die Häftlinge selbst in die Gaskammer gebracht haben. Stimmt es, Herr Zeuge?

Zeuge Jan Farber:

Jawohl.

Vorsitzender Richter:

Und bleiben Sie bei diesen beiden Fällen?

Zeuge Jan Farber:

Ja, ich bleibe bei diesen beiden.

Vorsitzender Richter:

Klehr bestreitet das. [...] Aber Sie bleiben dabei?

Zeuge Jan Farber:

Ich bleibe dabei, aber ich gebe auch das zu, daß ich dem Klehr ganz offen immer sagen konnte, hier und da wurde ein Häftling geschlagen. Das hat auch der Häftlingsarzt gemacht, auch ich konnte das. Und ich bestätige, Klehr hat immer sehr energisch eingegriffen. Das ist auch eine Tatsache.

Angeklagter Klehr:

Ja. Ich habe keine Selektion durchgeführt, Herr Direktor.

Vorsitzender Richter:

Ja, das haben Sie uns bereits gesagt. Haben die Angeklagten sonst noch Fragen? Boger.

Angeklagter Boger:

Ich habe keine Frage. Eine kurze Erklärung: Ich habe in Auschwitz kein Kind und keinen Häftling erschossen.

Vorsitzender Richter:

Dylewski.

Angeklagter Dylewski:

[unverständlich] erklären, daß sich der Zeuge irrt, wenn er [unverständlich][10]

Vorsitzender Richter:

Der Angeklagte Dylewski hat gesagt, er möchte nur erklären, daß der Zeuge sich irre, wenn er behaupte, Dylewski sei derjenige gewesen, der diese Familie erschossen habe. Sie bleiben aber dabei?

Zeuge Jan Farber:

Ich bleibe dabei, Herr

Vorsitzender Richter [unterbricht]:

Und insbesondere bleiben Sie dabei, daß es nicht nur der Name war, der Ihnen damals bekannt war, sondern das Gesicht.

Zeuge Jan Farber:

Nein, ohne Namen, das Gesicht. Ja, wie vielleicht das Gericht beobachten konnte, ich möchte ungern – zum Beispiel bei Klehr kann ich mich nicht erinnern, ob es zwei oder drei Häftlinge waren, die er in die Gaskammer geführt hat. Ich sagte lieber drei, Herr Direktor. Da der Dylewski hier so saß, und er müßte es auch gemerkt haben, daß ich ihn hier so sehr angesehen habe. Sein Antlitz hier hat mir mein Gedächtnis wieder aufgefrischt. Ich habe doch in meiner schriftlichen Aussage nichts darüber gesagt. Und wenn ich ihn nicht hier gehabt hätte, sondern vielleicht hinter mir, würde ich bestimmt nicht darüber gesprochen haben. [...]

Verteidiger Laternser:

Eine Frage, Herr Vorsitzender.

Vorsitzender Richter:

Bitte sehr.

Zeuge Jan Farber:

Ja.

Verteidiger Laternser:

Herr Zeuge, derjenige, der damals die Erschießung durchführte, trug der eine Brille?

Zeuge Jan Farber:

[Pause] Bei Klehr kann ich es sehr leicht sagen. Er trug keine Brille. Denn den kannte ich von der Nähe, täglich war ich mit ihm zusammen gewesen. Aber

Verteidiger Laternser [unterbricht]:

Ich frage: Hat er eine Brille getragen?

Zeuge Jan Farber:

Ich kann mich nicht daran erinnern. Ich kenne das Antlitz des Klaus hier. Ob er damals schon eine Brille trug, kann ich nicht mit Sicherheit behaupten.

Vorsitzender Richter:

Werden bezüglich der Beeidigung Anträge gestellt? Herr Zeuge, sind Sie bereit, das, was Sie gesagt haben, mit gutem Gewissen zu beschwören?

Zeuge Jan Farber:

Natürlich, jawohl.

  1. Vgl. kommissarische Vernehmung vom 03.04.1964 in Prag, 4 Ks 2/63, Hauptakten, Bd. 92, Bl. 18.073.
  2. Der Zeuge Farber fertigte eine Handskizze der »Arbeitsstelle des Angeklagten Klehr«. Vgl. Protokoll der Hauptverhandlung vom 02.10.1964, 4 Ks 2/63, Hauptakten, Bd. 103, Anlage 1.
  3. Vgl. kommissarische Vernehmung vom 03.04.1964 in Prag, 4 Ks 2/63, Hauptakten, Bd. 92, Bl. 18.076.
  4. Vgl. kommissarische Vernehmung vom 03.04.1964 in Prag, 4 Ks 2/63, Hauptakten, Bd. 92, Bl. 18.077.
  5. Reichsbahnausbesserungswerk.
  6. SS-Hauptscharführer Otto Moll wurde durch SS- Oberscharführer Friedrich Jensen und durch SS-Oberscharführer Richard Stolten abgelöst. Vgl. Auschwitz 1940-1945, Bd. I, S. 138.
  7. Vgl. kommissarische Vernehmung vom 03.04.1964 in Prag, 4 Ks 2/63, Hauptakten, Bd. 92, Bl. 18.082.
  8. Vgl. kommissarische Vernehmung vom 03.04.1964 in Prag, 4 Ks 2/63, Hauptakten, Bd. 92, Bl. 18.082.
  9. Phonetisch geschrieben; gemeint ist Klaus Dylewski.
  10. Nebenklagevertreter Ormond stellte den Antrag auf Wiedervollzugsetzung des Haftbefehls gegen den Angeklagten Dylewski. Auf Beschluß des Gerichts wurde der Haftbefehl wieder in Vollzug gesetzt. Vgl. Protokoll der Hauptverhandlung vom 05.10.1964, 4 Ks 2/63, Hauptakten, Bd. 103, Bl. 764, 766.
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