Zeuge Ludwig Damm
1. Frankfurter Auschwitz-Prozess
»Strafsache gegen Mulka u.a.«, 4 Ks 2/63
Landgericht Frankfurt am Main
80. Verhandlungstag, 21.8.1964
Vernehmung des Zeugen Ludwig Damm
Vorsitzender Richter:
meiner Pflicht gemäß auf die Bedeutung und die Wichtigkeit des Eides aufmerksam machen und Sie vor den Strafen des Meineides verwarnen. Halten Sie sich in allen Teilen Ihrer Aussage unbedingt an die Wahrheit. Ihr Eid bezieht sich auch auf die Angaben über Ihre Person, also auf Ihre Personalien. Sollten Sie eine Frage beantworten müssen, durch deren wahrheitsgemäße Beantwortung Sie sich selbst einer strafbaren Handlung bezichtigen müßten, haben Sie das Recht, die Aussage zu verweigern.
Zeuge Ludwig Damm:
Ja.
Vorsitzender Richter:
Sie heißen mit Vornamen Ludwig?
Zeuge Ludwig Damm:
Ludwig Damm, ja.
Vorsitzender Richter:
Wie alt?
Zeuge Ludwig Damm:
53.
Vorsitzender Richter:
53 Jahre alt.
Zeuge Ludwig Damm:
Ja.
Vorsitzender Richter:
Sind Sie schon 53?
Zeuge Ludwig Damm:
Jawohl, am 15.8.
Vorsitzender Richter:
Am 15.8. 53 Jahre alt. Von Beruf?
Zeuge Ludwig Damm:
Verwaltungsbeamter.
Vorsitzender Richter:
Verwaltungsbeamter.
Zeuge Ludwig Damm:
Hauptsekretär.
Vorsitzender Richter:
Hauptsekretär?
Zeuge Ludwig Damm:
Ja.
Vorsitzender Richter:
Sie wohnen in Morlautern?
Zeuge Ludwig Damm:
Morlautern bei Kaiserslautern.
Vorsitzender Richter:
Bei Kaiserslautern. Sind Sie verwandt oder verschwägert mit den Angeklagten?
Zeuge Ludwig Damm:
Nein.
Vorsitzender Richter:
Nein. Herr Damm, Sie sind im Jahr 1931 in die SA und die NSDAP eingetreten, haben dann im Juli 33 gewechselt und sind zur SS übergetreten.
Zeuge Ludwig Damm:
Ja, ja.
Vorsitzender Richter:
Was war damals der Grund dafür, daß Sie zur SS gegangen sind?
Zeuge Ludwig Damm:
Ja, was soll ich da sagen? Ich habe einen Freund gehabt, einen Kameraden, der hat mir das geschildert, daß hier doch die SS etwas ganz Besonderes [sei], etwas Reines, etwas Hehres, man darf keine Strafe haben. Und in dem guten Glauben, als Idealist, bin ich da beigetreten.
Vorsitzender Richter:
Sie sind dann im Jahr 36 Scharführer gewesen.
Zeuge Ludwig Damm:
Ja.
Vorsitzender Richter:
Und wurden im gleichen Jahr Bürgermeister in Morlautern.
Zeuge Ludwig Damm:
Ja, 36, ja.
Vorsitzender Richter:
Im Jahr 36, ja. Nach dem Krieg sind Sie erneut dort wieder zum Bürgermeister gewählt
Zeuge Ludwig Damm [unterbricht]:
Im Jahre 52.
Vorsitzender Richter:
Waren Sie wieder Bürgermeister?
Zeuge Ludwig Damm:
Ja, ja.
Vorsitzender Richter:
Und, sagen Sie, wieviel Personen waren für die Wahl des Bürgermeisters dort verantwortlich?
Zeuge Ludwig Damm:
Ja
Vorsitzender Richter [unterbricht]:
War da nicht ein Ausschuß, der den Bürgermeister gewählt hat?
Zeuge Ludwig Damm:
Der Gemeinderat, ja.
Vorsitzender Richter:
Der Gemeinderat?
Zeuge Ludwig Damm:
Ja.
Vorsitzender Richter:
Und der bestand aus wieviel Mitgliedern?
Zeuge Ludwig Damm:
Aus 15 Mitgliedern.
Vorsitzender Richter:
Aus 15 Mitgliedern.
Zeuge Ludwig Damm:
Ja.
Vorsitzender Richter:
Und wieviel von diesen 15 Mitgliedern haben sich entschlossen, Sie zum Bürgermeister zu wählen?
Zeuge Ludwig Damm:
Ich glaube, es waren 13.
Vorsitzender Richter:
12 oder 13.
Zeuge Ludwig Damm:
Also genau weiß ich es auch nicht mehr.
Vorsitzender Richter:
Ja. Und waren die in der Partei unterschiedlich? Oder waren
Zeuge Ludwig Damm [unterbricht]:
Ja, das war SPD, war eine katholische Liste, also eine bürgerliche Liste, noch mal eine rein evangelische Liste.
Vorsitzender Richter:
Ja.
Vorsitzender Richter:
Also jedenfalls, es waren
Zeuge Ludwig Damm [unterbricht]:
Verschiedene Gruppen.
Vorsitzender Richter:
Verschiedene Gruppen, [...] die sie damals wieder zum Bürgermeister gewählt haben.
Nun, Herr Damm, wann sind Sie bei der Waffen-SS eingerückt?
Zeuge Ludwig Damm:
Im August 1941.
Vorsitzender Richter:
41. Und zwar zu welchem Regiment?
Zeuge Ludwig Damm:
Zum Artillerieregiment nach München.
Vorsitzender Richter:
Nach München-Freimann.
Zeuge Ludwig Damm:
Freimann, ja.
Vorsitzender Richter:
Ja. Und wie sind Sie dorthin gekommen, zu dieser Waffen-SS? War das Ihr Wunsch?
Zeuge Ludwig Damm:
Nein. Ich bekam also Vordrucke übersandt. Gestatten Sie, Hohes Gericht, darf ich meine Unterlagen zur Hand nehmen, ich habe [...] mir verschiedene Notizen gemacht. [Pause] 1940 lag ich sechs Wochen lang im Krankenhaus in Ludwigshafen wegen einer Gefäßkrankheit. Und im Januar 41 bekam ich Formblätter übersandt von der Waffen-SS, von dem Ergänzungsamt in Wiesbaden, ich soll hier die Bogen ausfüllen und soll mich zur Untersuchung melden. Und mit diesen Unterlagen bin ich zum...
Vorsitzender Richter:
Wehrbezirkskommando.
Zeuge Ludwig Damm:
Wehrbezirkskommando gegangen. Und aufgrund meiner vorhergegangenen Krankheit haben die die Unterlagen im Krankenhaus angefordert, und ich wurde dann erneut durch die Wehrmacht gemustert, also untersucht. Und das Wehrmeldeamt hat die ganzen Unterlagen der Waffen-SS zurückgeschickt. [...] Und daraufhin...
Vorsitzender Richter:
Bekamen Sie das Schreiben vom 1. Februar 41.
Zeuge Ludwig Damm:
Ja. Ja. Wurde mir Disziplinlosigkeit vorgeworfen, und ich wurde dann auch anschließend protokollarisch vernommen und bekam dann eine Strafe.
Vorsitzender Richter:
Worin bestand die Strafe?
Zeuge Ludwig Damm:
In einem Verweis.
Vorsitzender Richter:
Ja.
Zeuge Ludwig Damm:
Ja. Eigentlich, Hohes Gericht, muß ich etwas zurückschalten. Seit dem Jahre 36 habe ich eigentlich keinen Dienst mehr gemacht bei der SS. Ich habe im selben Jahr geheiratet und mußte meinen Ahnennachweis vorlegen, und zwar dem Rasse- und Siedlungshauptamt in Berlin. Von dort aus bekam ich dann die Mitteilung, daß eine Heiratsgenehmigung nicht erteilt werden kann, da ich verdächtigt wurde, jüdische Vorfahren zu haben. Und trotzdem habe ich natürlich geheiratet, und auch dort wurde ich wieder vorgeladen, wurde wieder vernommen. Aber seit dieser Zeit also habe ich keinen Dienst mehr gemacht.
Vorsitzender Richter:
Ja. Also Sie haben den Brief bekommen vom 1. Februar, damals hat man Sie einer schweren Disziplinlosigkeit beschuldigt und hat Ihnen erneut Vordrucke geschickt, die Sie dann ausgefüllt haben. Und so kam es, daß Sie zur Waffen-SS eingezogen wurden.
Zeuge Ludwig Damm:
Ja.
Vorsitzender Richter:
Ja. Sie sind dann von dem Ersatzbataillon in München-Freimann wohin gekommen?
Zeuge Ludwig Damm:
Ich war ungefähr ein Jahr lang bei dem Artillerieregiment. Aufgrund dieses Gefäßleidens wurde ich also für Bürotätigkeit
Vorsitzender Richter [unterbricht]:
DvH geschrieben.
Zeuge Ludwig Damm:
Ja, für Bürotätigkeit geschrieben und habe dann eine Verwaltungsausbildung mitgemacht. Eines Tages hat mir der Batteriechef mitgeteilt, daß Leute gesucht werden, also die nicht frontverwendungsfähig sind, zum Aufbau einer kommunalen Verwaltung. Er hat mir das mitgeteilt, daß er mich nach Berlin gemeldet habe.
Vorsitzender Richter:
Ja.
Zeuge Ludwig Damm:
Und so kam ich Anfang August 1942 nach Auschwitz zum Aufbau der Bürgermeisterei. Das ganze Gelände sollte einen sogenannten Wehrmachtsgutsbezirk bilden, also das damalige Deutsche Reich ist [Eigentümer] des gesamten Grund und Bodens, und wurde verwaltet vom Fiskus Waffen-SS. Das war genau wie hier im Reich die Truppenübungsplätze, die ja mitunter auch eine eigene kommunale Verwaltung gehabt haben. Diese Verwaltungsbeamte, das waren Militärverwaltungsbeamte. Den Begriff, ich glaube, hat man bei der Waffen-SS nicht gekannt. Und so kam ich da hin zum Aufbau dieser Bürgermeisterei. In diesem Gebiet lagen sieben Dörfer, die dem Landrat in Bielitz unterstanden und vollkommen getrennt waren von dem Konzentrationslager.
Vorsitzender Richter:
Ja. Das war also eine reine zivile Angelegenheit.
Zeuge Ludwig Damm:
Ja.
Vorsitzender Richter:
Nun, bei wem haben Sie sich denn in Auschwitz gemeldet?
Zeuge Ludwig Damm:
Ich mußte mich bei dem Leiter der Verwaltung, das war Sturmbannführer oder Obersturmbannführer Burger, melden.
Vorsitzender Richter:
Ja.
Zeuge Ludwig Damm:
Ja. Die mußten ja eine Genehmigung haben, daß ich da abkommandiert [+ bin] – das heißt, ich bin sowieso über das Wirtschafts-Verwaltungshauptamt dorthin abkommandiert worden –, aber zur Ausübung meiner Tätigkeit die Genehmigung des Landrates einholen in Bielitz.
Vorsitzender Richter:
Ja.
Zeuge Ludwig Damm:
Ja.
Vorsitzender Richter:
Und
Zeuge Ludwig Damm [unterbricht]:
Über die Eigenart, Hohes Gericht, des Amtsbezirks liegt auch ein Gutachten vor.
Vorsitzender Richter:
Ja. Nun wollen wir Sie folgendes fragen. Sie haben sich also zunächst bei diesem Burger gemeldet, dem Verwaltungsführer?
Zeuge Ludwig Damm:
Ja, ja.
Vorsitzender Richter:
Was hat er Ihnen denn gesagt, was Sie machen sollen?
Zeuge Ludwig Damm:
Ja, er hat sich vor allen Dingen einmal interessiert [für] das ganze Gemeindewesen, über Kommunalwesen. Und solange, bis die Genehmigung des Landrates für die Ausübung meiner Tätigkeit da war, wurde
Vorsitzender Richter [unterbricht]:
Nicht da war. [...]
Zeuge Ludwig Damm:
Solange sie nicht da war, wurde ich dann der Häftlingsgeldverwaltung zugeteilt.
Vorsitzender Richter:
Der Häftlingsgeldverwaltung.
Zeuge Ludwig Damm:
Ja.
Vorsitzender Richter:
Was verstand man darunter?
Zeuge Ludwig Damm:
Ja, genau wie auf einer Bank, da wurden Konten geführt. Also Häftlinge, die Geld eingezahlt haben oder das von Angehörigen geschickt wurde, die wurden ordnungsgemäß gebucht. Und jeden Monat war eine Auszahlung in Form von...
Vorsitzender Richter:
Gutscheinen.
Zeuge Ludwig Damm:
Von Gutscheinen, ja.
Vorsitzender Richter:
Sagen Sie bitte, konnte jeder Häftling sich da Geld schicken lassen?
Zeuge Ludwig Damm:
Ja, also das kann ich auch nicht genau sagen. Es waren Menschen verschiedener Nationen, das habe ich festgestellt.
Vorsitzender Richter:
Waren auch Juden drunter?
Zeuge Ludwig Damm:
Also das kann ich nicht hundertprozentig sagen.
Vorsitzender Richter [unterbricht]:
Wissen Sie nicht. Ihre Tätigkeit bezog sich aber insbesondere auf welche Art von Häftlingen?
Zeuge Ludwig Damm:
Das waren Frauen.
Vorsitzender Richter:
Weibliche Häftlinge.
Zeuge Ludwig Damm:
Frauen, ja.
Vorsitzender Richter:
Ja. Und wo haben Sie Ihren Dienst ausgeübt?
Zeuge Ludwig Damm:
In der Standortverwaltung.
Vorsitzender Richter:
Standortverwaltung.
Zeuge Ludwig Damm:
Ja, ja.
Vorsitzender Richter:
War die außerhalb des engeren Lagerzauns?
Zeuge Ludwig Damm:
Ja, das war vor dem Lagerzaun.
Vorsitzender Richter:
Ja?
Zeuge Ludwig Damm:
Ja.
Vorsitzender Richter:
Und Sie hatten also dort diese Konten zu führen, das Geld zu verwalten, eventuell auch Gutscheine herauszuschreiben. Und wie haben Sie diese Gutscheine nun den Häftlingen gebracht?
Zeuge Ludwig Damm:
Ja, da war ein Tag festgesetzt jeden Monat, und also durch den Geldverwalter oder Kassenverwalter bekamen wir die ausgehändigt gegen Quittung. Und dann wurden die ausbezahlt, also je nach dem, was entsprechend auf dem Konto war und was die Betreffende...
Vorsitzender Richter:
Haben wollte.
Zeuge Ludwig Damm:
Haben wollten, verlangt haben, ja.
Vorsitzender Richter:
Und wo sind Sie da hingegangen zu diesem Zweck, um das zu machen?
Zeuge Ludwig Damm:
Ja, das waren so Steinbauten, also genau
Vorsitzender Richter [unterbricht]:
War das im Lager selbst?
Zeuge Ludwig Damm:
Ja, das war im Lager selbst.
Vorsitzender Richter:
Wie sind Sie denn da reingekommen?
Zeuge Ludwig Damm:
Ja, da war ein Posten dabei oder irgend so, ich weiß auch nicht mehr.
Vorsitzender Richter:
Sie hatten damals noch den Rang des Scharführers?
Zeuge Ludwig Damm:
Nein, nein.
Vorsitzender Richter:
Sondern?
Zeuge Ludwig Damm:
Sturmmann.
Vorsitzender Richter:
Sturmmann?
Zeuge Ludwig Damm:
Ja, ja.
Vorsitzender Richter:
Und von wem mußten Sie denn die Erlaubnis haben, da reinzugehen in das Lager?
Zeuge Ludwig Damm:
Ja, das weiß ich auch nicht, von wem. Das war alles organisiert, nicht. Also unser Chef, unser Abteilungsleiter war ja
Vorsitzender Richter [unterbricht]:
Das war Burger?
Zeuge Ludwig Damm:
Ja, das war der Leiter der Gesamtverwaltung.
Vorsitzender Richter:
Ja?
Zeuge Ludwig Damm:
Ja.
Vorsitzender Richter:
Und wer war Ihr Abteilungsleiter?
Zeuge Ludwig Damm:
Das war der Obersturmführer Krätzer.
Vorsitzender Richter:
Krätzer.
Zeuge Ludwig Damm:
Ja.
Vorsitzender Richter:
Und der hat Sie dorthin geschickt?
Zeuge Ludwig Damm:
Ja. Das war eine ganze Abteilung, die so Konten geführt hat, nicht.
Vorsitzender Richter:
Ja. Und
Zeuge Ludwig Damm [unterbricht]:
Also die Organisation, wie das war, das
Vorsitzender Richter [unterbricht]:
Und wenn Sie nun also da hinein mußten, ins Lager, wo haben Sie sich da gemeldet? Vorn bei der Blockführerstube oder?
Zeuge Ludwig Damm:
Ja, da stand schon jemand, nicht.
Vorsitzender Richter:
Ja.
Zeuge Ludwig Damm:
Ich weiß nicht, das war irgendwas. Wer das war, weiß ich auch nicht. Und die sind dann mitgegangen und, glaube ich, es war noch ein Posten dabei.
Vorsitzender Richter:
Allein durften Sie nicht ins Lager?
Zeuge Ludwig Damm:
Nein, allein nicht. Irgendein Raum war da schon vorgerichtet. Die Frauen kamen. Da hat ein Tisch gestanden, da haben wir unser Kartenblatt da hingelegt, die Bons. Und die Frauen, die kamen da und...
Vorsitzender Richter:
Haben sich die Bons abgeholt?
Zeuge Ludwig Damm [unterbricht]:
Haben ihren Namen genannt und haben...
Vorsitzender Richter:
Die Bons abgeholt.
Zeuge Ludwig Damm [unterbricht]:
Gegen Unterschrift die Bons in Empfang genommen.
Vorsitzender Richter:
War das nur in einem Bau, wo das vor sich ging? Oder waren Sie da in verschiedenen Gebäuden.
Zeuge Ludwig Damm:
Herr Vorsitzender, also das weiß ich auch nicht mehr so genau.
Vorsitzender Richter [unterbricht]:
Wissen Sie nicht mehr? Waren das
Zeuge Ludwig Damm [unterbricht]:
Das war nur eine
Vorsitzender Richter [unterbricht]:
Kranke Frauen, die da drin waren?
Zeuge Ludwig Damm:
Nein. Also, das...
Vorsitzender Richter:
Wissen Sie, ob neben diesem Bau die Arrestzellen waren, das Häftlingsarrestlokal?
Zeuge Ludwig Damm:
Das kann ich nicht sagen.
Vorsitzender Richter:
Das wissen Sie auch nicht.
Zeuge Ludwig Damm:
Herr Vorsitzender, das war so eine kurze Zeit, das waren ja nur praktisch einige Wochen, die ich dort war.
Vorsitzender Richter:
Nachdem Sie also diese Wochen diese Tätigkeit vollbracht hatten, sind Sie was geworden? Was haben Sie für eine Tätigkeit bekommen?
Zeuge Ludwig Damm:
Im September 42, da kam ich dann ins Lazarett, da habe ich irgendeine Fieberkrankheit bekommen. Und im November und Dezember habe ich den Landrat meines Heimatkreises angeschrieben und habe ihn gebeten, er möchte ein Arbeitsgesuch einreichen für mich. Und das ist auch durchgegangen, so war ich im November und Dezember nicht mehr da.
Vorsitzender Richter:
Im November, Dezember waren Sie nicht mehr da.
Zeuge Ludwig Damm [unterbricht]:
Dezember 42 war ich nicht da.
Vorsitzender Richter:
Sondern wo waren Sie da?
Zeuge Ludwig Damm:
Da war ich dann zu Hause. [...]
Vorsitzender Richter:
Und zwar haben Sie zu Hause in der städtischen Verwaltung wieder gearbeitet?
Zeuge Ludwig Damm:
Ja, auf der Gemeindeverwaltung.
Vorsitzender Richter:
In Morlautern?
Zeuge Ludwig Damm:
In Morlautern, ja.
Vorsitzender Richter:
Das waren zwei Monate?
Zeuge Ludwig Damm:
Ja, acht Wochen waren es.
Vorsitzender Richter:
Acht Wochen.
Zeuge Ludwig Damm:
Circa acht Wochen. [...]
Vorsitzender Richter:
Das war um die Jahreswende 42 auf 43?
Zeuge Ludwig Damm:
Ja.
Vorsitzender Richter:
Und als Sie zurückkamen?
Zeuge Ludwig Damm:
Da hatte ich noch eine Sache anhängig. Ich war erschüttert, wie ich die Frauen da gesehen habe. Ich habe gar nicht gewußt, daß man überhaupt Frauen einsperrt. Und ich war derart erschüttert [+ darüber und über das], was man noch so gehört hat. Und deswegen habe ich auch den Landrat angeschrieben und habe ihn gebeten, er möchte ein Arbeitsgesuch einreichen und sollte mir helfen, daß ich aus dieser Umgebung wegkomme. Der Landrat, Oberregierungsrat Müller aus Kaiserslautern, hat das auch getan, und ich habe dem Mann nun geschildert, was ich so gehört habe.
Ich habe es auch in meiner Heimat gesagt. Ich habe aus meiner inneren Empörung kein Hehl gemacht. Und ich war entsetzt, ich war schockiert, und das Ende vom Lied war: Gute Freunde haben mich bei der Wehrmachtsstandortkommandantur in Kaiserslautern wegen defätistischer Äußerungen beanzeigt. Ich wurde vorgeladen zur Wehrmachtsstandortkommandantur, und der Gerichtsoffizier, ein Hauptmann Marschall, – es war zum Glück ein guter Bekannter von mir, er war Lehrer von Beruf, ich habe ihn gekannt – war erschüttert. Er sagte: »Sie sind es? Was mache ich da?« Sagte er: »Damm, Sie sind beanzeigt. Sie haben Aussagen gemacht.« Ich hätte eine starke Beunruhigung in die Bevölkerung getragen. Ich hätte die »kriegsfreudige Stimmung untergraben«. So hat wörtlich die Anzeige gelautet. »Also, Herr Marschall, ja«, so und so, »ich habe das gesagt.«
Und da sagt er: »Ich muß die Meldung weitergeben. Der Standortkommandant, der General, besteht darauf.« »Also, Herr Marschall, wissen Sie, was das für mich bedeutet?« Sagt er: »Es tut mir leid.« Und dann hat er mir noch Instruktionen gegeben, wie ich mich zu verhalten habe.
Und so fuhr ich dann frühzeitig weg. Ich wurde unterdessen auch noch gewarnt. Der SD oder die Gestapo hat sich noch eingeschaltet, also man hatte mir gedroht dort schon zu Hause mit Verhaftung. Ich wurde als Verräter hingestellt. Die Menschen haben ausgespuckt. Und so fuhr ich dann rüber und habe mich gemeldet.
Vorsitzender Richter:
Bei wem?
Zeuge Ludwig Damm:
Bei Hauptsturmführer Mulka.
Vorsitzender Richter:
Warum?
Zeuge Ludwig Damm:
Ja, der Gerichtsoffizier hat mir gesagt, ich muß mich melden, wenn ich da rüberkomme.
Vorsitzender Richter:
Ja, aber Ihr Vorgesetzter war doch Burger.
Zeuge Ludwig Damm:
Ja, das muß der Gerichtsoffizier gewesen sein. Ich weiß ja auch nicht.
Vorsitzender Richter:
Mulka?
Zeuge Ludwig Damm:
Ja, ich nehme es an. Ich weiß es nicht. Jedenfalls bin ich dorthin verwiesen worden. Ich bin auf die Kommandantur gegangen. Ich habe Burger Bescheid gesagt, oder irgend jemand, ich weiß jetzt nicht, ob er da war, und wurde dann zur Kommandantur verwiesen, ins Vorzimmer zum Spieß oder irgend jemandem, und dann wurde ich Herrn Mulka vorgeführt.
Vorsitzender Richter:
Und wie ging es nun weiter?
Zeuge Ludwig Damm:
Ich habe Hauptsturmführer Mulka geschildert, das und das ist mir passiert. Und die Meldung war noch nicht da, und Herr Mulka ist aufgestanden und hat gesagt, ich wäre ein Landesverräter. Und sobald die Meldung einlaufe, käme ich vor das Militärgericht.
Ich war natürlich erschüttert. Ich habe mich sofort mit Herrn Krätzer in Verbindung gesetzt. Und ich glaube, daß ich auch dem Mann mein Leben zu verdanken habe. Tagelang ist es hin- und hergegangen. Ich weiß es nicht mehr genau, nach einigen Tagen ist dann Herr Krätzer gekommen und hat gesagt: »Damm, ich glaube, wir haben es geschafft.« Und da wurde ich vorgeladen. Ah, jetzt fällt es mir ein: Herr Krätzer hat irgendeinen Vorfall gewußt auch von einem Offizier, der auch so gedacht hat und geschimpft hat. Und dessen Sache wurde niedergeschlagen. Und da hat der Herr Krätzer gesagt: Wenn der Damm vor das Militärgericht kommt, dann stellt er Antrag, daß der Fall auch aufgegriffen wird. Und daraufhin wurde ich dann vorgeladen zur Gerichtsabteilung. Es standen einige Männer drin, und einer sagte, ich soll herkommmen, soll unterschreiben, und er gratuliert mir zu meinem neuen Geburtstag. Und den Strafbefehl habe ich noch hier.
Vorsitzender Richter:
Zeigen Sie mal vor. [Pause] Danke schön. Der Zeuge überreicht die beglaubigte Abschrift einer Urkunde, die folgenden Wortlaut hat: »Konzentrationslager Auschwitz, der Kommandant, Auschwitz, den 5. Januar 1943. An den SS-Sturmmann Ludwig Damm, Auschwitz. Ich bestrafe Sie gemäß DBO für den mobilen Zustand § 8, Absatz C, Ziffer 2 mit einem strengen Verweis, weil Sie während Ihres Urlaubs entgegen den bestehenden Befehlen und Vorschriften handelten. Begründung: Während Ihres Urlaubs in Dezember 1942 unterhielten Sie sich mit Soldaten und Parteigenossen über das Judenproblem und tätigten hierbei Äußerungen über die Lösung der Judenfrage in Auschwitz. Durch dieses Verhalten, welches unter Umständen geeignet war, Unruhe in die Bevölkerung zu bringen, handelten Sie entgegen den Ihnen bekannten Befehlen. Ich habe lediglich aufgrund Ihrer bisherigen einwandfreien Führung und einer anderweitigen guten Beurteilung von einer strengeren Bestrafung abgesehen und erwarte, daß Ihnen dieser Vorfall als Lehre für die Zukunft dienen wird.« Folgt das Siegel, Unterschrift, »gezeichnet Höß, SS-Obersturmbannführer und Kommandant. Für die Richtigkeit der Abschrift: Landratsamt Kaiserslautern«, folgt die Unterschrift.[1]
Staatsanwalt Kügler:
Herr Vorsitzender, darf ich bei dieser Gelegenheit die Fotokopie aus den in Polen befindlichen Personalakten des Zeugen Damm vorlegen, damit das Gericht Gelegenheit hat, zu vergleichen, ob diese Fotokopie mit der Verfügung übereinstimmt? Und hier in dieser Fotokopie ist noch ein Zusatz, dessen Verlesung ich beantragen möchte. Da ist nämlich das Datum angegeben, an dem ihm die Strafverfügung bekanntgegeben worden ist. Das ist immerhin wichtig im Hinblick darauf, um festzustellen, ob und wann der Angeklagte Mulka im Lager war beziehungsweise wann er krank war.
Vorsitzender Richter:
[Pause] Also, es ist hier vorgelegt worden eine Fotokopie des Originals des Schreibens, das hier in beglaubigter Abschrift mir vorgelegen hat. Und zwar ist der Inhalt derselbe, es ist die Originalunterschrift von Höß mit fotokopiert, und dann ist unten drunter noch geschrieben: »Meine Bestrafung mit einem strengen Verweis laut Verfügung des Kommandanten vom 5.1.43 wurde mir bekanntgegeben und die Strafverfügung ausgehändigt. Auschwitz, den 5. Januar 43, Ludwig Damm.«[2]
Zeuge Ludwig Damm:
Ich habe das Original auch hier, Hohes Gericht.
Vorsitzender Richter:
Dann geben Sie es her. Sie bekommen es gleich wieder. Die Fotokopie wurde mit dem von dem Zeugen vorgelegten Original verglichen, wobei auf der Urkunde, die von dem Zeugen vorgelegt wurde, der Vermerk über die Aushändigung der Strafverfügung nicht enthalten ist.[3] So, ich danke schön.
Staatsanwalt Kügler:
Herr Vorsitzender, ich glaube, in diesem Vermerk über den Zeitpunkt der Aushändigung, da verdeckt der Stempel das Wort »heute«. Ich glaube, es
Vorsitzender Richter [unterbricht]:
»Meine Bestrafung mit einem strengen Verweis wurde mir heute bekanntgegeben und die Strafverfügung ausgehändigt. Am 5. Januar 43.« Nun, Herr Zeuge, ist es denn richtig, daß Sie am selben Tag diese Urkunde ausgehändigt bekommen haben, an dem die Urkunde datiert ist?
Zeuge Ludwig Damm:
Ich wurde vorgeladen und habe das ausgehändigt bekommen. Ich weiß es nicht.
Vorsitzender Richter:
War bei dieser Gelegenheit auch der Angeklagte Mulka dabei?
Zeuge Ludwig Damm:
Nein. Es war im Vorzimmer, also auf dem Geschäftszimmer der Kommandantur oder Gericht
Vorsitzender Richter [unterbricht]:
Wer da dabei war, wissen Sie nicht?
Zeuge Ludwig Damm:
Nein, die Leute kenne ich nicht.
Vorsitzender Richter:
Die kannten Sie nicht?
Zeuge Ludwig Damm:
Nein. Nein.
Vorsitzender Richter:
Sie haben mit Mulka nur einmal gesprochen, nämlich als Sie sich zurückmeldeten und ihm gleich gesagt haben, was los war.
Zeuge Ludwig Damm:
Ja, ja.
Vorsitzender Richter:
Und da hat er gesagt, Sie wären ein Landesverräter und
Zeuge Ludwig Damm [unterbricht]:
Ja, das wäre Landesverrat. Das Wort vergesse ich nie in meinem ganzen Leben.
Vorsitzender Richter:
Und er würde, wenn die Sache käme, [+ Sie] dem Kriegsgericht übergeben?
Zeuge Ludwig Damm:
Ja, vor das Militär- und
Vorsitzender Richter [unterbricht]:
Militär- und Polizeigericht geben.
Zeuge Ludwig Damm:
Ja, ja.
Vorsitzender Richter:
Nachdem Ihnen also nun dieser Verweis erteilt war, wo sind Sie dann weiter beschäftigt worden.
Zeuge Ludwig Damm:
Ja, dann war ich ausschließlich für kommunale Zwecke tätig. Das ging los im Januar. Also davor schon habe ich mit den Vorbereitungsarbeiten begonnen. Draußen in Rajsko wurden in der Nähe des Hygieneinstituts ein Büro oder zwei Büroräume gemietet. Später wurde dann an der Straße zur Lederfabrik ein eigenes Gebäude gebaut, also so eine Luftwaffenbaracke mit Büroräumen, und da war dann der Amtsbezirk untergebracht.
Wir hatten ungefähr sieben weibliche Bedienstete da, also aus Oberschlesien, die uns vom Arbeitsamt zugewiesen wurden. Amtskommissar war in Personalunion der jeweilige Leiter der Standortverwaltung. Es waren auch sieben Dörfer, die zu diesem Bereich gehören. Also die Aufgabe war dann das gemeindliche Steuerwesen.
Vorsitzender Richter:
Na ja. Also die zivile Verwaltung. Der Amtskommissar, sagten Sie, war der jeweilige Kommandant. Wer war denn das?
Zeuge Ludwig Damm:
Nein, der jeweilige Leiter der Standortverwaltung.
Vorsitzender Richter:
Standortverwaltung. Wer war denn das?
Zeuge Ludwig Damm:
Ja, das war der Sturmbannführer Burger. Und später war es dann der Obersturmbannführer Möckel. Also immer in Personalunion jeweils der Leiter der Standortverwaltung war gleichzeitig der Amtskommissar, also sozusagen der Bürgermeister.
Vorsitzender Richter:
So daß Sie also mit dem Kommandanten von Auschwitz nichts zu tun hatten?
Zeuge Ludwig Damm:
Nein, nein.
Vorsitzender Richter:
Und auch nicht mit seinem Adjutanten?
Zeuge Ludwig Damm:
Nein, nein, nein. Es sei denn, es waren Verschiedene verheiratet und haben ihre Familie da gehabt, die dann einwohnermäßig als auch
Vorsitzender Richter [unterbricht]:
Von Ihnen erfaßt wurden.
Zeuge Ludwig Damm:
Erfaßt waren. Also auch für die Versorgung die Lebensmittelkarten und so weiter in Empfang genommen haben.
Vorsitzender Richter:
Sie sind also in das Lager nur in den ersten vier bis sechs Wochen reingekommen, wo Sie da waren.
Zeuge Ludwig Damm:
Ja, ja.
Vorsitzender Richter:
Und nur dann, wenn Sie die Gutscheine ausgegeben haben, so daß Sie das Lager sonst überhaupt nicht kennengelernt haben.
Zeuge Ludwig Damm:
Doch, zur Entlausung muß man also auch mal rein. In die Wäscherei oder Waschraum oder so was ähnliches.
Vorsitzender Richter:
Haben Sie bei dieser Gelegenheit irgendwie Einzelfälle beobachten können, ich will mal sagen, daß Leute dort zusammengeschlagen worden sind? Totgeschlagen worden sind?
Zeuge Ludwig Damm:
Nein, das habe ich nicht gesehen.
Vorsitzender Richter:
Haben Sie die Tätigkeit der Politischen Abteilung näher beobachten können?
Zeuge Ludwig Damm:
Nein.
Vorsitzender Richter:
Sie waren doch ganz in der Nähe untergebracht, beziehungsweise bei der Standortkommandantur, wie Sie dort saßen, war doch die Politische Abteilung ganz in der Nähe?
Zeuge Ludwig Damm:
Die war aber nicht im Verwaltungsgebäude.
Vorsitzender Richter:
Aber da waren doch neben dran Baracken, das Krematorium war doch gegenüber.
Zeuge Ludwig Damm:
Ja, an der Ecke.
Vorsitzender Richter:
Und?
Zeuge Ludwig Damm:
Ja, also das kann ich nicht sagen.
Vorsitzender Richter:
Da wissen Sie nichts davon?
Zeuge Ludwig Damm:
Nein, nein.
Vorsitzender Richter:
Haben Sie das Krematorium aber gesehen?
Zeuge Ludwig Damm:
Ja, man ging vorbei.
Vorsitzender Richter:
Man ging vorbei.
Zeuge Ludwig Damm:
Man mußte ja vorbeigehen.
Vorsitzender Richter:
Haben Sie auch erlebt, daß in diesem Krematorium Menschen getötet worden sind? [...]
Zeuge Ludwig Damm:
Nein, das habe ich nicht.
Vorsitzender Richter:
Ist Ihnen denn von dem übrigen Personal des Lagers Auschwitz, außer Mulka und den Verwaltungsleuten, mit denen Sie da zusammen waren, sonst noch jemand bekanntgeworden? Von der Leitung oder von...
Zeuge Ludwig Damm:
Die Verwaltung, also was unsere direkte vorgesetzte Behörde war, damals der Amtskommissar war ja mein direkter Vorgesetzter, nicht. Ich war ja lediglich wirtschaftlich und disziplinarisch dort unterstellt. Ich habe sogar im Bürgermeisteramtsgebäude gewohnt. Ich habe praktisch keinen Kontakt gehabt.
Vorsitzender Richter:
Haben Sie einmal gesehen, wenn Transporte angekommen sind?
Zeuge Ludwig Damm:
Tja, das hat ja jeder gesehen, kann man sagen.
Vorsitzender Richter:
Und von wo aus haben Sie das beobachtet?
Zeuge Ludwig Damm:
Die Bahnlinie ging ja mitten durch das ganze Gelände. [...]
Vorsitzender Richter:
Wo wurden denn damals die Leute ausgeladen?
Zeuge Ludwig Damm:
Am Rangierbahnhof oder was das war, ich weiß auch nicht.
Vorsitzender Richter:
Aber da war das Lager Birkenau noch nicht?
Zeuge Ludwig Damm:
42, ja. Im Hintergrund hat man es gesehen. Das Lager, das war ja Sperrgebiet, da ist ja niemand hingekommen.
Vorsitzender Richter:
Und wo haben Sie denn gesehen, daß Leute ausgeladen worden sind? Wo haben Sie damals gestanden?
Zeuge Ludwig Damm:
Das war einmal, da ging ich spazieren. Da ging eine Überführung über die Eisenbahn. Ich weiß nicht, war das Richtung Birkenau? Bis dahin konnte man gehen. Da ist ein Zug eingelaufen.
Vorsitzender Richter:
Was konnten Sie da beobachten?
Zeuge Ludwig Damm:
Ich habe nur gesehen, daß da ein Zug eingelaufen ist, und ich habe gehört, das sei ein Transport. Damals habe ich ja noch nicht gewußt, was das bedeutet. Ich war immer noch der Auffassung, die Menschen werden hier gesammelt und sollen da angesiedelt werden. Ich habe den Eindruck gehabt, jeder hat sich vor dem anderen also zurückgehalten. Jeder hat sich scheinbar gefürchtet, irgend etwas zu sagen.
Vorsitzender Richter:
Und da kam also dieser Transport an. Haben Sie da irgend etwas beobachten können, ob da die Leute eingeteilt und aussortiert worden sind und weggebracht worden sind?
Zeuge Ludwig Damm:
Nein. Nein. Nein.
Vorsitzender Richter:
Das haben Sie nicht beobachtet?
Zeuge Ludwig Damm:
Nein, nein.
Vorsitzender Richter:
Wie Sie nun weggekommen sind von dem Lager, wann war denn das?
Zeuge Ludwig Damm:
Das war gleich im Januar.
Vorsitzender Richter:
Neunzehnhundert?
Zeuge Ludwig Damm:
43.
Vorsitzender Richter:
Nein, nein. Ich meine, wie Sie evakuiert worden sind.
Zeuge Ludwig Damm:
Ja, das war im Januar 45.
Vorsitzender Richter:
Im Januar 45. Nun gehörten Sie ja an und für sich nicht zum engeren Lager.
Zeuge Ludwig Damm:
Nein.
Vorsitzender Richter:
Mit wem wurden
Zeuge Ludwig Damm [unterbricht]:
Ich habe vollkommen in der Luft gehangen. [...]
Vorsitzender Richter:
Und mit wem wurden Sie evakuiert?
Zeuge Ludwig Damm:
Da hat mich abends der Spieß von der Standortkommandantur angerufen, ich soll mich fertig machen. Jetzt weiß ich auch nicht, wem soll ich nun gehorchen. Die Leute von den sieben Dörfern, die brauchen doch Lebensmittelkarten. Und der Obersturmbannführer Möckel war schon gar nicht mehr da, ich saß nur ganz allein da unten, das Personal war schon weg, und scheinbar hat man mich vergessen. Und da habe ich den Bürgermeister der Stadt Auschwitz angerufen, er soll doch hier die Betreuung mit übernehmen. Aber die Ausgabe der Lebensmittelkarten war ja Ende Januar, und da war ja niemand mehr da. Und da hat mich der Spieß da angerufen, und ich habe mich dann einem Treck von der Standortverwaltung angeschlossen, das war ein Oberscharführer Sierek. Das war ein Pferdetransport, und mit dem bin ich dann losgezuckelt. Da waren einige Häftlinge dabei, es waren Menschen aus allen Nationen, auch Juden waren dabei.
Vorsitzender Richter:
Wie kamen die denn zu diesem Transport? Sie waren doch außerhalb des Lagers.
Zeuge Ludwig Damm:
Ja, die haben mich mitgenommen.
Vorsitzender Richter:
Ach, die haben Sie mitgenommen.
Zeuge Ludwig Damm:
Ja, ja. Der Stabsscharführer sagte, ich soll mich denen anschließen. Und das war scheinbar das Personal von so Magazinen. Denn die haben mir erzählt, sie hätten da schon jahrelang gearbeitet. Und mit denen bin ich dann bis nach Gablonz gezogen.
Vorsitzender Richter:
Und von dort aus?
Zeuge Ludwig Damm:
Von dort aus kam ich...
Vorsitzender Richter:
Sind Sie mit einem Maschinentransport
Zeuge Ludwig Damm [unterbricht]:
Maschinentransport.
Vorsitzender Richter:
Was verstehe ich denn darunter?
Zeuge Ludwig Damm:
Das waren Druckmaschinen.
Vorsitzender Richter:
Ja.
Zeuge Ludwig Damm:
Das war ein Unterscharführer, der eine Druckerei dort geleitet hat im Lager. Und der hat mir erzählt, die kämen dort und dorthin. Und da habe ich gesagt, er soll mich doch fahren lassen. Meine Frau, die war da oben in der Nähe von Bad Kissingen evakuiert, und ich wußte, daß sie in dieser Zeit niederkam. Und ich habe ja schon ein halbes Jahr nichts mehr gehört. Und da hat der mich da mitfahren lassen, das heißt, ich habe dann diese Maschinen, also Druckmaschinen, es war ein verschlossener Waggon, bis nach Berga-Kelbra [+ gebracht], am Harz war das. Und dann fuhr ich zurück in die Nähe von Bad Kissingen, habe meine Frau dort besucht. Das Kind war auch zur Welt gekommen. Und anschließend fuhr ich in die Nähe von Weiden in der Oberpfalz. Da war die Abwicklungsstelle der Standortkommandantur.
Vorsitzender Richter:
Von Auschwitz?
Zeuge Ludwig Damm:
Ja, ja. Und von dort aus wurde ich dann in Marsch gesetzt nach Berlin und kam von Berlin sofort – am selben Tag oder derselben Nacht – nach Iglau zum 17. Panzergrenadierbataillon. Und von da aus mit einem Marschbataillon dann runter in die Steiermark. Da habe ich dann das Ende erlebt, die Kapitulation, und ging dann anschließend in amerikanische Gefangenschaft.
Vorsitzender Richter:
Und da kamen Sie nach Dachau?
Zeuge Ludwig Damm:
Ja, aber erst später. Ich glaube, 46. Ich habe wahrheitsgemäß meine Angaben immer gemacht. Ich habe immer das angeführt. [unverständlich]
Vorsitzender Richter [unterbricht]:
Und in Dachau war auch eine polnische Untersuchungskommission tätig?
Zeuge Ludwig Damm:
Ja, ja. Ja, das war das War crime, also diese Kriegsverbrecherkommission. Da wurden wir überprüft. [...]
Vorsitzender Richter:
Und da hat man an Ihnen keinen Anstoß gefunden?
Zeuge Ludwig Damm:
Tja.
Vorsitzender Richter:
Ja.
Zeuge Ludwig Damm:
Ich wurde vernommen, aber ich habe nie was gehört.
Vorsitzender Richter:
Und 48 wurden Sie aus der Gefangenschaft entlassen?
Zeuge Ludwig Damm:
Ja.
Vorsitzender Richter:
Um noch mal zurückzukommen auf den Angeklagten Mulka: Sie haben den Angeklagten nur ein einziges Mal erlebt, und zwar damals, wie er Sie da angehört hat, wie Sie sich gemeldet haben?
Zeuge Ludwig Damm:
Ja, wie ich mich gemeldet habe.
Vorsitzender Richter:
Sonst haben Sie ihn nicht erlebt?
Zeuge Ludwig Damm:
Nein, nein, nein.
Vorsitzender Richter:
War er damals recht hart zu Ihnen? Hat er Sie da angeherrscht oder
Zeuge Ludwig Damm [unterbricht]:
Genau wie das so beim Militär war. Sicher hat Herr Mulka auch nach seinen bestehenden Vorschriften gehandelt.
Vorsitzender Richter:
An und für sich müssen Sie doch von der heutigen Sicht aus sagen, daß Sie bei dieser Gelegenheit recht gut weggekommen sind mit dem Verweis.
Zeuge Ludwig Damm:
Ja, heute muß ich das sagen.
Vorsitzender Richter:
Denn Sie wissen doch genau, daß damals nicht lang gefackelt wurde, namentlich bei SS-Leuten.
Zeuge Ludwig Damm:
Ja.
Vorsitzender Richter:
Und wenn Sie damals wirklich gemeldet worden wären vor ein SS- und Polizeigericht, wäre vielleicht die Sache schlechter ausgegangen.
Zeuge Ludwig Damm:
Ja, ich weiß. Ich muß sagen, Hohes Gericht, ich habe immer wieder gute Menschen getroffen. Und
Vorsitzender Richter [unterbricht]:
Ja, das mag ja sein, Herr Zeuge, ich frage nur deshalb: Haben Sie den Eindruck, daß der Angeklagte Mulka hier besonders fanatisch oder besonders bösartig Ihnen gegenüber gehandelt hat?
Zeuge Ludwig Damm:
Das möchte ich nicht sagen.
Vorsitzender Richter:
Das möchten Sie doch nicht sagen, gell?
Zeuge Ludwig Damm [unterbricht]:
Nein. Nein, nein.
Vorsitzender Richter:
Ich habe keine Frage mehr. Herr Staatsanwalt.
Staatsanwalt Kügler:
Herr Damm, wenn ich Sie recht verstanden habe, war es so, daß Sie aus dem Urlaub zurückgekommen sind und dann zu dem Angeklagten Mulka bestellt wurden?
Zeuge Ludwig Damm:
Ja.
Staatsanwalt Kügler:
Und dann nochmals erscheinen mußten, und da wurde Ihnen die...
Vorsitzender Richter:
Strafverfügung.
Staatsanwalt Kügler:
Die Strafverfügung ausgehändigt.
Zeuge Ludwig Damm:
Ja.
Staatsanwalt Kügler:
Haben Sie noch eine Vorstellung, von wann bis wann Sie damals Urlaub hatten?
Vorsitzender Richter:
Das hat er gerade eben gesagt. [...]
Zeuge Ludwig Damm:
Circa acht Wochen waren es.
Vorsitzender Richter:
Um die Jahreswende?
Zeuge Ludwig Damm:
Ich weiß es jetzt auch nicht mehr genau. Das waren so schreckliche Tage dort für mich.
Staatsanwalt Kügler:
Ja. Schauen Sie mal, ich habe hier Ihren Urlaubsschein von damals, der geht vom 23. November bis 28. Dezember. Kann das stimmen?
Zeuge Ludwig Damm:
Ja.
Staatsanwalt Kügler:
Schauen Sie sich das doch mal an, ob Sie damals – bleiben Sie ruhig sitzen, Herr Wachtmeister – so was in der Hand gehabt haben? [Pause] Der ist dann verlängert worden. Zuerst vom 14. November...
Zeuge Ludwig Damm:
Aha, bis zum...
Staatsanwalt Kügler:
Ja.
Zeuge Ludwig Damm:
Tja, also.
Staatsanwalt Kügler:
Haben Sie Weihnachten noch zu Hause verbracht?
Zeuge Ludwig Damm:
Weihnachten? Ja, zwischen Weihnachten und Neujahr bin ich, glaube ich, zurückgefahren.
Staatsanwalt Kügler:
Geben Sie es bitte dem Gericht. [Pause] Zwischen Weihnachten und Neujahr sind Sie rausgefahren nach Auschwitz?
Zeuge Ludwig Damm:
Ja. Es muß so gewesen sein.
Staatsanwalt Kügler:
Wie lange hat es gedauert, bis Sie zu dem Angeklagten Mulka gerufen wurden?
Zeuge Ludwig Damm:
Ich nehme an, daß es gleich am nächsten Tag, also nach meiner Ankunft war.
Staatsanwalt Kügler:
Also gleich zu Beginn des Jahres 43 dann?
Zeuge Ludwig Damm:
Ja.
Staatsanwalt Kügler:
Nun habe ich noch folgende Frage, Herr Damm: Können Sie sich erinnern, daß Sie seinerzeit in Auschwitz Unterschriften geleistet haben unter Verpflichtungen, deren Inhalt dahin ging, daß Sie Häftlinge nicht mißhandeln dürfen und daß das Leben eines Häftlings in der Hand des Führers liegt und dergleichen? Können Sie sich daran erinnern?
Zeuge Ludwig Damm:
Tja, ich habe so viele Erklärungen und Eide leisten müssen, also das weiß
Staatsanwalt Kügler [unterbricht]:
Herr Damm, ich zeige Ihnen mal hier aus Ihren Personalakten Fotokopien von drei solchen Verhandlungen, die Sie unterschrieben haben. Sehen Sie sie sich doch bitte mal an, ob Sie sich daran erinnern können, daß Sie das mal unterschrieben haben. [Pause] Ist das denn Ihre Unterschrift?[4]
Zeuge Ludwig Damm:
Ja, ja.
Staatsanwalt Kügler:
Können Sie sich erinnern an diese Vorgänge?
Zeuge Ludwig Damm:
Tja, das ist schwer. [...]
Staatsanwalt Kügler:
Herr Damm, können Sie sich vielleicht noch daran erinnern, wo das Zimmer des Adjutanten Mulka war damals?
Zeuge Ludwig Damm:
Nein, das kann ich nicht sagen.
Staatsanwalt Kügler:
Ob das zum Lager hin lag oder zur Straße?
Zeuge Ludwig Damm:
Das kann ich nicht sagen.
Staatsanwalt Kügler:
Können Sie sich daran erinnern, ob die SS-Führer, die in der Verwaltung untergebracht waren, an Ihren Türen Aufschriften hatten mit dem Namen?
Zeuge Ludwig Damm:
Das weiß ich auch nicht mehr. [...]
Staatsanwalt Kügler:
Können Sie sich daran erinnern, ob der Adjutant Mulka damals eine Brille getragen hat?
Zeuge Ludwig Damm:
Nein, daran kann ich mich nicht erinnern. [...]
Staatsanwalt Kügler:
Gut. Danke schön. Herr Vorsitzender, ich habe dann hier noch aus den Personalakten des Herrn Damm zwei Funksprüche, die im Zusammenhang mit dem Urlaub stehen und mit der Verlängerung. Auf diesen Funksprüchen ist ein Stempel: »Konzentrationslager Auschwitz, Kommandantur, Eingang«. Und dann kommen verschiedene Abteilungen, die das abzeichnen. Ich möchte diese beiden Funksprüche dem Gericht vorlegen und Sie bitten, Herr Vorsitzender – da der Angeklagte Mulka Fragen von mir nicht beantwortet, muß ich Sie leider bitten –, dem Angeklagten den Spruch Nummer 60 vorzuhalten und auch den Spruch Nummer 33 und anzugeben, ob es sich insbesondere bei dem Spruch Nummer 60 um seine Paraphe handelt auf dem Eingangsvermerk und ob er die anderen Paraphen, die dort zu sehen sind, erinnern kann.
Vorsitzender Richter:
Steht diese Urkunde im Zusammenhang mit dem Urlaub des Zeugen?
Staatsanwalt Kügler:
Ja.
Vorsitzender Richter:
Also zwei Fotokopien, die vielleicht dem Angeklagten Mulka mal vorgelegt werden sollen. Er möge sich erklären, ob [das hier seine Paraphe ist?] Wo soll da diese Paraphe sein von dem Angeklagten?
Staatsanwalt Kügler:
[unverständlich] 60, das könnte die Paraphe von dem Angeklagten Mulka sein.
Vorsitzender Richter:
Ja, Moment. Wo denn? Also Funkstellenleiter, das ist er bestimmt nicht.
Staatsanwalt Kügler:
Ja, oben ist ein Eingangsstempel.
Vorsitzender Richter:
Oben ist ein Eingangsstempel: »Konzentrationslager Auschwitz, 9. November 42«.
Staatsanwalt Kügler:
Ja. Und dann sind da in Kästchen eingeteilt die einzelnen Abteilungen.
Vorsitzender Richter:
Ja, da ist Adjutant, Kommandant, Adjutant, und dann kommt ein Fach, das ist mit einem
Staatsanwalt Kügler [unterbricht]:
Das 1 a, 1 a.
Vorsitzender Richter:
Mit einem w oder so was. Aber wo soll denn da Mulka nun seine Paraphe hingesetzt haben?
Staatsanwalt Kügler:
Das könnte die Paraphe von Mulka sein.
Vorsitzender Richter:
Das? [...] Also hier, ob das seine Paraphe hier ist.
Verteidiger Stolting II:
Herr Direktor, dürfte ich Sie darum bitten, daß diese Fotokopien erst mal den Verteidigern zur Verfügung gestellt werden?
Vorsitzender Richter:
Ja, ja. Herr Rechtsanwalt, ich muß nur wissen, warum ich sie Ihnen zur Verfügung stellen soll.
Verteidiger Stolting II [unterbricht]:
Ja, natürlich, aber ich würde darum bitten, daß sie zunächst einmal mir zur Verfügung gestellt werden, bevor das dem Angeklagten Mulka vorgehalten wird.
Vorsitzender Richter:
Bitte sehr, bitte sehr. Und hier ebenfalls, ja. Geben Sie es dem Herrn Rechtsanwalt Doktor Stolting II. [Pause] Sind sonst noch Fragen zu stellen?
Staatsanwalt Kügler:
Keine Frage.
Vorsitzender Richter:
Keine Fragen mehr. Herr Rechtsanwalt, haben Sie noch Fragen zu stellen? Bitte schön.
Verteidiger Müller:
Ja, ich habe Fragen an den Zeugen. Herr Zeuge, Sie sagten vorhin, Sie seien bei der Rückkehr von Ihrem sogenannten Arbeitsurlaub freiwillig in die Kommandantur gegangen und hätten den Vorgang gemeldet, der sich während Ihres Urlaubs ereignet hat. Habe ich Sie da richtig verstanden?
Zeuge Ludwig Damm:
Der Gerichtsoffizier der Standortkommandantur Kaiserslautern hat mir...
Vorsitzender Richter:
Den Rat gegeben.
Zeuge Ludwig Damm:
Sozusagen befohlen, also ich soll mich unbedingt sofort melden.
Verteidiger Müller:
Und da haben Sie sich gemeldet bei dem Adjutanten Mulka, wenn ich Sie richtig verstanden habe?
Zeuge Ludwig Damm:
Ich bin in das Geschäftszimmer der Kommandantur gegangen, und die haben gesagt: »Zum Hauptsturmführer Mulka.«
Verteidiger Müller:
Und bei der Aushändigung dieses Strafverweises war der Angeklagte Mulka Ihrer Erinnerung nach nicht zugegen?
Zeuge Ludwig Damm:
Es stand
Staatsanwalt Großmann [unterbricht]:
Die Frage ist beantwortet.
Verteidiger Müller:
War er nicht zugegen?
Vorsitzender Richter:
Nein.
Verteidiger Müller:
Herr Zeuge, dann halte ich Ihnen Ihre Vernehmung vor vorm Herrn Untersuchungsrichter vom 27. April 1962, Blatt 12.240, dort Absatz 2. Da haben Sie folgendes gesagt: »Ich erhielt einen strengen Verweis, der Verweis vom 5. Januar 43 ist zwar von Höß unterschrieben. Höß hat mir aber persönlich den Verweis nicht erteilt, sondern sein damaliger Adjutant Mulka. Mulka hat mich gewaltig angebrüllt.«[5] Heute sagen Sie es anders. Was ist nun richtig?
Zeuge Ludwig Damm:
Tja, Herr Verteidiger, es mag sein, aber das waren so schreckliche Tage für mich. Ich weiß, es waren einige Leute in dem Zimmer, es war auch ein Offizier dabei. Aber ich kann nicht mit Bestimmtheit sagen, wer es war.
Verteidiger Müller:
Sie haben damals gesagt, Sie seien gewaltig angebrüllt worden. Auf die Frage des Herrn Vorsitzenden haben Sie gesagt
Zeuge Ludwig Damm [unterbricht]:
Ich habe vorhin gesagt: Wie es beim Militär üblich ist, wie der Ton war.
Verteidiger Müller:
Also ein militärischer Ton?
Zeuge Ludwig Damm:
Ein militärischer Ton, ja.
Verteidiger Müller:
Aber nicht ein bösartiger Ton?
Zeuge Ludwig Damm:
Na, das will ich nicht sagen.
Verteidiger Müller:
Herr Zeuge, Sie waren Mitglied der Partei seit 1931. Kennen Sie den Inhalt des Programms der Partei bezüglich der Judenpolitik der NSDAP, so wie sie beabsichtigt war?
Zeuge Ludwig Damm:
[Pause] Das
Verteidiger Müller [unterbricht]:
War Ihnen bekannt, was das Ziel der NSDAP war im Hinblick auf die Behandlung der jüdischen Rasse?
Zeuge Ludwig Damm:
Herr Verteidiger, ich habe mich nie um Politik gekümmert. Das Kommunalwesen, das war für mich das Schönste, was es überhaupt gegeben hat.
Verteidiger Müller:
Herr Zeuge, das war nicht die Frage. Die Frage war von mir, ob Sie den Inhalt des Programms der NSDAP im Hinblick auf die Behandlung der jüdischen Rasse kannten. Antworten Sie doch bitte mit ja oder nein.
Zeuge Ludwig Damm:
Das ist für mich eine tote Sache, da kann ich mich nicht mehr erinnern.
Verteidiger Müller:
Sie meinen, nicht sich zu erinnern, das Programm zu kennen. Es kann aber sein, daß Sie es kannten?
Zeuge Ludwig Damm:
Es kann sein, daß ich das gekannt habe, ja.
Verteidiger Müller:
Hatten Sie ein inneres Gefühl dafür, was die NSDAP hinsichtlich der Juden für eine Einstellung hatte, eine positive oder eine negative?
Zeuge Ludwig Damm:
Tja
Vorsitzender Richter [unterbricht]:
Herr Rechtsanwalt, ich glaube, es ist niemand hier in dem Saal, der die damalige Zeit erlebt hat, für den diese Frage akut ist.
Verteidiger Müller:
Ja. Aber der Zeuge sagt, er sei erschüttert gewesen. Herr Zeuge, wann haben Sie zuerst erfahren in Auschwitz, daß dort jüdische Menschen getötet worden sind?
Vorsitzender Richter:
Aber Herr Rechtsanwalt, ich verstehe Sie wirklich nicht. Sehen Sie mal, der Zeuge hat gesagt: »Ich war erschüttert über die Bilder, die ich dort gesehen habe. Ich war erschüttert über das, was dort sich tat in dem Lager.« Das hat doch nichts damit zu tun, daß der Zeuge natürlich wußte, daß die Juden im Dritten Reich nicht gerade zur Persona grata avanciert waren.
Verteidiger Müller:
Das war ja auch nicht mehr meine Frage, Herr Vorsitzender. Meine Frage ging dahin, wann der Zeuge das erste Mal in Auschwitz erfahren hat, daß Juden getötet worden sind.
Vorsitzender Richter:
So. So genau habe ich das nicht herausbekommen. Na, also wann Sie das zum ersten Mal erfahren haben sollen.
Zeuge Ludwig Damm:
Ja, das kann ich auch nicht genau sagen.
Verteidiger Müller:
Und eine letzte Frage, Herr Zeuge: Blieben Sie bis zum Ende des Krieges disziplinar mit dem Kommandanturbereich Auschwitz verbunden? Ihre Stellung ist mir noch nicht klar, Ihre organisatorische Stellung.
Zeuge Ludwig Damm:
Ja, das war auch eine Sonderstellung. Ich war in einer rein kommunalen zivilen Dienststelle tätig. Für die sieben Dörfer, die Bewohner, die zu 70 Prozent aus Polen bestanden, genau wie es hier auf dem Rathaus oder sonst in einer Bürgermeisterei ist. Genau dieselbe Tätigkeit habe ich dort auch ausgeübt.
Verteidiger Müller:
Ja, ich habe keine Frage mehr.
Zeuge Ludwig Damm:
Ich war Uniformträger und war wirtschaftlich und disziplinär dem Leiter der Standortverwaltung unterstellt.
Verteidiger Müller:
Ich habe keine Frage mehr, es sei denn, Herr Stolting, es ergibt sich schon eine Frage aus der Urkunde. Keine Frage?
Vorsitzender Richter:
Herr Doktor Stolting, Sie wollten zunächst diese Funksprüche vorgelegt haben
Verteidiger Stolting II [unterbricht]:
Ich habe sie gesehen, Herr Direktor. Ich habe dazu nichts zu sagen.
Vorsitzender Richter:
Nichts zu sagen. Und wie ist es nun mit Ihnen, Angeklagter Mulka? Sie haben mir hier Ihre Paraphe auf einem Stück Papier mitgeschickt, und ich habe Sie zu fragen, ob Sie auf diesen Funksprüchen eine Abzeichnung vorgenommen haben?
Angeklagter Mulka:
Nein.
Vorsitzender Richter:
Also auf diesem einen Spruch, Nummer 33, da könnte das unter Umständen Ihre Paraphe sein, aber Sie müssen das ja besser wissen als ich.
Angeklagter Mulka:
Es sieht vielmehr wie ein W aus, Herr Vorsitzender.
Vorsitzender Richter:
Das auf dem Sechziger, das ist richtig. Aber auf dem Nummer 33, da ist eine Paraphe, die vielleicht der Ihren entsprechen könnte.
Angeklagter Mulka:
Ja, darf ich das noch mal sehen. Ich habe das vielleicht in der Eile jetzt eben nicht so genau beachtet. [Pause] In der dritten Rubrik, Herr Vorsitzender?
Vorsitzender Richter:
Ich glaube, in der zweiten, das ist doch die Rubrik für den Adjutanten.
Angeklagter Mulka:
Nein, das ist nicht meine Paraphe.
Vorsitzender Richter:
Hier ist es in der dritten, aber dort ist es, glaube ich, in der zweiten drin.
Verteidiger Müller:
Hier ist in der zweiten eine Paraphe, und dann ist sonst [unverständlich]
Vorsitzender Richter [unterbricht]:
Nein, ich meine die vordere, also die
Verteidiger Müller [unterbricht]:
Nein.
Vorsitzender Richter:
In der zweiten Rubrik, wo der Kasten drin ist: Adjutantur.
Angeklagter Mulka:
Nein, das ist nicht meine Paraphe. [...]
Vorsitzender Richter:
Herr Staatsanwalt, legen Sie Wert darauf, daß wir diese Urkunden verlesen?
Staatsanwalt Kügler:
Nein, Herr Vorsitzender, ich möchte darum bitten, daß mir die beiden Funksprüche und die von dem Angeklagten Mulka gefertigte Paraphe jetzt für Vergleichszwecke zurückgegeben werden.
Vorsitzender Richter:
Bitte sehr.
Staatsanwalt Kügler:
Und ich bitte darum, den Angeklagten Mulka zu fragen, – da er während seiner Zeit in Auschwitz ja seine Schrift verändert hat, er hat ja damals deutsch geschrieben, jedenfalls einen ganz anderen Schriftstil während seiner Zeit in Auschwitz gehabt – ob die Paraphe, die er Ihnen jetzt vorgelegt hat
Vorsitzender Richter [unterbricht]:
Die ist in deutscher Schrift.
Staatsanwalt Kügler:
Ob die der Paraphe entspricht, derer er sich damals in Auschwitz bedient hat.
Vorsitzender Richter:
Wie ist das Mulka? [...] So ist es? Ja.
Angeklagter Mulka:
[unverständlich] deutsche Schrift.
Vorsitzender Richter:
Ja. Also Herr Zeuge, der Herr Staatsanwalt hat Ihnen hier verschiedene Dinge vorgelegt, von denen Sie sagten: »Ich habe damals soviel unterschrieben und so viele Verpflichtungen abgeben müssen, ich weiß nicht mehr genau.« Ihre Unterschrift ist es auf dieser Verhandlung? Ja, die haben Sie anerkannt?
Zeuge Ludwig Damm:
Ja, ja.
Vorsitzender Richter:
Dann wäre ich doch dafür, daß wir diese Verhandlungen mal verlesen.
Staatsanwalt Kügler:
Was ich ausdrücklich beantragen möchte.
Vorsitzender Richter:
Ja. Einverstanden, ja, daß wir die verlesen? Es ergeht Beschluß: Die von der Staatsanwaltschaft vorgelegten und als Anlage zum Protokoll beigefügten drei Verhandlungen vom 10. Februar 43, vom 22.11.43 und vom 3. Januar 44 sollen verlesen werden.
Richter Hotz:
[Pause] »Verhandlung über die Verpflichtung des SS-Sturmmanns Ludwig Damm. Ich wurde am 10. Februar«... [6]
- Vgl. Anlage 5 zum Protokoll der Hauptverhandlung vom 21.08.1964, 4 Ks 2/63, Hauptakten, Bd. 101.
- Vgl. Anlage 6 zum Protokoll der Hauptverhandlung vom 21.08.1964, 4 Ks 2/63, Hauptakten, Bd. 101.
- Protokoll der Hauptverhandlung vom 21.08.1964, 4 Ks 2/63, Hauptakten, Bd. 101, Bl. 621 f.
- Vgl. Anlagen 7-9 zum Protokoll der Hauptverhandlung vom 21.08.1964, 4 Ks 2/63, Hauptakten, Bd. 101.
- Vgl. richterliche Vernehmung vom 27.04.1962 in Kaiserslautern, 4 Ks 2/63, Hauptakten, Bd. 66, Bl. 12.240.
- Vgl. Anlagen 7-9 zum Protokoll der Hauptverhandlung vom 21.08.1964, 4 Ks 2/63, Hauptakten, Bd. 101.